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LINZ/Posthof: ALFRED – Eine Rockoper von Walter Schill und Erich Mendler; konzertante Aufführung mit Erzähler. Uraufführung

10.02.2017 | Oper

Linz:„ALFRED“– Uraufführung im Posthof, Mittlerer Saal, 09. 02.3017

Eine Rockoper von Walter Schill und Erich Mendler; konzertante Aufführung mit Erzähler

Rockoper – ein Begriff, der in den 60er und 70ern immer wieder auftauchte, wahrscheinlich von Pete Townshend geprägt: seine Band „The Who“ nahm das erste so bezeichnete Stück 1966 auf; es dauerte nur eine LP-Seite lang und beschäftigte sich mit einem Seitensprung, unverhohlen „A Quick One, WhileHe’sAway“ benannt. Im Jahr darauf spielte eine britische Band namens Nirvana (weit entfernt von der gleichnamigen Kurt Cobains!) eine Konzept-LP mit dem Titel „Story of Simon Simopath“ein. „Tommy“ von den Who war 1969 der erste Höhepunkt des Genres, der auch bis heute immer wieder aufgeführt wird; auch „Quadrophenia“ konnte sich, zumindest als Film, durchsetzen. Weitere wichtige Titel dieser Sparte sind das sozialsatirische „Arthur (OrtheDeclineand Fall of the British Empire)“ von den Kinks und „The Wall“ von Pink Floyd – auch letzteres heute ein etabliertes Musiktheater-Stück.

Bei „Tommy“ und „The Wall“ geht es um den Lebensweg einer (Kriegs-)Halbwaise – und dieses Thema scheint auch die Autoren des neuen Stückes bewegt zu haben; in deren eigenen Worten zusammengefaßt: „Alfred – das ist die Geschichte eines Einzelkindes. Abgeschoben, schikaniert und ohne Freunde kämpft sich Alfred durch Schule und Leben. Es gelingt ihm eine Karriere als Pilot und seine Beziehung mit Mary scheint abzuheben… Eine Geschichte mit holprigem Start, aber glücklicher Landung?“ (www.alfredrockoper.com)

In Wirklichkeit ist die Sache freilich komplizierter: es gibt zahlreiche Handlungsknoten, Spannungen zwischen den Figuren teils innerhalb, teils außerhalb Alfreds Familie treiben die Geschichte voran, man verrennt sich in Fehler, kann früheren Mißlichkeiten positive Seiten abgewinnen… Die Charaktere sind in lebensnaher, erdverbundener Art gezeichnet, wie sie jeder in seinem Bekanntenkreis, wenn nicht gar in der eigenen Verwandtschaft, finden kann. Und Schwarzweißmalerei ist auch nicht die Sache der Verfasser.

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Walter Schill. Copyright: H&P Huber.

Walter Schill ist im Brotberuf Geschäftsführer einer international etablierten Linzer software-Schmiede und musiziert, komponiert auch seit den 1960ern, seit 2000 mit eigenem Tonstudio. Er orientiert sich an der Musik der eingangs erwähnten Phase, mitElementen des (LSD-affinen) „psychedelicrock“ (etwa von den Doors, Byrds, Jefferson Airplane, natürlich der Beatles auf „Revolver“ und vor allem „Sgt. Pepper“). Um Mißverständnissen vorzubeugen: Herrn Schills Droge ist allenfalls ein gutes Glas Wein. Auch Erich Mendler ist in der EDV-Branche tätig. Eines Tages beschlossen sie, mit passendem vorhandenen Material und mit alten Kontakten ein größeres Ganzes zu schaffen – und anders, als seinerzeit Extremschrammler Roland Neuwirth in „I und meiWampm“ feststellen musste, fanden sich genügend hochklassige Mitwirkende aus früheren Tagen für ein neues Werk, das schlußendlich aus 26 Einzelsongs besteht. Martin Seimen brachte es schließlich als Produzent und Sounddesigner in bühnentaugliche Form.

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Die Band. Copyright: H&P Huber.

