Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

LINZ/ Musiktheater: „IL BARBIERE DI SIVIGLIA“ – Premiere im Musiktheater

21.01.2024 | Oper in Österreich

Linz: „IL BARBIERE DI SIVIGLIA“ – Premiere im Musiktheater des Landestheaters Linz, Großer Saal, 20. 01.2024

Oper von Cesare Sterbini nach der Komödie « Le Barbier de Séville ou La précaution inutile » von Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais, Musik von Gioachino Rossini

barli3
SeungJick Kim. Foto: Herwig Prammer für Landestheater

Seit 202 Jahren ist dieser ziemlich größte Hit aller opere buffe auch auf Linzer Bühnen heimisch. Immerhin 16 Jahre ist hierzuorts die letzte Neuproduktion dieses normalerweise sicheren Erfolges her – und vielleicht spielte für den Spielplan die Tatsache, daß 2024 ein Schaltjahr ist, wir somit einen „echten“, wenn auch unrunden, Geburtstag des Komponisten feiern können, eine Rolle.

Wie Dirigent Claudio Novati beim 99. Sonntagsfoyer der „Freunde des Musiktheaters“ erklärte, möchte er die musikalische Seite transparent und kammermusikalisch, die Einbindung der Sängerinnen und Sänger besonders eng halten; aus diesem Grund ist auch der Orchesterboden in die gemessen an den Kontrabässen höchstmögliche Stellung gefahren.

Nach dieser Premiere kann man sagen: dieser Plan ist aufgegangen. Das Bruckner Orchester Linz klingt in seiner eher bescheidenen Besetzung von etwa 50 Damen und Herren, entsprechend der Uraufführungssituation, samtig, ist balanciert und transparent, ohne andererseits klanglich zu „zerfallen“ (und das, obwohl unsere Sitze recht exzentrisch stehen…). Trotz der alles andere als fetten Besetzung wird an Dynamik nicht gespart. Die Rezitative werden u. a. mit einem Hammerklavier begleitet. Und das Zusammenspiel mit der Bühne funktioniert tatsächlich perfekt!

Auch die bei der selben Veranstaltung angesprochene Inszenierungsidee des Operstudiochefs Gregor Horres, ausgehend von Stereotypen der commedia dell’arte die absurden Seiten der Geschichte (und der involvierten Emotionen!) auszuspielen, ging voll auf. Wichtige Zutaten: Hemmungslose Spielfreude und die auch bei rasend schnellen „Wortclustern“ perfekte Artikulation von Solistinnen und Solisten, aber auch der Herren des Landestheaterchores (Einstudierung Elena Pierini). Insgesamt trotz 2 ¾ Stunden Dauer eine temporeiche und kurzweilige Angelegenheit mit vielen Pointen, Lachern und Szenenapplaus. Dramaturgie (nicht zuletzt wieder mit einem sehr interessanten Programmheft!): Christoph Blitt. Übrigens: der Vorhang bleibt zumindest in der ersten Hälfte der Ouverture geschlossen.

Die Bühne von Elisabeth Pedross zeigt vordergründig, um was es zuerst einmal in der Oper geht: Geld – das ja Bartolo mit seinen laaangen schwarzen Fingern per Heirat von seinem Mündel Rosina abgreifen will: in diesem Falle als klingende Münze, die bis heute wegen der immer noch erfolgreichen Werke von Gioachino Rossini springt. Aber in den Münzen steckt auch Leben – in einer kleineren wohnt der Titelheld (mit einer interessant frisierten Partnerin namens Civetta – eine anspruchsvolle bis akrobatische Statistenrolle für Paula Rosenauer), im Inneren der größten ist der Haushalt des Dottore Bartolo aufgebaut. Diese Münzen sind auch nicht statisch, sondern hängen an der anspruchsvollen Bühnentechnik des Hauses.

