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LUDWIGSBURG/ Forum am Schlosspark: VISION DES HEULENDEN STURMS. Pianist Cedric Tiberghien und das Nationaltheater-Orchester Mannheim

10.04.2018 | Konzert/Liederabende

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Copyright: Agentur/ Ben Ealovega

Pianist Cedric Tiberghien und das Nationaltheater-Orchester Mannheim am 9. April 2018 im Forum am Schlosspark/LUDWIGSBURG

VISION DES HEULENDEN STURMS

 Die russisch-britische Komponistin Alissa Firsova hat der Liebesbeziehung von Alma Mahler mit Oskar Kokoschka ein aufregendes Klangbild als Denkmal gesetzt. Kokoschka stellt in seinem Gemälde „Die Windsbraut“ ein Liebespaar in stürmischer Nacht dar. Das Rauschen des Windes weitet sich hier zu einem heulenden Sturm aus – und die Violinen intonieren das leidenschaftliche Hauptthema. Holzbläser und Blech beschreiben weiter den wirbelnden Wind. Während das Hauptthema in Bratschen und Celli übergeht, kommt es schließlich zu einem gewaltigen Orchestertutti als triumphaler Liebesvereinigung. Streicher und Hörner spielen dann mit Tremoli das Thema unisono als eine enthusiastische Fanfare. Das Posaunensolo stellt Oskars Liebesthema dar, dessen Intensität immer mehr zunimmt.

Das Nationaltheater-Orchester Mannheim unter der inspirierenden Leitung von Alexander Soddy musizierte dieses Werk mit aufwühlender Emphase, deren Intensität nicht nachließ. Eine Antwort kam dann in den Streichern für Almas Stimme. Duette der Trompeten, Hörner und Klarinetten heizen die Stimmung weiter an, mystische Glockentöne verbinden den Dialog zwischen Solovioline und Harfe zu einem aufregenden Klangkosmos. Nach der Beschwörung des Liebesthemas durch Streicher und Blechbläser gipfelt das Werk in einer rauschenden Coda. Cluster- und Choralbildungen runden es ab.

Der in Frankreich geborene Pianist Cedric Tiberghien interpretierte dann sehr sensibel das Konzert für Klavier und Orchester Nr. 21 in C-Dur KV 467 von Wolfgang Amadeus Mozart. Die militärische Forschheit schmetternder Fanfaren und der strahlende Glanz heiterer Festlichkeit stachen bei dieser facettenreichen Wiedergabe mit dem einfühlsam begleitenden Nationaltheater-Orchester Mannheim unter Alexander Soddy deutlich hervor. Der Verzicht der dramatischen Kontrastierung von Solo und Orchester trat hier nicht störend in den Vordergrund, sondern wurde durch die elastisch-federnde Interpretation des Kopfthemas durch Cedric Tiberghien noch deutlicher akzentuiert. Die Themen wirkten bei dieser konzentrierten Wiedergabe trotz der eleganten Ritterlichkeit verbindlicher. Und auch der Charme der Seitenthemen mit dem dezenten Hinweis auf die g-Moll-Sinfonie KV 550 kam nicht zu kurz. Bei der Durchführung konnte man spannungsvoll verfolgen, wie sich Mozart von C-Dur aus in die Schatten ferner Tonartenreiche locken lässt. Im Andante schwang sich die wunderbar gewölbte Melodie anmutig in sphärenhafte Entrücktheit empor. Übersprühender Witz und gute Laune machten sich dann im Finale breit. Tiberghien interpretierte als Zugabe noch sphärenhaft ein Präludium von Johann Sebastian Bach.

Zum Abschluss musizierte das Nationaltheater-Orchester Mannheim unter Alexander Soddys Leitung geradezu bombastisch und erregend die Sinfonie Nr. 6 in h-Moll op. 74 „Pathetique“ von Peter Tschaikowsky. Die Ehrlickeit dieser erschütternden Musik kam so drastisch zum Vorschein. Düster und suchend begann der von leidenschaftlichem Gefühl getragene erste Satz mit einer Klage des Fagotts, aus der sich das drängende erste Thema des Allegro non troppo bildete. Das hysterisch Aufbegehrende wurde hier von Alexander Soddy zwar gezügelt, doch trat die Zerrissenheit Tschaikowskys immer wieder ergreifend zutage. Trost und Qual blühten in diesem Gesang auf, der dann wie ein schönes Traumbild entschwebte. Und in der Durchführung gehörte das Feld dann ganz dem ersten Thema, das sich verbissen aufbäumte. Und die Rebellion stürzte in totale Entsagung. Mit einem idyllischen Fünfer-Rhythmus kam die Salon-Musik des Allegro con grazia daher. Im Mittelteil blitzte der Schatten leiser Wehmut auf. Geheimnisvoll hob das elektrisierende Marschthema des dritten Satzes an, dessen Feuer sich bei dieser glutvollen Wiedergabe nicht löschen ließ. Immer bestimmter behauptete sich so die davonhuschende Betriebsamkeit. Und im letzten Satz folgte der wirklich ergreifend musizierte Klagegesang eines vom Tode Gezeichneten. Symbolhafte Beziehungen zum ersten Satz wurden bei diesem leidenschaftlichen Adagio lamentoso präzis herausgearbeitet. 

Alexander Walther

 

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