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LINZ/ Musiktheater des Landestheaters: TRISTAN UND ISOLDE

Erbärmliches Regietheater erfolglos wiederbelebt

25.09.2018 | Oper

Linz: „TRISTAN UND ISOLDE“ –Musiktheater des Landestheaters,

Großer Saal, 23. 09.2018

Erbärmliches Regietheater erfolglos wiederbelebt

Armes Landestheater! Trotz einer aufsehenerregenden musikalischen Leistung unter der Leitung von Markus Poschner ist der Gesamteindruck von Richard Wagner`s „Tristan und Isolde“ aufgrund einer nichtssagenden, destruktiven und nicht einmal modernen ehemaligen Bayreuth Inszenierung von Heiner Müller/Rekonstruktion Stephan Suschke leider nur maximal befriedigend.

Dabei wäre es doch wichtig, durch hervorragende Darbietungen der großen, anspruchsvollen Werke der Opernliteratur wieder einmal junge Leute für die Oper zu interessieren. Das Potential, es zu erreichen, wäre außer jedem Zweifel für diese Produktion vorhanden gewesen.

Ist es denn wirklich schwer, Tristan und Isolde zu inszenieren? Ich denke nicht: alte Legende, ewige Liebe und hochromantische Musik mit ausladenden Klangwogen könnten einen Regisseur durchaus dazu bewegen, einen Opernbesucher zufrieden zu stellen. Wenn sich der Regisseur auf die Musik konzentrieren würde und auf diese Weise die Emotionalität Wagners erfassen würde, dürfte es eigentlich nicht so schwer sein.

Das Landestheater versuchte offensichtlich mit einer ehemalig angeblich „hochgelobten Bayreuther Festspielproduktion“ von Heiner Müller aus dem Jahr 1993 auf Nummer sicher zu gehen. Der damaliger Assistent von Heiner Müller ist der derzeitige Schauspielchef des Landestheaters, Stephan Suschke. Er rekonstruierte die Inszenierung in Koproduktion mit der Opéra de Lyon 25 Jahre später.

Aber braucht man solche Produktionen in Linz und ist das wirklich alles so toll , was da aus Bayreuth kommt? Ich finde das Zitat Wagner´s im Programmheft auf Seite 6 sehr treffend“. Wie schrecklich werde ich für dieses Werk büßen müssen“ und wie gut passt dann auf der nächsten Seite das Bild von Heiner Müller dazu. Da hatte Wagner offensichtlich schon bange Vorahnungen und er würde sich wahrscheinlich im Grabe umdrehen, wenn er wüsste, in welcher Weise Leute sich an seinem geliebten Werk vergreifen und es missbrauchen würden. Er kann sich leider nicht mehr dagegen wehren.

Der 1995 verstorbene Heiner Müller hatte überhaupt keine Erfahrung mit Oper, als er die Operninszenierung für Bayreuth 1993 konzipierte. Das sieht man auch deutlich in seiner Arbeit, denn die Liebe und das Gefühl für die Musik fehlt ihm leider völlig. Große Opernkomponisten konnten Visualisiertes akustisch präzise darstellen. Sehr gute und einfühlsame Opernregisseure wie Franco Zeffirelli, Otto Schenk oder Jean Pierre Ponnelle gingen bei ihren Inszenierungen immer von der Musik aus. Sie haben sich mit den Werken intensiv beschäftigt, waren musikalisch und haben intuitiv wahrgenommen, was der Komponist ausdrücken wollte . Diese Wahrnehmung wurde in Bühnenbilder umgesetzt und das hat es für das Publikum leichter gemacht, die Philosophie, die hinter dem Werk steht, zu begreifen.