Die Musik ist aufwendig und abwechslungsreich durcharrangiert, und man wird natürlich an Bands wie die Byrds (besonders in den einleitenden Nummern), The Who, Led Zeppelin, Genesis oder die Kinks erinnert – das bezieht sich allerdings ausschließlich auf den jeweiligen „sound“; die Komposition ist metiergemäß einfach und gradlinig, wobei aber nie der Eindruck aufkommt, die Autoren hätten sich bei existierenden Melodien „bedient“: sie haben durchaus ihre eigenen Melodien und damit einen Duktus geschaffen, der sich durch das ganze Stück zieht und es zusammenhält. Gut die Hälfte der Aufführungsdauer rockt man erdig und im Blues verwurzelt, lyrische bis romantische Töne werden aber genau so gut getroffen, und das Psychedelische meldet sichbeispielsweise mit Sitar-Klängen und soundwalls. Am Disco-sound der 80er, freilich ironisiert, kommt man (für eine Nummer) auch nicht vorbei. Einige Stücke haben überhaupt das Zeug zum Ohrwurm wie „Who theFxxxIs Alfred“, „All I Want IsYou“ oder das schlurfig-swingende „DJ Karl“, das Alfreds Nebenbuhler beschreibt. Und am Schluß kommt noch ein richtig fetziger Rausschmeißer, der richtigerweise feststellt: „Rock and Roll Will Live forever“.

Kompositionen und Arrangements sind sehr gut und bildkräftig auf die jeweiligen Situationen abgestimmt und man kann sich vorstellen, daß bei einer szenischen Aufführung die Handlung durch die Musik flott und überzeugend vorangetrieben wird. Am heutigen Abend, ohne Bühnenhandlung, übernahm Burgschauspieler Frank Hoffmann in bekannt feiner Diktion die Aufgabe, für das Publikum den Handlungsablauf zu skizzieren. Unterstützt wurde er dabei von Mark Slattery (Visuals und Grafik) sowie Martina Schettina (Tuschemalerei), welche mit einigen sehr interessanten optischen Effekten (und Kommentaren zur Handlung) der Erzählung weitere Facetten hinzufügten. Chris Laska zeichnete für das „korrekt rockige“ Lichtdesign verantwortlich und unterstützte Martin Seimen bei Inszenierung und künstlerischer Leitung.

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Erich Mendler im Studio. Foto: website www.rocksection.com

Diebeiden Autoren stehen auch auf der Bühne (als „Rock Section“) in der ersten Reihe: Walter Schill spielt die Rhythmusgitarre – akustisch wie elektrisch, mitunter auch 12-saitig, Erich Mendler beeindruckt an der Sologitarre, samt einigen Effektgeräten; beide singen auch recht ordentlich.

Profis mit prominenter Erfahrung, beispielsweise als Mitspieler von Hubert von Goisern, wurden als Band engagiert: Chris Harras übernimmt die wichtigsten Gesangssoli mit hörbarer Bühnenroutine und vorzüglicher Stimme, spielt auch einige sehr gute Gitarrensoli.Wolfgang Pammer ist präzise ankeyboards und Gitarre zu gange und verstärkt auch noch die Hintergrundstimmen. Helmut Schartlmüller schafft mit seinem e-Bassein rockiges Fundament und Alex Pohn am Schlagzeug erfüllt seine Aufgabe, für präzisen Rhythmus und mitreißende Akzente zu sorgen, zur allgemeinen Begeisterung. Gery Moder ist zuständig für die live-Abmischung – diese ist ihm hervorragend transparent und balanciert gelungen. (Nebenbei: Austropop-„Tonpapst“ Peter Müller mischte die gleichzeitig erscheinende CD und eine vielleicht demnächst greifbare Doppel-Vinylscheibe ab).

Dem Vernehmen nach waren mehre internationale Musical-Produzenten im Saal, auf der Suche nach Substanz für neue Produktionen. Sie hörten den großen Applaus im ausverkauften Saal, schon nach den einzelnen Nummern, und am Schluß durchaus mit Begeisterungscharakter inklusive „standingovations“: diese neue Rockoper (samt ihren Autoren) hätte sich eine große Produktion wirklich verdient!

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Erich Mendler, Walter Schill, Chris Harras, Helmut Schartlmüller, Wolfgang Pammer, Alex Pohn, Frank Hoffmann, Martin Seimen. Copyright: H&P Huber.

Petra und Helmut Huber

 

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