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LINZ/ Musiktheater des Landestheaters: „MADITA“ von Herman Schneider mit Musik von Viktor Aslund– Uraufführung

07.12.2025 | Oper in Österreich

Linz: „MADITA“ – Uraufführung im Musiktheater des Landestheaters Linz, Großer Saal, 06. 12.2025

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Antonia Beteag. Foto: Petra Moser

Familienoper in zwei Teilen für alle ab 8 von Hermann Schneider nach den Romanen „Madicken“ und „Madicken och Junibackens Pims“ von Astrid Lindgren, Musik von Viktor Åslund – Auftragswerk des Landestheaters Linz

1960 und 1971 erschienen die beiden Romane der Pippi-Langstrumpf-Erfinderin, die auf Deutsch „Madita“ und „Madita und Pims“ betitelt wurden. Die Romanheldin heißt eigentlich Margareta, ihr Spitzname ist Madicken, „Madita“ kommt in der Originalfassung gar nicht vor. Weitere Veröffentlichungen aus diesem Bereich der riesigen Gesamtproduktion Lindgrens sind teils Exzerpte aus den Romanen, so auch „Als Lisabet sich eine Erbse in die Nase steckte“, was wohl die Theaterleitung bewog, danach das Titelbild dieser Produktion zu gestalten.

Das gesamte Produktionsdesign ist sehr gradlinig und klar, Grundfarben überwiegen – nur die ärmeren Mitspielenden sind in erdige/schmutzige Farben mit aufgesetzten Flicken gekleidet. Die knallbunte „Kernfamilie“ des Stückes gehört aber zur Mittelklasse des Handlungsortes. Als dominantes Element der Bühne wurde das allen Schwedenreisenden unentrinnbare Dala-Pferd (dalahäst) gewählt – zum Schluß des Stückes darf dieses sogar an Grane erinnern! Davor umrahmt diese ikonische Figur in doppelter Ausführung die Bühne, während sich auf kleinen Drehbühnen unter ihren Bäuchen viele Szenenwechsel abspielen. Mitunter wird auch in der Mittellinie der Blick auf eine Schule oder einen Anlegesteg am Fluß, einen Ballsaal usw. freigegeben. Szenentitel werden auch auf die Pferdekörper projiziert. Verantwortlich für diese eingängige, mitunter auch humorvolle Gestaltung sind Elisabeth Pedross (Bühne), Yvonne Forster (Kostüme) und Mariangela Mazzeo für die Videos.

Intendant Hermann Schneider (dramaturgische Beratung Anna Maria Jurisch) hat wohl (wir kennen Lindgrens Madicken-Bücher nicht) einzelne Episoden aus den Büchern herangezogen, die schließlich eine abgerundete Handlung ergeben: Wir lernen die Titelheldin kennen, die mit ihrer kleinen Schwester Lisabet in einer „besser gestellten“ Familie lebt. Der Vater ist umtriebig, aber zunächst wenig zu sehen – er ist als Journalist eine relativ wichtige Person im Ort. Neben der Mutter gibt es im Haus auch die Dienstbotin Alva. Im Nachbarhaus wohnt die ärmere Verwandtschaft, die Nielssons, die einen Sohn namens Abbe haben, der zu allerhand Streichen aufgelegt ist – ein Verwandter Huckleberry Finns? Er animiert Madita und Lisabet zu allerhand gewagten Abenteuern. Vater Nielsson ist dem Alkohol verfallen.

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Antonia Beteag, Martin Achrainer. Foto: Petra Moser

Auch in der Schule tut sich einiges: eine auch nicht recht gut gestellte Kameradin Maditas vergreift sich an einer Geldtasche, wird von Madita aber in Schutz genommen. „Dafür“ gibt es dann eine familiäre Läusebekämpfungssitzung. Wir erleben die Zeugnisverteilung und sommerliches Treiben am Fluss. Der erste Teil endet damit, daßssder – hier zum ersten Mal zu hörende – Vater verkündet, daß Madita und Lisabet ein Brüderchen bekommen werden.

Nach der Pause lädt die Bürgermeisterin zum alljährlichen Herbstball, „die ganze Familie“ – man nimmt deshalb auch ganz entschlossen Alva mit, was die Bürgermeisterin nicht goutiert, aber Alvas Verehrer, der Rauchfangkehrer, durchaus. Dann kommt es zu einem vom besoffenen Nielsson verursachten Vorfall, den Abbe nur mit knapper Not überlebt. Und schließlich naht Weihnachten und der Geburtstermin des Geschwisters von Madita und Lisabet, was sich als erneutes Mädchen herausstellt. Aber es sind alle glücklich, und das Leben wird weiter seinen Gang nehmen – unter dem Zeichen des dalahäst.

