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LONDON: Stream des London Symphony Orchestra: Naoko Keatley (Violine) und Zeynep Özsuca (Klavier) am 12. 2. 2021 beim „Friday Lunchtime Concert“ in St Luke`s

12.02.2021 | Konzert/Liederabende

Stream des London Symphony Orchestra: Naoko Keatley (Violine) und Zeynep Özsuca (Klavier) am 12. 2. 2021 beim „Friday Lunchtime Concert“ in St Luke`s (musikalisches Bildungszentrum)/LONDON

DAS LIED STEHT IM MITTELPUNKT

 Immer wieder bietet das London Symphony Orchestra „Friday Lunchtime“-Konzerte an. Sie sind überwiegend der Kammermusik gewidmet. Aber es werden auch zeitgenössische Komponisten vorgestellt. Das Stück der aus Hongkong stammenden Komponistin Tonia Ko „Part from Plush Earth in Four Pieces“ interpretierten die beiden Musikerinnen Naoko Keatley (Violine) und Zeynep Özsuca (Klavier) voller Akribie und elektrisierendem Scharfsinn. Es ist bemerkenswert, wie die Violine hier auf das Klavier reagiert. Dabei kann der Hörer neue Klangerfahrungen machen. Den Pizzicato-Einlagen der Violine antwortet das Klavier mit elektrisierenden Arpeggien. Staccato- und Glissando-Effekte ergänzen sich wie von selbst. Einzelne Klangblöcke schienen sich bei der konzentrierten Wiedergabe zwischen gezupfte Passagen zu schieben, wobei sich das harmonische Gewebe immer weiter auffächerte. Aber beide Instrumente sprachen hier eine ganz eigene Sprache voller Ausdruckstiefe. Strukturelle Entwicklungen zeigten immer wieder neue Nuancen und forderten den Zuhörer heraus. Wie stark die Violinsonate Nr. 1 in G-Dur op. 78 von Johannes Brahms auf die Entfaltung des Liedzitats im Finale hin komponiert wurde, machten die beiden Musikerinnen ebenfalls facettenreich deutlich. Das rhythmische Kopfmotiv bewies hier immer deutlichere klangfarbliche Facetten – und die melodische Verwandlung durchlief dabei verschiedene harmonische Stadien. Sehr energisch erschien dann die Durchführung mit dem markanten Zitat des Hauptthema-Anfangs. Die Coda entwickelte sich  mit bemerkenswerter Strahlkraft und Opulenz. Die Töne erhielten machtvolle Fülle, die aber nie aufgesetzt wirkte.

Im Mittelpunkt dieser Wiedergabe stand in jedem Fall das Adagio in Es-Dur, das geheimnisvoll wie ein Lied begann, um sich dann ausgesprochen romantisch und überaus fantasievoll weiterzuentwickeln. Der Mittelteil wies deutlich auf das Kopfmotiv des ersten Satzes hin, wobei sich die Melodie in der Violine durchaus mit überschwänglicher Emphase behauptete. Das Finale stand ganz deutlich in g-Moll, wobei die beiden Künstlerinnen hier ganz zusammen fanden. Das Rondo-Feuer zeigte dabei immer neue Facetten, melancholische Momente, famose Strahlkraft und Rasanz. Das Haupttema des Adagios erklang in schemenhaftem Es-Dur. Erst zuletzt erfolgte die Wendung nach G-Dur. Und das Liedzitat erschien fast sphärenhaft und überirdisch in der hohen Violinlage. Man kann durchaus von einer verinnerlichten, nachdenklichen, aber eigentlich nicht melancholischen Interpretation sprechen. Johannes Brahms erschien als Komponist voll vitaler Strahlkraft und bemerkenswerter klanglicher Präsenz. Dieses Werk ist eine posthume Widmung an Felix Schumann (den Sohn von Clara und Robert Schumann), der im Jahre 1879 an Tuberkulose starb.  

Alexander Walther

 

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