Forum am Schlosspark Ludwigsburg, Giuseppe Verdi, Messa da Requiem, Gastspiel des Nationaltheaters Mannheim, 19.10.2024
Das Nationaltheater Mannheim ist regelmäßiger und gern gesehener Gast im Ludwigsburger Forum am Schlosspark. Und nach der denkwürdigen Darbietung Verdis Messa da Requiem kann man nur hoffen, dass dies noch oft der Fall der sein wird. Das Orchester und der Chor des Nationaltheaters Mannheim und die Solisten boten unter der Leitung von Roberto Rizzi Brignoli eine unter die Haut gehende und nachwirkende Aufführung der so nötigen Totenmesse dar.
Denn zunächst habe Verdi seinem Kollegen Alberto Mazzucato abschlägig auf dessen Überredungsversuche geantwortet, es sei unnötig, eine weitere Totenmesse den vielen bestehenden hinzuzufügen. Gut für die musikalische Welt, dass Verdi seine Meinung geändert hat!
Mit erwähntem Kollegen und elf weiteren tat sich Verdi nach dem Tod Gioachino Rossinis zusammen und schuf zusammen ein Requiem auf den verstorbenen Großmeister der Oper. Das Projekt, für das jeder einen Teil eigenständig komponierte, kam aus widrigen Gründen nicht zur Aufführung, und so verschwand Verdis „Libera Me“ wie die anderen Teile in Vergessenheit.
Nach dem Tod des italienischen Nationaldichters und Fürsprechers der italienischen Einigung Alessandro Manzoni („I Promessi Sposi“) überwältigt erinnert sich Verdi an das fertigkomponierte Ende der Totenmesse und nimmt sie als Ausgangsbasis für seine Messa da Requiem. Diese Hinzufügung zu allen bestehenden Totenmessen setzt für das 19. Jahrhundert die Krone auf und war schon zur Uraufführung 1874 ein unvergleichliches und nie dagewesenes Ereignis. Seitdem ist die Messe nicht aus den – wohlgemerkt – Konzertsälen wegzudenken. Schließlich ist die Totenmesse trotz des liturgischen Textes nicht rein spirituell, kirchlich, sondern gewissermaßen säkularisiert zu lesen.
Ein Konzertsaal, der sich angesichts seiner Dimensionen hervorragend für dieses Stück eignet, ist der Theatersaal im Ludwigsburger Forum am Schlosspark – immerhin das drittgrößte Theater in the Länd. (Und nebenbei bemerkt seit diesem Jahr ein eingetragenes Denkmal aufgrund seines Stellenwerts in der jüngeren Geschichte der Veranstaltungs- und Theaterbauten in Baden-Württemberg.)
Das groß besetzte Orchester des Nationaltheaters Mannheim und der 64-köpfige Chor fanden darin hervorragend Platz und erfüllten fesselnd den Raum, dass der Atem mehr als einmal stockte. Maestro Roberto Rizzi Brignoli leitete das Requiem mit großer Umsicht und mit viel Gespür für die unterschiedlichen Stimmungen des Werks. Die orchestralen Ausbrüche im Dies Irae waren derart wuchtig, dass man sich im Fegefeuer wähnte. Zur Glanznummer wurde das Tuba Mirum mit martialischen und präzisen Ferntrompeten. Gleichwohl innig und eindringlich gestaltete Brignoli die kammermusikalischen Teile wie das Domine Jesu. Das bekanntlich hervorragende Orchester gab sich der meisterhaften Komposition gerne hin und spielte wunderbar abgestimmt in allen Instrumentengruppen. Besonders hervorzuheben sind die Blechbläser, durch Mannheims Wagnertradition besonders gestählt. Sie trafen auf den Mailänder Dirigenten, der Verdis Musik verinnerlicht hat – das war zu spüren. Deutsches Blech und Italianità, daraus entstand eine Synthese, derer man sich nicht zu entziehen vermochte.
Der Chor des Nationaltheaters Mannheim (Direktor: Alistair Lilley) sang bravourös die anstrengende Partie und verlieh der Messe den immer passenden Ausdruck. Eruptiv in den Dies-Irae-Einbrüchen, lyrisch in Agnus Dei, zitternd im Rex Tremendae. Die komplexe Doppelfuge des Sanctus, gewissermaßen der Lackmustest für jeden Chor, gelang meisterlich. Bravo für diese Chorleistung!
Die Solisten Marita Sølberg (Sopran), Ann-Beth Solvang (Mezzosopran), Sung Min Song (Tenor) und Johannes Seokhoon Moon (Bass) ließen die Aufführung zum Fest werden. Die Partien im Quartett, Terzett und Duett waren sehr gut abgemischt, die Einzelleistungen sind ebenfalls hervorzuheben.
Mit dem Libera Me hat es bei Verdi musikalisch angefangen, mit dem Libera Me endet das monumentale Werk nach allen Höhen und Tiefen. Es endet versöhnlich, und das ist ein schöner Trost für alle Anwesende an diesem Abend. Das Publikum spendete lauten Beifall und feierte alle Beteiligten langanhaltend.
Fabian Kropf