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LINZ / Musiktheater: DIE KÖNIGINNEN – Ein Musicalthriller

Kein Thriller, in der Umsetzung aber hervorragend aufgepeppt und durchaus gelungen

15.03.2024 | Operette/Musical
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Alexandra-Yoana Alexandrova (Maria Stuart), Daniela Dett (Elisabeth I.). Alle Fotos: Oper Linz / Barbara Pálffy

LINZ / Musiktheater: DIE KÖNIGINNEN

14. März 2024 (Premiere 10. Feber 2024)

Von Manfred A. Schmid

Die – wie man in aktuellstem Neusprech sagen würde – „toxische Beziehung“ zwischen Elizabeth I., englische Königin, und der schottischen Königin Maria Stuart, die  einige Zeit lang auch  Königin von Frankreich war und Rechtsanspruch auf die englische Krone erhob, hat nicht nur Friedrich Schiller zu einem berühmten Drama und in weiterer Folge den Komponisten Donizetti zu dessen Veroperung inspiriert. Auch William Shakespeare hätte wohl nur allzu gerne auf den spannungsgeladenen Stoff zugegriffen, konnte dies aber als lebender Zeitzeuge, wie man spätestens seit dem Film Shakespeare in Love weiß, nicht wagen. Der historische Hintergrund des sich über Jahrzehnte erstreckenden Konflikts, die politischen Spannungen zwischen Frankreich und England, der religiöse Streit zwischen Protestantismus und Katholischer Kirche, in dem sich die von Heinrich VII. in Gang gesetzte Loslösung von Rom letztlich in der gesamten britischen Insel durchsetzen sollte, vor allem aber die emotional wie auch politisch enorm belastete Beziehung der beiden exponierten Frauen in einer Zeit, in der die Männer weiterhin das Sagen haben wollten, steht nun im Mittelpunkt eines Auftragswerks des Linzer Landestheaters. Henry Mason (Buch und Text) und Thomas Zaufke (Musik), denen mit dem ebenfalls in Linz uraufgeführten Musical Der Hase mit den Bernsteinaugen ein Volltreffer gelungen ist (Deutscher Musical Theater Preis 2019 für „Beste Musik“ und „Bestes Musical), haben mit Die Königinnen ein solides Historien-Musical geschaffen, das beim Publikum gut ankommt. Den Anspruch eines „Thrillermusicals“ können sie jedoch kaum einlösen. Zu bekannt ist die dargebotene Geschichte, die gewählte Erzählweise, die die das Auf und Ab der Beziehung chronologisch detailgetreu und dadurch stellenweise zu langatmig aufrollt, bringt zudem kaum neue Erkenntnisse.

Die dramaturgische Idee Masons, die beiden eng verwandten Rivalinnen, die einander im wahren Leben nie gesehen haben, immer wieder aufeinandertreffen zu lassen, böte große Chancen, ein neues Licht auf Persönlichkeit und Motive der beiden zu werfen. Gerade das aber ist nicht der Fall.  Es bleibt bei Äußerlichkeiten, eigentlich erfährt man in diesem Musical nur, dass Elizabeth Pralinen geliebt und zeitlebens an faulen Zähnen gelitten hatte, und dass Maria nicht bei Pralinen, sondern lieber bei Männern Trost suchte – und nicht immer fand. Das Lied, in dem die von Maria zur Taufpatin ihres Sohnes James auserkorene Elizabeth dieses Ereignis kommentiert und ihr Innerstes offenbaren könnte, ist zwar ihre ausführlichste Stellungnahme, läuft aber letztlich nur darauf hinaus, dass sie ihren Entschluss, als “The Virgin Queen“ nicht zu heiraten und keine Kinder zu bekommen, überdenkt und rechtfertigt. Das kann doch nicht alles gewesen sein! Klar und deutlich bloßgestellt werden die manipulativen Versuche der Männer, die die Fäden der Macht nicht aus der Hand geben wollen. Intrigen, Verschwörungen, Anschläge und Morde stehen, wie es sich für ein englisches Königsdrama bzw. Königinnendrama gehört, auf der Tagesordnung. Dazu passt die schwarze, bruchstückhaft inden finstere Nachthimmel ragende Bühne von Stephan Prattes ausgezeichnet. Der geeignete Ort für finstere Geschäfte und böse Absichten, wie man es von den schwarzweißen Edgar-Wallace-Krimis her kennt. Wenn es nicht regnet, schneit es, und frostige Kälte nistet sich überall ein.

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Daniela Dett (Elizabeth I.), Christian Frählich (William Cecil).

In dunkle Gewänder gehüllt, durchaus elizabethanisch (Kostüme Conny Lüders), sind auch die Personen im Umfeld der beiden Höfe. Nur die englische Königin erscheint meist in gleißendem Gold. Hell gekleidet, oft in Weiß, zeigt sich Maria, wohl um ihre Unschuld zu untermauern, bis sie schließlich, blutrot gekleidet, ihren letzten Weg zum Schafott antritt. Zuvor redete sie davon, schon länger keine Königin mehr zu sein. Sie habe verloren und Elizabeth wäre die Siegerin. Das könnte man durchaus bezweifeln. Diese Frau geht mit Gottvertrauen in den Tod. Da sie Königin war nach Gittes Willen, ist sie das bus zu ihrem letzten Atemzug, wie sie in ihrem letzten Brief, der im Programmheft abgedruckt ist, noch einmal bestätigt. Diesen sollte man wohl gelesen und zu Herzen genommen haben  In helle Farben getaucht ist weiters ihre große Liebe, der früh verstorbene französische Dauphin und spätere König Henri II., und ihr italienischer Privatsekretär David Rizzio, der den schottischen Adeligen verdächtig ist und ermordet wird.

