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LUDWIGSBURG/ Forum am Schlosspark: BALLET OF DIFFERENCE von Richard Siegal „mit „tanz Köln“

14.12.2019 | Ballett/Performance


Copyright: Thomas Schermer

Ballett „New Ocean“ von Richard Siegal „mit „tanz Köln“/Ballet of Difference  am 13.12.2019 im Forum am Schlosspark/LUDWIGSBURG

Digitalisierung im Tanz-Zentrum

Richard Siegal vertieft sich in diesem Ballett in einen kreativen Dialog mit anderen Künstlern, das „Ballett of Difference“ zeigt den Spitzentanz im digitalen Zeitalter. 2019 wurde Siegals neuestes Werk „New Ocean“ aufgeführt. Die Anregung dafür besorgte sich Siegal aus der choreografischen Arbeit seines Kollegen Merce Cunningham. Siegal sprengt hier den Kreis der mathematischen Form. Chaos dringt dabei in den Kosmos ein und verändert das Weltbild radikal. Die elektronische Komposition arbeitet virtuos mit Orginalaufnahmen von Cage. Es gibt zuletzt keine Daten mehr, nach denen getanzt werden kann. Nebel hüllt die Zuschauer immer wieder in geradezu magischer Weise ein. Siegal entwirft auf jeden Fall ein streng mathematisches System, das mittels eines Algorithmus Datensätze des Klimawandels in choreografische Handlungen übersetzt. Diese visuelle Umsetzung besitzt eine elektrisierende Wirkungskraft, die beim Publikum einen fesselnden Eindruck hinterlässt. Bewegungsprinzipien erinnern hier an Rudolph Labans „Effort Theory“. Biomechanische Analysen des Körpers scheinen bei dieser ungewöhnlichen Produktion in einen künstlerischen Prozess umgesetzt zu werden. Der Tanz mutiert zu einem ungewöhnlichen Entwicklungsverlauf. Man will der Schwerkraft entweder entgegentreten oder ihr nachgeben. Man lässt die Körperbewegung zu, gibt den Widerstand auf. Bei dieser konzentrierten Balletttechnik gibt vor allem die Wirbelsäule die Richtung vor. Darauf berufen sich die Tänzerinnen und Tänzer, die ohne direkten Augenkontakt miteinander kommunizieren. Das Potenzial eines klassischen Ballettstücks wird so weitgehend aufgegeben. Sie berühren sich auch während des Stückes nicht. Cage und Cunningham arbeiteten mit dem „I Ging“. So sind Prozesse entstanden, die das choreografische Material bearbeiten und verwandeln. Diese Choreografie hängt außerden von den Daten des Polareises ab. Darauf weisen auch die subtilen Kostüme von Flora Miranda hin. Und die suggestive Musik von Alva Noto und Ryuichi Sakamoto begleitet hier den Tänzer, der mit seinem Körper zu einem menschlichen Repräsentanten dieser Daten wird. Dem Bild des Körpers mit dem Spitzenschuh wird so sogar eine politische Dimension hinzugefügt. Das ist außergewöhnlich und faszinierend gleichermaßen. Alles bezieht sich nicht mehr auf die Tradition des klassischen Balletts. Gleichzeitig befinden sich die Tänzer in einer gegenseitigen Abhängigkeit, die deutlich zum Ausdruck kommt. Aber den größten Teil der Aufmerksamkeit widmen sie sich selbst. Bewegung und Zufall finden dabei ganz zusammen. Die Companie hat auch gewisse Freiheiten, die sie konsequent umsetzt. Sie macht Variationen und entscheidet, wann sie eintritt. Die Stille ist hier sehr stark und lang. Und der Kreis auf der Bühne ist ein bestimmendes Element. Das Licht bewegt sich wie auf einer Umlaufbahn fort. Das ist spannend anzusehen. Daten des schmelzenden Polareises machen auf das Klimaproblem aufmerksam. Die Tänzer verlassen allmählich die Bühne. Die gesammelten Daten werden neu interpretiert und unter Verwendung von Parametern an die Choreografie angepasst. Winter und Sommer werden gleichsam wiedergespiegelt, Projektionen verändern sich zu geheimnisvollen  Zukunftsszenarien. Zuletzt kommt es zu einer gewaltigen Steigerung mit Lichtblende und Nebelwolken.

Es ist eine Co-Produktion des Schauspiels Köln mit „tanz Köln“. Viel Jubel und Zustimmung. 

Alexander Walther

 

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