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LINZ / Musiktheater: Gastspiel ROBIN HOOD – DAS MUSICAL

Robin Hood als Kämpfer für Recht und Freiheit

13.07.2024 | Operette/Musical
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Ensemble. Alle Fotos: Landestheater Linz / ATF Marketing GmbH

LINZ / Musiktheater: Gastspiel ROBIN HOOD – DAS MUSICAL

12. Juli 2024 (Premiere 9. Juli 2024)

Von Manfred A. Schmid

Robin Hood, Rächer der Enterbten und Retter der Armen. Die Geschichte vom Adeligen, der die Seite wechselt, sich einer Gruppe von Rebellen in den Wäldern von Nottingham anschließt und als deren Anführer die Unterdrücker beraubt und so für eine gerechtere Umverteilung von Besitz und Reichtum sorgt, wurde schon oft verfilmt – u.a. mit Kevin Costner und Russell Crowe in der Titelrolle, und ist auch schon mehrmals vertont worden. Die Musicalversion des irischen Popstars Chris de Burgh und des deutschen Komponisten Dennis Martin, die 2022 in Fulda Weltpremiere feierte, hat sich als so erfolgreich erwiesen, dass sie schon seit Längerem auf Tournee durch Deutschland reist und nach Stationen in der Schweiz nun auch in Österreich gastiert. Dass dafür Linz ausgesucht wurde, hat einen besonderen Grund: Inszeniert hat das Musical Matthias Davids, Chef der gerühmten Musical-Sparte am Linzer Landestheater. Im Musiktheater im Volksgarten heißt es nun jeden Abend „Freiheit für Nottingham!“ Sollte einem die Melodie bekannt vorkommen, liegt man nicht falsch: Das mitreißende musikalische Fanal zum Aufstand, im weiteren Verlauf der Handlung mehrmals zu hören, ist dem Refrain aus Chris de Burgh Rock-Klassiker „Don‘t Pay the Ferryman“ aus dem Jahr 1982 entnommen. Die kraftvolle, leidenschaftliche Musik bietet mit gängigen Balladen, aufrüttelnden Chören und emotional aufgeladenen Duetten alles, was ein heutiges Musical aufzubieten hat, und es gibt auch sparsam gesetzte archaisch-mittelalterliche Klänge und Klostergesang. Das einzige musikalische Manko der Aufführung ist das Fehlen eines Orchesters: Gesungen und getanzt wird live zu eingespielter Musik. Zum Glück funktioniert die Soundanlange bestens und lässt keine Wünsche offen.

Es gibt keine historischen Dokumente, die die Existenz Robin Hoods belegen, doch die Legende lebt. Robin Hood – Das Musical hat es sich zur Aufgabe gesetzt, nicht sein Treiben im Nottingham Forrest in den Mittelpunkt zu stellen, sondern beschäftigt sich vor allem mit der Frage, wie und warum der Earl of Huntington zum Aussteiger und Rebellen geworden ist. Am Beginn sieht man zwei Knaben mit Pfeil und Bogen im Wald, die darüber streiten wer der bessere Schütze sei. Eine Rivalität, die ein Leben lang andauern wird, denn einer der Jungen ist der spätere Robin Hood, während aus dem ehrgeizigen Jugendfreund Guy von Gisbourne sein größter Feind werden wird. Der junge Graf hadert mit seinem autoritären Vater, der ihn schon als Kind zwangsweise mit Marian, der Tochter des Sheriffs von Nottingham, verheiratet hat. Bei erster Gelegenheit flüchtet er, schließt sich dem Kreuzzug zur Rückeroberung Jerusalems an und kehrt traumatisiert zurück, nachdem er erlebt hatte, wie unschuldige Kinder und Frauen dahingemetzelt wurden. Er hängt herum, wie man heute sagen würde und rätselt darüber, was er in und mit seinem Leben machen sollte. Eine Begegnung mit dem neuen König John, der den legitimen Thronfolger ermordet hat, bei der er diesem sein Verhalten vorhält, führt dazu, dass er von seinem damit beauftragten Jugendfreund, inzwischen als Lakai des Königs zum Sheriff von Nottingham ernannt, zum Tod verurteilt wird. Aus dieser misslichen Lage befreit, wird der grüblerische, melancholische Earl zunächst zum „König der Wälder“ und dann zum Kämpfer für Gerechtigkeit. Ein Hauptaugenmerk legen die Schöpfer des Musicals auf die nicht einfache Liebesgeschichte zwischen Robin und Marian, die Zeit braucht, um sich nach Entfremdung und weiteren Hindernissen voll entfalten zu können.

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Philipp Büttner (Robin Hood) und Tamara Pascual (Marian)

Die immerhin drei Stunden dauernde Geschichte wird von Regisseur Matthias Davids und der Choreographin Kim Duddy so zügig auf die Bühne gebracht, dass es keine Durchhänger gibt und niemals Langeweile aufkommt. Dennoch hätte der Abend durchaus um rund 20 Minute kürzer sein können. Besonders im ersten Teil vor der Pause, der die Vorgeschichte erzählt, hätten ein paar Striche nicht geschadet. Das geniale Bühnenbild von Hans Kudlich und das Lichtdesign von Michael Grundner erlauben rasche Szenen- und Schauplatzwechsel, und die Kostümbildnerin Conny Lüders setzt mehrheitlich auf Kutten und Überwürfe, um das karge Leben der Bevölkerung aufzuzeigen, nur an den Höfen geht es etwas farbiger und luxuriöser zu.

Der Elan, mit dem alle Mitwirkenden an ihre Aufgaben herangehen, begeistert das Publikum, in dem nur wenig Kinder zu sehen sind. Das Musical ist zwar für Kinder ab fünf Jahren zugelassen, aber gewiss keine Kindermusical und eigentlich auch kein Familienmusical. Die offen kritisierten Fälle von Missbrauch und entwürdigender Behandlung der einfachen Menschen, damals auf der Tagesordnung, und die daraus zu ziehenden Konsequenzen,  Auflehnung und Rebellion gegen die herrschenden Zustände, richten sich an eine reifere, politisch interessierte Zuschauerschaft.

Philipp Büttner ist in der Titelrolle der Inbegriff eines romantischen Helden, sein Todfeind Thomas Hohler ein von Ehrgeiz und Neid zerfressener Aufsteiger, der seine Gefühle aber meist gut unter Kontrolle hat.

Philipp Hägeli als König John ist ein in Gold und Glamour gekleideter Lebemann, ein skrupelloser Narziss, nur an sich selbst interessiert, kann aber auch richtig böse werden.

Tamara Pascual führt als Marian vor, dass es einer Frau auch im Mittelalter möglich war, sich weiter zu entwickeln, zu emanzipieren und die ihr zugedachte Lebensform zu sprengen.

Erwähnung verdient auch Simon Steiger als entsprungener Klosterbruder Tuck, der sich den Aufständischen angeschlossen hat und mit seinen weinseligen Späßen für gute Laune sorgt.

Das historische Musical Robin Hood, das auch in heutiger Zeit durchaus weiterhin aktuelle Themen aufgreift und dabei Kritik an Zuständen äußert, die noch längst nicht verschwunden sind, ist in Linz noch bis 28.7.24 zu sehen.

 

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