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LINZ/Musiktheater des Landestheaters: „PAGANINI“ – Operette in drei Akten von Paul Knepler und Bela Jenbach, Musik von Franz Lehár. Premiere

13.10.2024 | Operette/Musical

Linz: „PAGANINI“ – Premiere im Musiktheater des Landestheaters Linz, Großer Saal, 12. 10.2024

Operette in drei Akten von Paul Knepler und Bela Jenbach, Musik von Franz Lehár

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Carina Tybjerg Madsen, Foto: Barbara Palffy/Landestheater

Das am 30. Oktober 1925 im Wiener Johann-Strauß-Theater (später „Scala“) auf der Wieden uraufgeführte Werk markiert den Beginn der letzten Schaffensphase Lehárs, in der er mehr und mehr ins Ernsthafte strebte, weg von reinen Unterhaltungsstücken. Zwar war die Titelrolle in Wien mit Carl Clewing besetzt, doch war sie bereits auf Richard Tauber zugeschnitten, der sie bei der Berliner Premiere drei Monate später sang.

Einst ein großer Erfolg, sogar Gegenstand einer Verfilmung schon zu stummen Zeiten, geriet das Werk in den letzten Jahrzehnten ins Abseits. Also waren wir neugierig, was Lehár-Fest-Intendant Thomas Enzinger als Inszenierung anbieten würde: Er machte aus der Operette ein Episodenstück, wobei die szenischen Abschnitte durch gesprochene Erinnerungen des alten Paganini (ausdrucksstark und bewegend: Alfred Rauch) verbunden und motiviert werden; mitunter tritt er in Dialog mit seinem Kind-Ich (Elias Kobyakov); Dramaturgie: Christoph Blitt. Sechs Stimmen vom Band (sic!) Daniela Dett, Horst Heiss, Christian Higer, Katharina Hofmann, Gunda Schanderer, Enrico Treuse kommen aus Musical- und Schauspielensemble; sie geben dem alten Pagnanini Stichworte und stellen Fragen oder bemühen Legenden über den „Teufelsgeiger“, die daraufhin szenisch widerlegt oder auch bestätigt werden. In einer weiteren Sprechrolle als Impresario Bartucci: Markus Raab. Die Personenführung ist durchwegs handlungsdienlich und plausibel. Die Pause wird im 2. Akt, kurz nach „Gern… geküßt“ gesetzt.

Die (ohnedies in der Partitur nicht als solche abgegrenzte) Ouverture wird szenisch genutzt, unter anderem mit einem düsteren, wilden Ballett von 6 Paganinis (Franziska Gaßmann, Katharina Glas, Adrian Infeld, Miriam Lechlech, Armando Rossi, Beatriz Scabora; Choreografie: Evamaria Mayer), das sich um einen zerbrochenen Spiegel dreht, in dem sich der Geiger betrachtet, mit einem überraschenden Ende. Die große Drehbühne wird geschickt zu Szenenwechseln genutzt – grundsätzlich sieht man ein nach den napoleonischen Kriegen beschädigtes Land (Bernd Franke), aber mittels Licht werden auch viele andere Szenenbilder plausibel gemacht. Die Kostüme von Götz Lanzelot Fischer bleiben mit einer Ausnahme in der Handlungsepoche, also dem Empire, und sind bei den höfischen Personen mit großer Pracht (Stoffe!!) gestaltet. Beim Buffopaar wird dann freilich schamlos und effektvoll übertrieben… und im dritten Akt haben wir es, auch ausstattungsseitig, mit einer Carmen-Parodie zu tun. Wäre schön, wenn man so eine saftig-blutvoll gestaltete Carmen wieder einmal „im Ernst“ sehen könnte…

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Matjaž Stopinšek und Ensemble. Foto: Barbara Palffy/Landestheater

Fürstin Maria Anna Elisa ist mit viel Ausstrahlung und wunderbar kontrollierter samtiger bis strahlender Stimme Carina Tybjerg Madsen. Ihr Gemahl, Fürst Felice Bacchiocchi, wird vom Chorsolisten Ulf Bunde trefflich stimmlich gestaltet und passend zwiespältig charakterisiert. In der Titelrolle: Matjaž Stopinšek – einerseits mit ordentlicher Schauspielleistung, andererseits stimmlich von intimer, feiner Differenzierung („Gern hab‘ ich die Frau’n geküßt“ – mit dieser Interpretation nimmt man allen denkbaren metoo-Einwänden den Wind aus den Segeln!) bis zum strahlenden und schmelzgestützten Fortissimo. Als entsprechend virtuoser Geiger brilliert BOL-Konzertmeister Jacob Meining aus dem Graben, aber auch kostümiert auf der Bühne.

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Tina Josephine Jaeger, Jonathan Hartzendorf. Foto: Barbara Palffy/Landestheater

Als Buffopaar sehen und hören wir mit Freude und Vergnügen den Marchese Pimpinelli Jonathan Hartzendorf und als Bella Giretti, Primadonna an der Oper zu Lucca, Tina Josephine Jaeger. Beide stecken sehr viel körperliches Engagement in ihre komischen Auftritte, von beider vorzüglichen Gesang einmal abgesehen. Bella weist aber auch ein weiteres (Kostüm-)Ich als 1920er-Jahre Vamp (mit einer Prise Disco-Glitzer) auf. Nett anzusehen, aber warum?

In weiteren Rollen Jovana Rogulja (Corallina), als Schmuggler Domen Fajfar, Gyrdir Viktorsson, und Laurin Siebert weiters Alina Martemianova und Markus Schulz, Statisterie.

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Alfred Rauch, Carina Tybjerg Madsen, Matjaž Stopinšek. Foto: Barbara Palffy/Landestheater

Marc Reibel leitet das mit etwa 50 Personen angetretene Bruckner-Orchester zu duftigem, präzisem, samtigen (aber nicht zu schmachtendem) Spiel an und hält präzise Balance und Rhythmus zwischen Graben und Bühne. Auch die Duette sowohl von Fürstin mit Paganini als auch von Bella mit Pimpinelli funktionieren brillant und bewegend. Der Chor (Einstudierung Elena Pierini) gefällt ebenso.

Nach gut 2½ Stunden musikalisch sehr guter bis perfekter Darbietung eines sehenswert ausgestatteten, szenisch nicht aufregenden Stückes, das durch die Bearbeitung nicht gewonnen, auch nicht groß gelitten hat: kräftiger, aber nicht wirklich begeisterter Applaus, wobei das Produktionsteam auch keine Mißfallenskundgebungen anhören muß.

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Schlussapplaus mit Regieteam. Foto: Petra und Helmut Huber

Petra und Helmut Huber

 

 

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