Musikalisch funktioniert das Musical gut. Thomas Zaufke ist ein erfahrener Bühnenkomponist und versteht es, die dramatischen Zuspitzungen effektvoll darzustellen. Davon bleibt aber kaum etwas in Erinnerung. Man hat vielmehr den Eindruck, diese Musik und alle ihren Nummern schon einmal gehört zu haben. In anderen, situativ ähnlichen Konstellationen, nur mit anderen Texten. Fast möchte man sagen, dass die Partitur durchaus auch von einer gut programmierten KI stammen könnte. Perfekt gewebt, aber ohne das gewisse Etwas. Dass die Dialoge Henry Masons, oft gespickt mit holprigen Reimen und Binsenweisheiten, etwas merkwürdig daherkommen, kann nicht unerwähnt bleiben. Elizabeth singt einmal, „wenn ich etwas Hirn hätte, etwas in der Birn‘ hätte“. Naja. Und weil das Wortspiel so gelungen ist, kommt die Wendung „Die Ikonen richten ihre Kronen“ gleich zweimal vor.

Was außerordentlich gut klappt, ist die Regie von Simon Eichenberger, der die exzellent choreographierten großen Massenszenen (großes Lob gebührt dabei dem Chor) ebenso glänzend umsetzt wie die Interaktionen der zentralen Protagonisten. Diese sind mit Kräften aus der Musicalsparte des Hauses, eine feste Größe im deutschsprachigen Showbusiness, exquisit und oft in Doppel- und Mehrfachrollen besetzt. Alexandra-Yoana Alexandrova (Maria Stuart) und Daniela Dett (Elizabeth I.) können mit starker Bühnenpräsenz und stimmlich guten Voraussetzungen als Königinnen überzeugen. Wenn sie am Schluss einander in einer Traumsequenz die Hände reichen und gemeinsam voranschreiten, ist es vermutlich gerade diese unerwartete Nähe der beiden, die Elizabeth während der 18 Jahre dauernden Inhaftierung Marias stets gescheut hat und ergo wohl der Grund dafür war, warum sie ihre Großcousine (und Halbschwester) nie aufgesucht hat. Was die Folgen eines persönlichen Treffens hätten sein können, bleibt eines der vielen Rätsel ihrer Beziehung.

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Alexandra-Yoana Alexandrova (Maria Stuart) in dier Mitte ihrer Hofdamen, dahinter Lukas Sandmann (Francois, Dauphin und Bräutigam)

Fast immer an der Seite Elizabeths steht ihr machtbewusster und einflussreicher Staatssekretär William Cecil. Durchsetzungsstark und stets alles Für und Wider pragmatisch abwägend dargestellt von Christian Fröhlich. Lord Darnley, der filouhafte, leichtfertige zweite Mann Marias, der sich statt als Prinzgemahl lieber selbst als König sehen würde und wohl deshalb alsbald drastisch entsorgt wird. Lucius Wolter tritt dabei als eine Art Wiedergeburt Henrich VIII. auf. Eine Laute umgehängt, frisch-fröhlich und frei, trällert er vor sich und teilt mit seinem Vorbild auch die Tendenz zu einem überdurchschnittlichen Frauenverschleiß. Ein selbstverliebter Narziss.

Eine bemerkenswerte Leistung vollbringt Dance Captain Hanna Moana Paul, die kurzfristig für den verhinderten Gernot Romic einspringt und auf der Bühne sowohl Henri II. mimt wie auch, neben weiterer kleiner Rolle, die von Marias untreuen Halbbruder Earl von Moray. Im Orchestergraben positioniert, singt dazu Konstatin Zander, höchst präsent und wachsam. Was für ein tolles, beherztes und erfolgreiches Duo!

Erwähnenswert im durchwegs erfreulichen Ensemble sind weiters Sanne Mieloo, u.a. als Mutter Marias und Elizabeths erste Hofdame, Max Niemeyer als Morton, Morays Vertrauter, wie auch als Erzbischof, Papst und James V., sowie Karsten Kenzel als Heinrich VIII., Earl von Bothwell, Marias dritter Mann. Lukas Sandmann steht u.a.  als Francois II., David Rizzio und Marias Sohn James VI. auf der Bühne.

Die musikalische Gesamtleitung an diesem Abend liegt in den Händen von Juheon Han, der beim starken, gut fünfminütigen Schlussapplaus mit dem prächtig aufspielenden Bruckner Orchester Linz ebenso gefeiert wird wie das exzellente Ensemble. Ein nicht ganz so starkes Stück, mit Totaleinsatz aufgepeppt, trifft auf enormen Widerhall.

 

 

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