Von der „mutigen Madita mit ihrer tollen Familie“ (Programmfolder) und „den schönen und schwierigen Dingen“, die man teilt und so besser durchs Leben kommt, wird sich in Buchform wohl durchaus eindringlich lesen lassen. Aber dieses Leben ist auch, von der einen Unglücksgeschichte mit Abbe abgesehen, „ein langer ruhiger Fluss“, wie ein – allerdings turbulenter und sozialsatirischer! – französischer Film hieß. Und daraus eine Oper zu machen, die, wie Vincenzo Bellini meinte: „…Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen muss.“? Nein, das geht sich nicht aus, auch wenn die Inszenierung von Opernstudiochef Gregor Horres die Personen sehr gut einsetzt, Gags einstreut und die Choreografie von Ilja van den Bosch immer wieder für bunte Momente sorgt.

Dabei ist die mit allerhand Schlagwerk und tiefsten Bläsern reich instrumentierte Musik durchaus attraktiv – klanglich sollte man sich etwas aus dem Bereich zwischen Korngold und Leonhard Bernstein vorstellen. Schon Åslunds Originalkomposition weist einige recht erfreulich anzuhörende Partien auf, und dazu kommen noch klassisch schöne schwedische Volksweisen, z. B. als Schulchor zu hören. Ein paar fröhliche musikalische Frechheiten finden sich auch – etwa, als die Protagonistinnen bei der Läusebekämpfung sehr nach Rheintöchtern bzw. Walküren klingen. Aber Spannung will sich im Gesamtbild – abgesehen von dem Abschnitt, als man um den sympathisch-tragischen Hallodri Abbe zittern muß – nicht einstellen.

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Georgina Cooper, Alexandre Bianque. Foto: Petra Moser

Ingmar Beck leitet diese Uraufführung mit dem brillanten Bruckner Orchester souverän, mit ausgezeichneter Abstimmung zwischen Bühne und Graben in allen Aspekten und perfekten tempi. Auch Chor und Kinderchor (Elena Pierini) sind exzellent eingestellt.

Wichtige Rollen sind aus dem Opernstudio (OS) besetzt, so die beiden protagonistischen Schwestern mit Georgia Cooper und Antonia Beteag – beide quicklebendig, erstklassige Stimmführung, vorzügliches Schauspiel, demonstrieren auch tänzerische Fähigkeiten.

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Georgina Cooper, Martin Achrainer, Antonia Beteag. Foto: Petra Moser

Vaida Raginskytė ist eine empathische Mama mit sehr guter Stimme, Martin Achrainer (Papa) läßt seinen vorzüglichen Bariton hauptsächlich im 2. Teil hören, hat auch eine Menge komödiantischer Aufgaben. Angela Simkin liefert als Alva erneut eine perfekte stimmliche und mimische Charakterisierung einer Rolle. Mia (Dora Blatniczki, OS) und Matti (Julia Sallinger) sind Mitschülerinnen Maditas, auch sie liefern sehr beachtliche Leistungen. Der fast tragische Held Abbe Nielsson ist der vielversprechende lyrische Tenor Alexandre Bianque (OS), dessen Eltern die vorzüglichen Chorsolisten Jovana Rogulja und Tomaz Kovacic.

Bürgermeisterin Kateryna Lyashenko, Schornsteinfeger Hun Jeong (OS), Lehrerin Gotho Griesmeier, Schulleiter Gregorio Changhyun Yun und Hebamme Amy van Looy liefern ebenso gute Leistungen wie Xinhang Zhou (OS), Fabian Harrich und Yossef Erlacher. In vielfältigen, oft sehr prägnanten Rollen: Mitglieder der OÖ. Tanzakademie, Statisterie.

Alle sind mit Funkmikrophonen ausgestattet, unserem Eindruck nach werden diese jedoch nur für Dialogstellen eingesetzt.

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 Viktor Aslund, Elisabeth Pedross, Yvonne Forster, Ingmar Beck, Elena Pierini. Foto: Petra und Helmut Huber

Ca. siebenminütiger, nicht sehr enthusiastischer Applaus, keine Mißfallensäußerungen für das Produktionsteam.

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Schlussapplaus. Foto: Petra und Helmut Huber

 

Petra und Helmut Huber

 

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