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LONDON/ ROH im Kino Ufa-Kristallpalast Dresden: „GISELLE“ – BALLETT DER EXTRAKLASSE –

07.04.2016 | Ballett/Performance

LONDON/ DRESDEN/ Das Royal Opera House im Kino: „GISELLE“ – BALLETT DER EXTRAKLASSE – 6. 4. 2016 Ufa Kristallpalast Dresden – St. Petersburger Straße

Es war ein Abend der tänzerischen Superlative. Das Orchestra oft the Royal Opera Houseließ unter der inspirierenden Leitung von Barry Wordsworth, der immer mit einem freundlichen und ermunternden Lächeln die Musiker begrüßte, die gefällige Musik von Adolphe Adam in einem neuen, besonderen musikalischen Glanz erscheinen, wozu auch die feinen solistischen Passagen der Orchestermusiker beitrugen. Es wurde brillant musiziert, sehr plastisch und feinsinnig, was offenbar auch die Solotänzer dazu anregte, die mit ungewöhnlichen Schwierigkeiten gespickte Choreografie nach Marius Petipa in tänzerische Glanzleistungen, gepaart mit Anmut, Eleganz und Grazie umzusetzen.

Marianela Núñez, die 1982 in Argentinien geboren, den wesentlichen Teil ihrer Ausbildung und tänzerischen Entwicklung beim Royal Ballet London erlebte und dort 2002 zum „Principal Dancer“ (Haupttänzerin) befördert wurde,tanzt seitdem die Hauptrollen. Sie stellte sich der Herausforderung der dualen Gestalt der Giselle, die im 1. Akt als unschuldiges, sehr bodenständiges Bauernmädchen mit naiver Leidenschaft erscheint, nach enttäuschter Liebe in einer realistischen und sehr ausdrucksstarken Wahnsinnsszene stirbt und danach im 2. Akt zur Licht- und Luftgestalt verwandelt, verzeihend ihren Geliebten vor dem Tod durch die Wilis bewahrt.

 Bei der tänzerischen Umsetzung der enormen Serie an Schwierigkeiten im 2. Akt schienen die Gesetze der Schwerelosigkeit für sie aufgehoben zu sein. Mit frappierender Kondition und fast immer auf Spitze reihte sie Tanzschritte und Figuren mit ungeheurer Schwierigkeit aneinander und setzte sie scheinbar mühelos mit eleganter Körperhaltung und entsprechender Mimik um. Wenn das Ende einer solchen Serie gekommen schien, „setzte sie noch einen drauf“ und begeisterte mit einer zusätzlichen „Überraschung“. Da war es nur allzu verständlich, dass ihr nach dieser ungewöhnlichen Vorstellung als Ausdruck größter Bewunderung ein überreicher „Blumensegen“ zu Füßen gelegt wurde.

 Ihr zur Seite stand der jugendlich erscheinende Vadim Muntagirov als Albrecht.Voller Dynamik und mit einer ebenfalls sehr schwierigen und viel Kondition und tänzerisches Können erfordernden Rollengestaltung überraschte er mit der perfekten Umsetzung einer besonders anspruchsvollen Choreografie und guter Körperhaltung. Beide schienen mit Menge und Schwierigkeiten der präsentierten Figuren und Figuren-Kombinationen über das mögliche Maß der Leistungsfähigkeit hinauszugehen und boten dennoch alles mit äußerster Prägnanz, auch ihren Pas de deux mit den anspruchsvollen Hebefiguren.

 Bennet Gartside war alsFörster Hilarionein „würdiger“, bodenständiger Konkurrent und Gegenspieler des Albrecht und bot ebenfalls erstaunliche Tanzleistungen.

 Itziar Mendizabal brachtemit ihrer großen schönen Gestalt als Myrthaund einer Serie sehr anspruchsvoller Tanzfiguren mit stets finsterer Miene und teuflisch funkelndem Blick die Macht der Beherrscherin der Wilis zwingend zum Ausdruck, unterstützt durch die in guter Konformität und mit Anmut tanzten Wilis, Artists des Royal Opera Ballet, und Olivia Cowley und Beatriz Stix Brunell als ihre beiden Assistentinnen.

 Mit wenigen Gesten und blasierter Miene verkörperte Christina Arestis als Bathilda, Tochter des Herzogs von Kurland und unbewusste Widersacherin Giselles, Überheblichkeit und Unnahbarkeit des Adels, währendElizabeth McGorian mit devoter Schlichtheit als liebevolle Mutter der Giselle und liebenswerte Persönlichkeit erschien.

 War man bei den vorangegangen Ballett-Aufführungen des ROH bisher vor allem von der gut charakterisierenden gestalterischen und mimischen Umsetzung einer Balletthandlung durch die Solisten und Artists oft the Royal Ballet angetan, so waren es an diesem Abend die außergewöhnlichen, mit ungeheurer Kondition und Vielseitigkeit umgesetzten Schwierigkeiten, die die Solisten präsentierten.

 Durch die romantischen, vorwiegend gemalten Bühnenbilder mit der Faszination historischer Gemälde, die Kostüme, kleine Gesten der Akteure und vor allem die Choreografie erklärt sich die Handlung, im 1. Akt angereichert mitzahlreichen typischen und naturalistischen Details, selbst. Mit den schlichten Kostümen für die Bauern und sehr prunkvollen, der Renaissance-Zeit entlehnten,Gewändernfür die höfische Jagdgesellschaft werden im 1. Akt so ganz nebenbei in der Produktion von Peter Wright auch die Standesunterschiede und Gegensätze zwischen bäuerlichem Milieu und Adel sehr treffend charakterisiert und im 2. Akt die Transparenz der Wilis als heimtückische Lichtgestalten in einem im doppelten Sinne zauberhaften Wald in geisterhaft mondbeschienener Schönheit mit Giselles Grab optisch sehr wirksam ins Bild gesetzt.

 Ingrid Gerk

 

 

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