London lohnt sich, 19.01.2014
von Ursula Wiegand
Zugegeben – nur ein Tag in London, das ist wenig. Eigentlich wären Wochen nötig, um diese Metropole genauer kennen zu lernen. Andererseits ist ein Tag besser als kein Tag, und er wird zum letzten Highlight einer Wikinger Wander- und Kulturreise durch Südwestengland.
London, Lord Nelson auf seiner Säule. Foto: Ursula Wiegand
Wer sich in London tummelt, erst eine Stadtrundfahrt mit einem der offenen Hop-on, Hop-off-Busse macht und dann die Beine in die Hand nimmt, kann manche Veränderungen und viel Neues entdecken. Noch einfacher ist das für den bronzenen Admiral Nelson. Von der nach ihm benannten, 51 Meter hohen Säule auf dem turbulenten Trafalgar Square hat er die Veränderungen in der City bestens im Blick.
London, National Gallery. Foto: Ursula Wiegand
An diesem allseits bekannten Platz und Verkehrsknotenpunkt befindet sich auch die National Gallery mit ihren 2.300 Kunstwerken. Vom 19. März bis 15. Juni läuft dort eine Paolo-Veronese-Ausstellung. Gezeigt werden 50 Gemälde – 10 hauseigene plus Leihgaben – dieses wichtigen Malers der Venezianischen Renaissance.
Für solch einen Kunst-Parcours bleibt an diesem einzigen London-Tag leider keine Zeit. Daher verlasse ich den Bus erst an der London Bridge, um an der Themse entlang bis zum Tower zu spazieren.
London, St. Magnus House, Northern & ShellBuilding, 1985, Old Billingsgate Market. Foto: Ursula Wiegand
Am Nordufer, direkt an der London Bridge, fällt ein helles Gebäude auf, das 43 Meter hohe Adelaide House von 1925 im gemäßigten Art Deco Stil. Es war Londons erster Stahlgerüst-Bau, geplant vom Architektenteam Tait & Partners.
In der Höhe passt sich ihm das benachbarte St. Magnus House (von 1980) an, doch die vorspringenden Etagen mit der Betonung der Waagerechten zeigen bereits neuere Einflüsse. Und fast heutig wirkt das daran anschließende Northern & Shell Building von 1985 mit seiner blau schimmernden Glasfassade.
Stufenförmig senkt es sich ab zum Old Billingsgate Market von 1875, dem einst größten Fischmarkt Londons. Dieses grazile gelbliche Gebäude, wird – nach entsprechender Renovierung – heutzutage für Veranstaltungen genutzt und hat sich genau so gewandelt wie das gesamte Themse-Nordufer.
London, Mittagspause am Themse-Nordufer. Foto: Ursula Wiegand
Dort und auch noch westlich der London Bridge befanden sich früher die Docks (Werften) sowie die Fischverarbeitungs- und Textilindustrie. Eine schmutzige und arme Arbeitergegend war es, wo viele schlecht bezahlte Zuwanderer ebenso schlecht hausten. Heutzutage sonnen sich hier adrett gekleidete Angestellte der nahen Büros, Themse-Blick inklusive, während der Mittagspause.
London, The Gherkin(rechts), Foster & Partners, 2004. Foto: Ursula Wiegand
Im Hintergrund schraubt sich seit 2004 ein zylindrisches Bauwerk empor, konzipiert von (Norman) Fosters & Partners, das schnell den Spitznamen The Gherkin (Essiggurke) erhielt und zur Ikone moderner Architektur wurde. Dass es 180 Meter hoch ist, fällt aus dieser Perspektive nicht auf.
London, TowerBridge, 1894 von Horace Jones. Foto: Ursula Wiegand
Doch nun sind schon die Details der Tower Bridge, Londons Wahrzeichen, zu erkennen, ein Meisterwerk vom Sir Horace Jones aus dem Jahr 1894. Solch eine Fluchtbrücke hätten sicherlich die zahlreichen Verurteilten ersehnt, die im Tower hinter meterdicken Mauern schmachteten. Die ursprünglich hölzerne Zugbrücke ist einer steinernen gewichen. Über die strömen die Besucher zu dem durch zwei wuchtige Türme gesicherten Eingang.
