Linz: „Rigoletto“ – Premiere am Musiktheater des Landestheaters, Großer Saal, 4. 11.2017
Oper in drei Akten von Francesco Maria Piave nach dem Drama „Le roi s’amuse“ von Victor Hugo, Musik von Giuseppe Verdi
Federico Longhi. © Reinhard Winkler
Gut drei Jahre nach der Uraufführung am Fenice in Venedig war diese Oper schon in Linz zu sehen, Premiere am 3. Mai 1854; seit 1945 wurde das Stück sieben Mal in Linz inszeniert, zuletzt 2012, noch an der Promenade, sehr dicht, vom damaligen Intendanten Dr. Mennicken.
In die Zeit der Vorbereitung der Inszenierung (Andreas Baesler; Bühne Harald B. Thor, Kostüme Tanja Hofmann, Licht Stefan Bolliger; die dramaturgische Betreuung sollte eine Frau übernehmen: Magdalena Hoisbauer) fiel die Aussage des nunmehrigen US-Präsidenten, wie leicht er mit welchen Methoden an Frauen komme. Die allerneuesten Entwicklungen in der österreichischen Politik, am Premierentag, kamen freilich für eine Berücksichtigung zu spät…
Hyojong Kim und der Chor. © Reinhard Winkler
Zwar widerstand das Produktionsteam der Versuchung, dem Herzog eine rotblonde Windstoßtolle aufzusetzen, eine eigenwillige Haartracht bekam er allerdings schon verpasst. An der überbordend goldenen Pracht des Trump Tower in New Yorks 5th Avenue kam man unter diesen Voraussetzungen nicht vorbei, vereinigen sich dort doch von einer partiellen Versailles-Nachbildung bis zu modernem, flächigem Goldprotz alle möglichen narzißstischen Symbole, bisweilen mit einem Cinemascope-artigen Zuschnitt der breiten Bühne. Die Geschichte spielt sich auch auf verschiedenen Etagen dieses Wolkenkratzers ab: der Herzog wohnt im 67. Stock, Rigoletto, Gilda und Giovanna im 31., und die Unterwelt samt einem halbverschrotteten 1970er Opel Admiral als Maddalenas Liebesnest liegt auf -1. Wasser sucht Rigoletto mit seiner düsteren Last im Finale hier, mitten in Manhattan, freilich vergebens. Auch das Gewitter muss, im Keller, auf flackerndes Licht beschränkt bleiben, und Rigoletto ist mit Gilda beim Quartett natürlich nicht „draußen“. Insgesamt herrscht ein kühler Eindruck vor, der auch die Emotionen an ihrer Entfaltung hindert, trotz aller schauspielerischen Bemühungen.
Die Kostüme bleiben natürlich auch in der Moderne, wobei Rigoletto privat wie ein Oberbuchhalter auftritt, im Dienst als naher Verwandter des Batman-Jokers Spott und Hohn über die Hautevolee von Gotham (die ihm durchaus etwas ähnelt) ausgießt. Diese Verwandlung macht er auf offener Bühne, mit einem Schminktisch am Proszenium – er geht ja (für seine Tochter) „ins Büro“, wo erst er in seine Narrenrolle schlüpft. Die gestalterischen Möglichkeiten des großen Bühnenapparats werden mit Hubpodien und vor allem einem zentralen „Lift“ genutzt, über den die Personen der Handlung die wechselnden Szenerien erreichen, oder auch die Leiche (!) von Monterone entsorgt wird (ein Kerkerstockwerk hat der Wohnturm wohl nicht).
Als Herzog war das Ensemblemitglied Jacques le Roux vorgesehen. Dieser mußte jedoch krankheitshalber in der letzten Probenphase von einem Gast aus Bremen, Hyojong Kim, ersetzt werden, der seine Sache jedenfalls sehr gut machte: den coolen bis kalten Egozentriker gab er überzeugend und ließ eine eindrucksvolle Stimme mit sicheren Höhen wie guter Tiefe hören, die auch über schönen Schmelz verfügt.
Rigoletto, abgesehen von angedeuteten Intonationsunsicherheiten beim ersten Zusammentreffen mit Gilda stimmlich sehr gut, ist der Italiener Federico Longhi, der diese Rolle auch schon in der Arena von Verona gegeben hat. Dort musste er wohl sein wütendes „Cortigiani“ nicht im Liegen singen, was ihm hier viele darstellerische Möglichkeiten raubt. In anderen Szenen konnte er seine schauspielerischen Fähigkeiten besser zeigen, natürlich auch den Umschlag von Rachsucht in Entsetzen zum bösen Ende.
Julia Sitkovetsky. © Reinhard Winkler
Die Gilda von Julia Sitkovetsky (a. G.) überzeugt mit einem kraftvollen, höhensicheren Sopran, der trotzdem auch die nötige Kindlichkeit und Zerbrechlichkeit vermitteln kann. Wie ihr „Vater“ ist sie in allen Lautstärken sattelfest, und auch ihre Koloraturen sitzen. Giovanna ist bei Vaida Raginskytė in guten Händen (und guter Kehle).
Dominik Nekel gibt mit druckvollem, schön timbrierten Baß einen funkigen Sparafucile, der im Untergeschoß die Fäden zieht – so lässt er den Herzog das „La donna è mobile“ als Karaoke-Stück zum ghettoblaster singen (mit einem netten Gag in der Einleitung) – aber keine Angst: die Musik kommt natürlich auch da aus dem Graben! Jessica Eccleston ist eine selbstbewusste wie lustbetonte Maddalena mit vorzüglich abgerundeter Stimme.
Jessica Eccleston, Hyojong Kim. © Reinhard Winkler
Auch die kleineren Rollen sind, teils mit Personal aus dem Opernstudio, makellos besetzt: Nikolai Galkin (Monterone), Justus Seeger (Marullo), Xiaoke Hu (Borsa), Rastislav Lalinsky (Ceprano), Kathleen Louisa Brandhofer, Ville Lignell und Mitsuyo Okamoto; der Herrenchor (Einstudierung Martin Zeller) macht seine Sache ebenso gut.
Martin Braun leitet das Bruckner Orchester, wobei der Orchestergraben zwecks Transparenzgewinns vielleicht um etwa 40 cm hochgefahren wurde. Auch ist die Setzung ungewöhnlich, mit den Holzbläsern in der Mitte; nicht alle Musiker waren darüber begeistert, da ihnen gewohnte Anhaltspunkte im Zusammenspiel fehlen – womöglich deshalb gerieten einige Läufe in ersten und zweiten Akt rhythmisch unsauber? Bei der Bühnenmusik zu Beginn gab es auch lautstärkeseitige, wohl aber der Technik geschuldete, Abstimmungsprobleme. Die Tempi vom Maestro Braun hingegen waren untadelig, ebenso – weitestgehend – die Koordination zwischen Graben und Bühne.
Kräftiger Applaus für Sänger, Dirigent und Orchester, einige Buhs für das Produktionsteam
Petra und Helmut Huber
Premierenfeier © H & P Huber v. l.: Jennifer Ecclestone, Dominik Nekel, Hyojong Kim, Vaida Raginskyte, Julia Sitkovetsky, Federico Longhi, Rastistlav Lalainsky, Xiaoke Hu, Hermann Schneider, Stefan Bolliger, Andreas Baesler