Vikingur Olafsson (Klavier) und das Bergen Philharmonic Orchestra am 12.2.2023 im Forum am Schlosspark / LUDWIGSBURG
Raffinierte Instrumentationskunst
Das im Jahre 1765 gegründete Bergen Philharmonic Orchestra hat eine große Tradiition, denn kein Geringerer als Edvard Grieg stand zwei Jahre lang am Pult dieses hervorragenden Klangkörpers. Mit dem eindrucksvollen „Trauermarsch zum Andenken an Rikard Nordraak“ EG 107 von Edvard Grieg begann denn auch dieses besondere Gastkonzert des norwegischen Orchesters unter der Leitung des britischen Dirigenten Edward Gardner. Gewaltige dynamische Steigerungen sind in jedem Fall kennzeichnend für diese Komposition, deren marschartiger Charakter harmonisch immer mehr ausufert. Die vom Leitton geprägte Melodik trat hier deutlich hervor. Der isländische Pianist Vikingur Olafsson interpretierte anschließend das Konzert für Klavier und Orchester in a-Moll op. 54 von Robert Schumann. Das romantische Temperament des Komponisten kam dabei sehr gut zur Geltung. Formaler Aufbau, Harmonietönung und Themenbildung wuchsen ganz zusammen. Man spürte hier, wie kunstvoll das ganze Stück aus einem Thema entwickelt wird. Im fantasievollen Neben- und Nacheinander kam der Stimmungsreichtum dieses Themas voll zur Geltung. Neben empfindungsvollen Melodien strahlte die musikalische Ursubstanz leuchtend hervor. Leidenschaftlich-energisch war deswegen die Einleitung beim Allegro affetuoso. Immer neue klangliche Reize beschwor der Pianist Vikingur Olafsson auch bei der schattigen Dur-Wärme des Gefühls. Im Intermezzo Andantino grazioso unterstrich der Pianist die subtile Wechselrede zwischen dem Solopart und dem Orchester – und das Bergen Philharmonic Orchestra unter der impulsiven Leitung von Edward Gardner begleitete ihn einfühlsam. Die Substanz des zweiten und vierten Taktes wurde sehr gut akzentuiert. Auch die ruhig-schwärmerische Cello-Melodie kam nicht zu kurz, deren dunkle Glut im Mittelteil bei den Arabesken des Klaviers hell aufleuchtete. Im Finale Allegro vivace blitzten dann Energie und Festlichkeit hervor. Und der Klavierpart wurde immer brillanter, virtuoser. Keime aus den vorangegangenen Sätzen blühten auf – und das marschähnliche Seitenthema gefiel mit scharf geprägtem Rhythmus. Nach Durchführung und Reprise tauchte ein neuer Gedanke auf. Für den begeisterten Applaus bedanke sich Vikingur Olafsson unter anderem mit einer wunderbar sphärenhaften Zugabe aus einer Sonate von Johann Sebastian Bach. Leider spielte er das angekündigte Klavierkonzert von Edvard Grieg nicht. Zum Abschluss bot das Bergen Philharmonic Orchestra eine überwältigende Wiedergabe der sinfonischen Tänze op. 45 von Sergej Rachmaninow, wo es neben düsteren Walzern auch Assoziationen zu „Dies irae, dies illa“ gibt. Stürmischer Rhythmus, mondän-sinnliches Kolorit, wehmütige Melodien, dunkles Pathos, hymnische Steigerungen und moderne harmonische Wendungen wechselten sich in rasanter Weise ab. Vor allem kam die unglaublich raffinierte Instrumentationskunst dieses im Jahre 1940 in Amerika entstandenen Alterswerkes bei dieser Wiedergabe zum Vorschein. Melancholische lyische Passagen und ein rhapsodischer Grundzug blitzten immer wieder deutlich auf. Wuchtige Akkorde standen wie gewaltige Blöcke neben feinen filigranen Sequenzen. Und das „Alleluja“ der orthodoxen Liturgie gipfelte in einer grandiosen Coda. Als Zugabe war noch „Ases Tod“ aus der ersten „Peer Gynt“-Suite von Edvard Grieg mit ausgezeichnetem, samtweichem Streicherklang zu hören.
ALEXANDER WALTHER