London, Eingang zum Tower. Foto: Ursula Wiegand
Die unter Wilhelm dem Eroberer Ende des 11. Jahrhundert errichtete Festung und das reichlich 7 Hektar umfassende Gelände dienten über 400 Jahre als Königssitz, aber auch als Garnison, Waffenlager, Münze und bis immerhin 1941 als Gefängnis. Anne Boleyn, die 2. Frau von Heimrich VIII, wurde 1536 im Tower hingerichtet und viele weitere Prominente vor und nach ihr.
Gerne informiert das traditionelle Wachpersonal in seinen roten Uniformen – die Yeoman Warders (auch als Beefeaters bekannt) – die Besucher über die Geschichte des Tower.
London, Tower, WhiteTower, um 1100, mit Folterkammer. Foto: Ursula Wiegand
Welche Erkundungen Priorität haben, zeigen die langen Schlangen vor zwei Gebäuden, die eine vor dem White Tower, dem ältestes Bauwerk (um 1100). Dort drinnen sind Folterinstrumente und Waffen zu sehen, doch das muss ich nicht haben und warte lieber vor dem Waterloo Block, der die Kronjuwelen hütet.
London, Tower, Waterloo Block mit den Kronjuwelen. Foto: Ursula Wiegand
Fotografieren ist hier verboten, und so bleibt nur das Bestaunen. Auf einem Fahrband gleiten die Besucher recht zügig an den Vitrinen mit all’ den Kostbarkeiten vorbei, so an der reingoldenen „Edward’s Crown“ von 1661, die auch Elisabeth II bei ihrer Krönung im Jahr 1953 trug. Noch lieber würde ich in Ruhe den legendären, herrlich blitzenden Koh-i-Noor (Berg des Lichts) bewundern.
Denn dieser Riesendiamant, 1304 erstmals urkundlich erwähnt, bringt Frauen Glück. Nur den Frauen! Im Gegensatz dazu hat er den Herrschern, die ihn erlangten, und ihren Ländern auf seinem Weg von Indien nach Persien stets Kriege und Tod gebracht. Königin Victoria, die ihn dann besaß, verfügte, dass ihn kein männlicher Herrscher tragen dürfte. Das galt natürlich nicht für „Queen Mum“, die resolute Mutter der heutigen Königin, deren Krone dieser fabelhafte Diamant zierte. 101 Jahre wurde sie alt.
London, City Hall, (Norman) Foster & Partners. Foto: Ursula Wiegand
Noch weit größere „Glitzerdinger“ aus heutiger Zeit reihen sich gegenüber dem Tower am Südufer der Themse, von Stararchitekten entworfene Bauten mit schimmernden Glasfassaden. So die neue City Hall von 2002, das Rathaus für Groß-London, in fein abgestimmten Blautönen, entwickelt von (Norman) Foster & Partners schon vor dem „Gurkenbau“. Die rundliche Form des 43 Millionen Pfund Projektes sollte Energie sparen helfen.
London, The Shard von Renzo Piano, 2012. Foto: Ursula Wiegand
Die Strecke, die ich zuvor per pedes absolviert hatte, lege ich nun bequem auf einem der ständig hin- und her pendelnden Ausflugsschiffe zurück, und schon verlangt Londons neueste Attraktion gebührende Aufmerksamkeit: The Shard (die Scherbe), von Renzo Piano, eröffnet im Juli 2012. Ein schlanker, 310 Meter hoher Glas-Stahl-Bau mit 72 Stockwerken in changierenden Blautönen, ein tatsächlicher Himmelskratzer.
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London Eye, von 2000, David Marks + Julia Barfield. Foto: Ursula Wiegand
Der Blick von der Aussichtsplattform in 244 Meter Höhe übertrifft damit bei weitem den von der bisherigen Nr. 1, der St. Paul’s Cathedral, dem 1711 fertig gestellten Meisterwerk von Christopher Wren. Auch das „London Eye“, das spektakuläre Millennium-Riesenrad (von David Marks und Julia Barfield), dessen Gondeln fast 140 Meter emporschweben, kann da nicht mithalten.
