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LINZ/ Musiktheater: LA JUIVE- „eine wahre Grand Opera, von Meister Scribe getextet, von Halevy mit packender Musik komponiert.“

10.03.2024 | Oper in Österreich

9.03.2024:  Landestheater Linz: „ LA JUIVE „  eine wahre Grand Opera, von Meister Scribe getextet, von Halevy mit packender Musik komponiert“

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Matjaz Stopinsek. Foto: Reinhard Winkler

9.3. (Nichael Tanzler /  Von den vierzig (!) Opern von Jacques Fromenthal Halevy können wohl selbst eingefleischte Opernfans außer „La Juive“ kaum ein anderes benennen – ich schließe mich da absolut mit ein. Es gab auch kaum Aufführungen dieser Werke in den letzten Jahren – ich fand bloß „Charles VI.“ in Compiegne 2005! Interessant auch, daß er in „La reine de Chypre“  1841 den selben Stoff der Caterina Cornaro komponiert hatte, der auch Donizettis 1844 in San Carlo Napoli  uraufgeführter Oper zu Grunde liegt. „Noe“, sein letztes Werk wurde von seinem Schwiegersohn und Schüler, Georges Bizet, vollendet – sein Neffe Ludovic Halevy hat übrigens das Libretto zu „Carmen“ verfasst.

     1835 erfuhr also „Die Jüdin“ in Paris ihre umjubelte Uraufführung – eine wahre Grand Opera, von Meister Scribe getextet, von Halevy mit packender Musik komponiert, von Adolphe Nourrit und Cornelie Falcon interpretiert. 1999 gab es in Wien eine Produktion von Günter Krämer, die mich persönlich nicht überzeugt hat, da hatte meine erste, konzertante Begegnung im Jänner 1981 in der Staatsoper weit mehr Eindruck gemacht, mit Jose Carreras, Cesare Siepi, Ilona Tokody, Chris Merritt und Sona Ghazarian unter Gerd Albrecht.

     Kompliment für das Landestheater für die hochkarätige musikalische Umsetzung. Yannis Pouspourikas hatte das „Bruckner Orchester Linz“ und den klangmächtigern Chor und Extrachor des Landestheaters Linz (Elena Pierini) bestens präpariert und bot eine differenzierte und spannungsgeladene Wiedergabe der diffizilen Partitur. Der Kontakt zur Bühne war nahezu perfekt und die Akteure konnten sich absolut auf seine leitenden Hände verlassen. Als Eleazar erlebte ich nach längerer Pause wieder Matjaz Stopinsek: welch erfreuliche Wiederbegegnung! Sein nach wie vor interessant timbrierter Tenor hat noch mehr an Kern gewonnen, wird mit vollem Einsatz und großer Differenzierung eingesetzt! Zusätzlich spielte er den unversöhnlichen, hassenden Juden Eleazar packend – eine große Leistung! Erstmals hingegen hörte ich Dominik Nekel:  er, der versöhnlichere Teil der beiden Widersacher – freilich auch kein „Vaserl“, gab einen stimmgewaltigen Kardinal Brogni, beeindruckte speziell durch seine sonore Tiefe.  Großartig deren beider Tochter: Rachel wurde von Eleazar ja gerettet, angenommen, ist die leibliche Tochter des Kardinals, der seine ganze Familie tot glaubte und danach seine kirchliche Laufbahn begann, war bei Erica Eloff in besten Händen. Nicht gerade vorteilhaft kostümiert konnte sie durch ihren aparten, strahlkräftigen Sopran, der technisch einwandfrei geführt zu einer Vielzahl von Schattierungen fähig ist, begeistern! Eine fabelhafte Leistung bot auch ihr heimlicher Geliebter, Reichsfürst Leopold: Seung Jick Kim! Ein höhenstarker (es geht paar mal über das hohe „C“  hinaus!), bombensicherer und stilsicherer Tenor – kein „weisses  Timbre“  wie in derartigen Rollen sehr oft zu hören, sondern mit apartem Timbre, das den Weg in Richtung Arturo in „Puritani“ und ähnlichen Rollen zu weisen scheint! Bravo! Da konnte seine angetraute Prinzessin Eudoxie nicht ganz mithalten. Während acuti und die höheren Lagen technisch recht gut gelangen, klang Ilona Revolskaya in Mittellage und Tiefe spröde, eng und gepresst – da ist noch Luft nach oben. Aufhorchen ließ Alexander York mit kräftigem Bariton, und zusätzlich sehr guter Bühnenerscheinung als Ruggiero, auch Michael Wagner als Albert entledigte sich seiner Aufgabe tadellos.

     Für heutige Verhältnisse bot die Bühne von Dieter Richter einen werkadäquaten Rahmen, Pomp und Glorie der Grand Opera waren halt nicht auszunehmen – schon gar nicht bei den hässlichen Kostümen von Sven Bindseil. Auch die Regie von Marc Adam entsprach im Großen und Ganzen den Vorgaben des Librettos, was heute ja schon – erschreckenderweise! – fast die Ausnahme ist. Trotzdem muss natürlich irgendetwas „Neues“ dabei sein:  Er lässt  Eleazar – entgegen dem Libretto nicht Rachel in den Tod folgen!  Entgegen meinen Prinzipien las ich im Programmheft nach und fand als Begründung, er ließe ihn am Leben: „… als Zeichen, dass die Geschichte der Ausgrenzung weitergeht.“ Da las ich dann weiter, und erfuhr, daß das Finale des ersten Aktes, das den prunkvollen Einzug des Kaisers ( der nichts zu singen hat!) in Konstanz zeigen sollte am schwierigsten zu inszenieren sei. Aus Nähe „ dieser Produktion zum 7. Oktober und dem Treffen der Rechtsextremen in Potsdam“ habe er dann mit dem Chor „am Ende des ersten Akts eine Mauer der Ausgrenzung gegenüber Eleazar und Rachel“ bilden lassen. Da sind die beiden Protagonisten vorne an der Rampe, und der Chor hält verschiedenste Transparente, Spruchbänder mit Texten, die für Herrn Adam „rechtsextrem“ sind, in die Luft („natürlich“ auch Texte aus Ungarn und Polen). Mit „La Juive“ hat das nichts zu tun, vielmehr mit den Holzhammermethoden jener am Theater ja in großer Zahl anzutreffenden „Toleranten“ , die laut gegen Ausgrenzung schreien, diese aber selber auf schamlose Weise praktizieren: denn wer „schlecht“ oder „böse“ ist, das diktieren sie natürlich selber. Gerade in der heutigen Situation wäre gerade bei dieser Oper ein Versuch Wert zu demonstrieren, dass mit Hass und dem Prinzip „Aug um Aug“ kein Ausweg gefunden werden kann, sondern nur durch Verzeihen und Versöhnen. Aber da sind ja – auch im „richtigen Leben“ – die Meisten auf einem Auge blind!

     Aufgrund der musikalischen Qualität aber eindeutig: auf nach Linz, die Gelegenheit nicht versäumen!

Michael Tanzler

 

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