„Ein deutsches Requiem“ von Johannes Brahms mit der Gaechinger Cantorey im Forum am Schlosspark am 25.1.2025/LUDWIGSBURG
Klanglicher Zauber
Vor dem „Requiem“ erklang die Motette „Warum ist das Licht gegeben den Mühseligen“ für gemischten Chor a cappella op. 74 Nr. 1 von Johannes Brahms. Die Nähe zu Palestrina wurde dabei nicht geleugnet. Hans-Christoph Rademann dirigierte den Chor mit großen Bewegungen, die die innere Emotion des Werkes verdeutlichten. Alles wirkte abgeklärt und fast sphärenhaft. Und der Charakter des Madrigals zeigte sich in der reif gestalteten Polyphonie.
Katharina Konradi. Foto: Simon Pauly
Seit 1861 hatte sich Brahms mit einer Partitur beschäftigt, die dann 1866 in Zürich vollendet wurde: „Ein deutsches Requiem“ opus 45. Die Texte stellte er sich selbst zusammen. Er wollte kein katholisches Testament schreiben. Der erste Satz beschwor in der einfühsamen Wiedergabe mit dem Chor der Gaechinger Cantorey und dem Orchestre Philharmonique du Luxembourg unter der inspirierenden Leitung von Hans-Christoph Rademann den Ton einer wehmütigen Trauer. Das Orchester hatte hier ohne Geigen einen weichen, dunklen Klang und hellte sich erst auf bei der zwischen Freude und ungläubigem Staunen und Fragen schwankenden Stelle, die verkündet, dass „die mit Tränen säen, mit Freuden ernten“ werden. An alte Totentanz-Darstellungen gemahnte bei dieser ausgefeilten Wiedergabe der zweite Satz, der übrigens teilweise zunächst für das Klavierkonzert gedacht war. Das Orchester stimmte eine trauermarschartige Melodie an, die mit ihrem starren Schritt Herbes und Süßes seltsam ineinanderfließen ließ und im Nachsatz sich sehnsüchtig in die Höhe schwang. Der Chor setzte mit den Worten „Denn alles Fleisch, es ist wie Gras“ ganz umittelbar ein. Halb Choral und halb altes Volkslied passte sich diese Weise der sehnend aufsteigenden Orchestermelodie an. Dieser „Hymnus der Vergänglichkeit“ erklang als ergreifende Mahnung zur Geduld. „Aber des Herrn Wort bleibet in Ewigkeit“ verkündeten als erhabene Gewissheit Chor und Orchester mit Posaunenton – und immer stärker brach die Freude hervor in dem zuversichtlichen Bekenntnis „Die Erlöseten des Herrn werden wiederkommen.“ Bei Rademann wurde man dabei deutlich an Händel erinnert. Angstvoll bat der ausdrucksvolle Solo-Bariton von Konstantin Krimmel zu Beginn des dritten Satzes: „Herr, lehre doch mich, dass ein Ende mit mir haben muss“. Die Nichtigkeit des Menschendaseins spiegelte sich hier im Klang atemlos-schemenhaft. Unheimlich verhallende Paukenschläge verstärkten diesen Eindruck. Mit hilflosem Taumeln wurde die bange Frage „Nun Herr, wes soll ich mich trösten?“ beschworen. Und im Leeren verhallte der schmerzliche Ruf. „Der Gerechten Seelen sind in Gottes Hand“ steigerte sich zur machtvolle Chorfuge. Die Vision des lichten Jenseits enthüllte der vierte Satz zu dem Text „Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr Zebaoth“. Katharina Konradi gestaltete die unfassbare Milde des Solosoprans im fünften Satz sehr glaubwürdig und bewegend – als ob eine verklärte Seele den Hinterbliebenen mütterlich den Schmerz lindere. Geheimnisvoll klangen die Worte des Baritons Konstantin Krimmel bei „Siehe, ich sage euch ein Geheimnis“. Wie gelähmt und düster wiederholte der Chor diese Worte und plötzlich brach mit entfesselter Gewalt das Jüngste Gericht herein – „Die Zeit der letzten Posaune“ war da. Die Melodie steigerte sich unter Rademann in den Chormassen ekstatisch hoch in der triumphierenden Frage: „Tod, was ist dein Sieg?“ Dann stieg der Dankgesang der Erlösten ergreifend auf, die grandiose Fuge „Herr, du bist würdig“ erreichte ihren Gipfel. Und als ruhig-feierliche Seligpreisung klang das Werk aus: „Herr, du bist würdig“. Großer Jubel.
Alexander Walther