London, Houses of Parliament. Foto: Ursula Wiegand
Doch unangefochten von aller Moderne beherrscht alsbald der Westminster-Palast mit den Houses of Parliament (Unter- und Oberhaus) die Szenerie. Ein stolzes Bauwerk mit langer Tradition. Nach einem Großbrand wurde dieser Palast von 1844-1860 in üppig neogotischem Stil nach Plänen der Architekten Charles Barry und Augustus Pugin wieder errichtet.
London, Big Ben, nun Elizabeth Tower, Spitze. Foto: Ursula Wiegand
Alle Augen richten sich auch auf den Uhrturm Big Ben. Halt – Big Ben ist eigentlich nur der Name der größten Glocke, und ihr weltbekannter Klang gilt als „the voice of Britain“ (die Stimme Großbritanniens). Bald aber bürgerte sich der Name Big Ben für den gesamten Turm ein. Seit dem diamantenen Kronjubiläum der Queen im vorigen Jahr heißt er nun offiziell „Elizabeth Tower“.
London, Westminster Abbey, seitlich. Foto: Ursula Wiegand
Nach wenigen Schritten erreiche ich Westminster Abbey. Der Normanne Wilhelm der Eroberer hatte sich hier 1066 in dem noch unfertigen Gotteshaus krönen lassen. Seither ist Westminster Abbey die Krönungskirche der britischen Könige und Königinnen. Als Grablege dient sie ebenfalls, und neben den Särgen gekrönter Häupter sind auch die (oder Epitaphe) verdienstvoller Persönlichkeiten zu finden, so u.a. von Isaac Newton, Charles Darwin, Charles Dickens und Georg Friedrich Händel, der bekanntlich viele Jahre in London lebte und britischer Staatsbürger wurde.
Hochzeiten werden in der Westminster Abbey ebenfalls gefeiert, so zuletzt am 29. April 2011 die von Prinz William und Kate. Doch diese Beiden spazieren jetzt nicht durch das imposante, 34 Meter hohe Kirchenschiff.
London, BuckinghamPalace, Wappenportal. Foto: Ursula Wiegand
Auch die Queen ist gerade nicht im Buckingham Palace. Das aber hat den Vorteil, dass während ihrer Abwesenheit einige Räume besichtigt werden können. Doch trotz meines Geschwind-Parcours durch den St. James Park bin ich zu spät dran, denn die meisten Sehenswürdigkeiten schließen recht früh. So bleibt es also bei einem Blick auf das ausladende Bauwerk und auf die prächtigen Wappen an den schmiedeeisernen Portalen.
Nun aber rein in die Metro, die mich zur Station Earl’s Court und damit in den Stadtteil Kensington bringt, früher das feine Viertel der Adligen. Wer hier heute eine Wohnung mieten oder die seine behalten will, muss schon sehr gut verdienen, um sich das leisten zu können.
Kensington, feines Wohnen und nette Hotels. Foto: Ursula Wiegand
Viele sind daher in preiswertere Gegenden umgezogen mit der Folge, dass die schönen Häuser in Hotels umgewandelt werden. Wir übernachten dort angenehm im Best Western Burns Hotel und finden nahebei „The Little French Restaurant“ (18, Hogarth Place, www.thelittlefrenchrestaurant.com). Gutes, französisch inspiriertes Essen, und zahlreiche 3-Gang-Menüs à 9,95 Pfund. Das sind echte Schnäppchen und runden diesen erlebnisreichen London-Tag geschmackvoll ab.
Infos zur gesamten 11-tägigen Tour „Natur und Kultur in Südengland“ mit 2 Übernachtungen in London – d.h. 1 Tag in Eigenregie – unter www.wikinger-reisen.de.
Empfehlenswert ist die Vorab-Reservierung von Tickets für die beliebtesten Sehenswürdigkeiten, z.B. auch für die Aussichtsplattform von The Shard.
(Ursula Wiegand)