Warum man heute noch eine solche „pseudointellektuelle Inszenierung“ von 1993 herauskramt, ist mir ein absolutes Rätsel. Da geht es doch in erster Linie um Provokation! Bayreuth hatte mit diesen „intelektuellen“ Inszenierungen keinen Erfolg und der Bayreuther Ruf von einst ist längst weg. Allein die Idee von Heiner Müller, den hochromantischen 2.Akt in einem Zeughaus anzusiedeln, ist für mich eine absurde Idee und hat mit der naturverbundenen Musik Wagners gar nichts zu tun. Alles, was Wagner im 2.Akt so wunderbar komponiert hat: die abendliche Landschaft, die Dämmerung, die werdende Nacht, Sternenhimmel….findet auf der Bühne nicht statt- denn da sieht ja nur das Zeughaus. Da ändert sich auch nichts mehr und die armen Sänger versuchen-alleine gelassen von jeder Regie- irgendwie zu agieren. Aber bei einer solchen Verfehlung hilft das leider auch nichts mehr.Da hat Heiner Müller nicht zugehört, was da alles in diesem 2.Akt alles passiert. Schade, denn es-gab-wie oben bereits erwähnt- durchaus Regisseure, die das alles umsetzen konnten. Ich denke da an die wirklich legendäre Inszenierung der Bayreuther Festspiele unter Jean Pierre Ponnelle 1983 oder an die Inszenierung von Günther Schneider Siemssen im Stadttheater Greif / Wels. 1995. Natürlich lädt der von Wagner mit Schopenhauer`schen Gedankengut bearbeitete Mythos über „ewige Liebe“ auch dazu ein, dass Regisseure von intellektueller Seite an die Stücke herantreten. Aber was hilft das alles, wenn die Interpretation nicht erkennbar ist. Meiner Meinung nach sollte für einen Besucher eine Interpretation auch nachvollziehbar sein, wenn er nicht in einem stundenlangen Vortrag knapp vor der Aufführung erklärt bekommt, was der Regisseur in dem Stück wahrnimmt und  versucht irgendetwas zu deuten. Das ist in meinen Augen der Krampf mit dem deutschen Regietheater, das seit Jahren die immer älter werdende Oper zunehmend schwächt. Aber wer braucht es noch? Wen interessiert es? Es wurde doch ohnehin schon alles durch den Kakao gezogen?

Im Kunsthistorischen Museum wird auch nicht über Pieter Bruegel`s „ Die Jäger im Schnee“ ein Kanister Farbe geschüttet und dann erklärt, dass es jetzt wieder modern ist. Das ist eine Verfälschung eines Werkes! Das heißt für das Publikum: man kann das Werk nicht mehr authentisch erleben.

Da verwundert es mich nicht, dass ich mich mit meinen fünfzig Lebensjahren zu den jungen Besuchern im Landestheater zählen darf. Wenn man das Publikum während der Pause so näher betrachtet, kommt man zu dem Schluss, dass nur ein sehr geringer Anteil (maximal ein Fünftel oder Sechstel) unter 60 Jahre alt ist.

Facit: Es ist schade, dass die jungen Opernliebhaber nicht mehr die Möglichkeit bekommen, die Opernklassiker so zu sehen, wie sie die Komponisten eigentlich konzipiert haben. Da wird einem immer die Sichtweise irgendeines Regisseurs vorgehalten, der das Stück mehr oder weniger gut verstanden hat. Im Falle Heiner Müllers ist es leider so, besonders wenn ich mich auf seinen Artikel im Programmheft „Angst und Geometrie“ beziehen darf, dass er gar nichts verstanden hat.

Doch nun zum musikalischen Teil des Abends und hier gibt es wirklich viel Erfreuliches. Heiko Börner verfügt über das stimmliche Material, das man sich von der männlichen Hauptpartie wünscht. Die Stimme gleitet mühelos über das tosende Orchester im dritten Akt. Er verfügt über die nötige stimmliche Differenzierungsfähigkeit im Liebesduett und beeindruckt durch seine schauspielerische Ausdruckskraft.

Annemarie Kremer ist ihm eine ebenbürtige Partnerin und glänzt neben ihrer Darstellung durch fantastische „high notes“. Katherine Lerner ist eine stimmlich vielversprechende Künstlerin. Man genießt ihre Warnrufe im Liebesduett zumal das Licht für kurze Zeit abgedreht wird und man das Bühnenbild nicht mehr sieht.

Für den krankheitsbedingt ausgefallenen Martin Achreiner übernimmt Klemens Sander die schwierige Partie des Kurwenal und kann stimmlich durchaus überzeugen.

Hervorzuheben ist die voluminöse und wahrlich edle Stimme von Dominik Nekel. Auch die Betroffenheit in seiner Stimme bei seinem großen Monolog Ende des 2.Aktes bezüglich seiner Enttäuschung, von seinem Freund hintergangen worden zu sein, war sehr ergreifend. So wünsche ich mir einen Marke! Großartig.

Auch Matthäus Schmidlechner als Melot, Mathias Frey als Hirte und junger Seemann können durchaus überzeugen.

Markus Poschner führt hingebungsvoll und mit Elan mit einem wunderbar aufspielenden Bruckner-Orchester kurzweilig durch den – rein musikalisch gesehen -wunderbaren Abend. Die Musik Wagners ist dem Bruckner Orchester wahrlich auf den Leib geschrieben. Gratulation!

Dr. Alexander Gallee

 

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