Ballettpremiere mit Choreographien von John Neumeier am 4. Februar in der Wiener Staatsoper: FLASHLIGHTS AUF HISTORIENBILDER
Barocke musikalische Historienbilder, üppig orchestrierte, hat Richard Strauss mit seinen Kompositionen “Josephs Legende” und ”Tanzsuite nach Francois Couperin” geschaffen. Und da nun die Opernsaison 2014/15 die Saison des Richard Strauss ist – Anlass, wie heute so gern gepflegt: ein Geburtstag, sein 150ter – begegnen uns nun diese beiden Werke in der Wiener Staatsoper. Die meisten der 15 Oper des 1864 geborenen Münchners führen nach wie vor ein glückliches Bühnenleben.
Nicht so seine Versuche, sich auch als Ballettkomponist zu positionieren.
Strauss´ bombastisch aufrauschender Klangzauber ist nicht so die Sache der späteren Choreographen-Generationen gewesen. Etwa an das 1924 an der Wiener Staatsoper uraufgeführte Ballett “Schlagobers” mit dem Besuch in einer Wiener Konditorei und den Begegnungen mit den Prinzen Kakao & Kaffee, mit Boris Wodka, den Prinzessinnen Teeblüte & Pralinee und einigen frechen Knallbonbons wagt sich heute kein großer Zeitgeist-Choreograph heran. Doch in der Dresdner Semperoper ist im Vorjahr der Ballettabend “Legenden – Hommage an Richard Strauss” mit den Teilen “Tanzsuite” (Choreographie: Alexei Ratmansky) und “Josephs Legende” (Stijn Celis) zu sehen gewesen. Nun werden die beiden Werke auch in Wien vertanzt. Von hier hatte die Wiederbelebung der “Josephs Legende” in der 1977 mit Jubel aufgenommenen Einstudierung durch den damals 35jährigen John Neumeier begonnen. Bedingt wohl auch durch die sensationellen Leistungen der US-Gäste Judith Jamison und Kevin Haigen.
John Neumeier hat 2008 in einer umgearbeiteten Fassung die “Josephs Legende” gemeinsam mit “Verklungene Feste” in das Repertoire seines Hamburger Balletts aufgenommen. Diese Versionen werden nun vom Wiener Staatsballett übernommen, und Protagonistinnen der beiden Stücke führen uns in Neumeiers Arbeiten ein:
Liudmilla Konovalova. Foto: Wiener Staatsoper/Pöhn
LIUDMILA KONOVALOVA tanzt gemeinsam mit Davide Dato einen der fünf Pas de deux aus “Verklungene Feste”. Clemens Krauss stand am Pult bei der Uraufführung dieser in das frühe höfische 19. Jahrhundert wie in die Barockzeit führende “Tanzvision” der Choreographen Pia & Pino Mlakar. Strauss komponierte seine neoklassizistische “Tanzsuite nach Francois Couperin” bereits 1922, die dann in der Bayerischen Staatsoper 1941 mit einigen Erweiterungen vertanzt wurde. Jetzt überzieht Neumeier mit Flashlights Strauss´ Historienbilder in ihrer pompösen musikalischen Verpackung. Psychologisch völlig umgeformt. Konovalova erzählt über ihre große Szene: “Es geht bei allen Paaren um unterschiedlich beschriebene Beziehungen. Bei mir: Er ist verliebt in mich, will alles geben. Ich bin dagegen ein bisschen kompliziert. Ja, alle fünf Paare zeigen völlig verschiedene Charaktere.”
Doch Neumeier hat das Spiel in den Weltkrieg versetzt, lotet das verstörte Verhalten, die Irritationen dieser Liebespaar bei Einbruch der ihnen noch nicht wirklich bewussten Katastrophe aus und macht ein Endzeitstück daraus. “Wir haben so viel geprobt”, Konovalova zeigt sich beeindruckt: “Neumeier sagt nicht allzu viel, doch es geht bei der Einstudierung mit ihm immer an das Limit. Man kann sich dabei so richtig in die Rolle fallen lassen. Kann stärker Emotionen zeigen, kann mehr riskieren, mehr geben. Der Körper spricht mit einer anderen Sprache – und man fühlt sich freier und reicher dabei.”
Rebecca Horner. Foto: Wiener Staatsoper
REBECCA HORNER steht am Premierenabend in der Paraderolle von Potiphars Frau, der Verführerin, auf der Bühne.
Meister Strauss dirigierte höchstpersönlich 1914 die Uraufführung durch Diaghilews Russisches Ballett an der Pariser Oper in der Choreographie von Michael Fokin. Horner, eine der ganz wenigen echten jungen Wienerinnen in der Kompanie und zuvor der Volksopern-Dependence zugeteilt, war doch sehr überrascht, als sie von Neumeier für diese Rolle ausgewählt wurde: ”Ich habe es nicht fassen können. Ja, ich hatte riesengroßes Glück, als ich damals in die Staatsoper zum trainieren kam und Neumeier zufällig kurz in Wien gewesen ist.” Horner ist inzwischen auch wieder Mitglied der Staatsballett–Riege im Haus am Ring geworden und hofft, dass sie das in sie gesetzte Vertrauen nicht enttäuschen wird: “Es ist mir wichtig, dass ich durch meine Bewegungen starken Ausdruck vermitteln kann. Es ist nicht leicht, nicht nur der technische Anspruch. Die Interpretation vor allem. Ich musste viel nachdenken. Ja, es ist eine ganz große Herausforderung.” Zu schaffen! Und John Neumeier streicht dazu heraus, das bei all der angestrebten Dramatik der reine Tanz, die Schönheit in der Linie, im Bewegungsfluss nicht verloren gehen darf.
Meinhard Rüdenauer