Den Tupfen auf dem „i“ dieses Produktionsdesigns liefern Kostüme (und Frisuren!!!) von Yvonne Forster (Maske Andrea Pammer): auch hier sieht man die Abkunft von der commedia dell’arte, aber da ist auch ein großer Schuß der grotesken Figuren von Fernando Botero dabei. Und: bei einem barbiere di qualità, der fünf Perücken in seiner Geschäftsauslage präsentiert, ist es Ehrensache, auch bei den Frisuren – zum Vergnügen des Publikums – alle möglichen und noch mehr unmögliche Register zu ziehen! Nur Spaßbremse Bartolo geht haarmäßig eher karg (aber keinesfalls witzlos) aus.

barli4
SeungJick Kim. Angela Simkin. Foto: Herwig Prammer für Landestheater

SeungJick Kim läßt als Graf Almaviva seinen ebenso lyrischen wie scheinbar mühelos beweglichen Tenor strahlen und schmelzen. Mitunter löst sich seine Stimme geradezu vom Sänger und füllt schwerelos den Saal. Und dazu ist Herr Kim ein grandioser Schauspieler, auch in dem in dieser Inszenierung gefragten absurden Fach: z. B. sein „falscher Musiklehrer“ mit seinem pace e gioia ist einfach umwerfend!

Auch Michael Wagner kennen wir als ausgefeilten, extrem facettenreichen Schauspieler und Baßbariton, vom Baron Weps im „Vogelhändler“ bis zu Kaspar im „Freischütz“ oder Gurnemanz und Sachs. Hier und heute als Dottore Bartolo kann er seine (sorgfältigst kontrollierte!) Stimmgewalt einmal gänzlich anders einsetzen und überzeugt mit rasend schnellen und dabei feinst ziselierten und wortdeutlich bleibenden Buffokadenzen. Und als Bühnenfigur stiehlt er fast der Titelgestalt die show – sicher auch durch seine köstlich schräge Maske (von Graf Krolock/„Nosferatu“ bis zu einem gierigen Raben gingen die Vergleiche bei Pausengesprächen), aber zu mindesten 50 % liegt der Verdienst da bei seiner körperlichen Interpretation.

barli12
Michael Wagner, Angela Simkin. Foto: Herwig Prammer für Landestheater

Sein Mündel Rosina stellt Angela Simkin mit samtiger Stimme, von klangvollen Tiefen bis zu perlenden Koloraturen, und großem schauspielerischem Charisma dar. Sie alleine wäre schon ein sehr guter Grund, sich diese Produktion anzusehen!

Adam Kim (nicht näher mit dem Tenordarsteller verwandt) zieht als Barbier Figaro stimmlich and schauspielerisch exakt die richtigen Register, um im Reigen der Vorgenannten – und in der Publikumsgunst! – zentrale Figur  zu sein. Von der Cavatina an ist er präsent und hält die Fäden in der Hand.

barli11
Alexander York, Adam Kim. Foto: Herwig Prammer für Landestheater

Musiklehrer Basilio bereitet durch Dominik Nekel fast ebensolche Freude; nur könnte im Höhepukt der Verleumdungsarie stimmlich noch mehr colpo di cannone stecken. Gouvernante Berta wird von Gotho Griesmeier köstliches, schnupftabakgepudertes Leben gegeben. Alexander York ist als Fiorello einerseits ein allongeperückiger Rokokomanager, der die sevillianischen Männer (in zum Ringelschwanz gestärktem Frack, Zylinder und Tütü!! – schrill, aber memorabel und ins Gesamtbild passend) anführt, andererseits als Bartolos Diener Ambrogio ein fast glatziger Hubert-von-Meyerinck-Charakter mit Hang zu Müßiggang und rauchenden Halluzinogenen, die er bereitwillig teilt.

Ein Offizier – Chorsolist Ulf Bunde, als Statistenrollen eine Verkörperung des Komponisten, die mitunter beim Geschehen vorbeischaut (Kurt Hohenwallner), Notar (Thomas Schütz).

Zehn Minuten lautstarke Begeisterung, ungeteilt auch für das Produktionsteam.

Petra und Helmut Huber

barli2
Schlussapplaus.  Foto: Petra und Helmut Huber

barli1
Dominik Nekel, Adam Kim, Angela Simkin, Michael Wagner, SeungJick Kim. Foto: Petra und Helmut Huber

 

Diese Seite drucken