© Fotos Shaker Almonem
Linz:„LA CLEMENZA DI TITO“– Premiere am Musiktheater des Landestheaters, Großer Saal, 02. 11.2018
Dramma serio per musica in zwei Aktennach der Vorlagevon Pietro Metastasio, Libretto von Caterino Mazzolà, Musik von Wolfgang Amadé Mozart; neu komponierte Rezitativtexte von Manfred Trojahn
In italienischer Sprache mit Übertiteln
Koproduktion mit dem Saarländischen Staatstheater Saarbrücken
Hans Schöpflin, Marcela Mariana López Morales.© Fotos Shaker Almonem
In einer von Krieg und Revolution gebeutelten Zeit überrascht es nicht, daß das Volk einen neuen Monarchen um Milde und Frieden bittet. Freilich schreiben wir 1790, als Josef II. verstarb, der als wohl erster Habsburgerkaiser solche Wünsche nicht als ungehörig abgetan hätte. Sein Nachfolger, Leopold II., war wohl geneigt, seines Bruders Reformen weiterzuführen. Zu seiner Krönung als böhmischer König am 6. September 1791 servierten ihm die Prager jedenfalls im Ständetheater eine entsprechende moralisch-politische Erinnerung in Opernform.
Mazzolà, Nachfolger da Pontes als Wiener Hofdichter, überarbeitete zusammen mit Mozart ein Libretto, das u. a. von Antonio Caldara 1734 als klassische opera seria vertont worden war; die formalistischen Elemente wurden zugunsten einer emotionsgeprägten Handlung zurückgedrängt, auch wenn dadurch keine da Ponte’sche Qualität erreicht wurde. Mozart hat zeitgleich auch an der Zauberflöte gearbeitet; jedenfalls wurde die Komposition der Recitative mutmaßlich an Franz Xaver Süßmayer übertragen.
Das Werk blieb bis ca. 1820 sehr beliebt, bevor es von den Spielplänen verschwand. Erst Ende des 19. Jahrhunderts erschien es wieder auf der Bühne, jedoch in Bearbeitungen, z. B. durch Wilhelm Kienzl 1893. Die Version von Manfred Trojahn (* 1949) wird zum ersten Mal in Österreich aufgeführt. Diese betrifft die –sehr ausgedehnten – Rezitative, mit Ausnahme zweier im zweiten Akt, die wohl vom Original stammen. Trojahn komponiert mit allen Mitteln der Moderne, seriell, mit clusters etc.; manche seiner Einschübe wirken eher als Fremdkörper, viele aber, besonders im zweiten Akt, fügen sich, trotz der völlig anderen Klangwelt, hervorragend in die Mozart’sche Feinstruktur und erfüllen ihre Aufgabe, die Handlung voranzutreiben, perfekt. Letzteres ist aber auch den Sängerinnen und Sängern zu verdanken, die das Material schauspielerisch vorzüglich umsetzen, bis hin zu einer Fülle,oft fast unmerklicher, aber eben deswegen plausibler, Gesten. Abgesehen von ihrer Fähigkeit, Mozart wie Trojahn absolut stilsicher zu singen, im fliegenden Wechsel.
Brigitte Geller. © Fotos Shaker Almonem
Die genaue Menschendarstellung hat François De Carpentries, dramaturgisch unterstützt von Christoph Blitt, erarbeitet. Andere Facetten seiner Inszenierung fanden wir weniger plausibel: die Szenerie wechselt, ohne klare Begründung in der Handlung, zwischen dem antiken Rom, dem Barock und einer elektronikgeprägten Moderne – alles für sich eindrucksvoll gestaltet, zusammen aber doch etwas verwirrend. Man könnte auch sagen, die an sich nicht recht übersichtliche Handlung der Oper wird dadurch nicht klarer. Auch die Kostüme sind in ihrer historischen Zuordnung recht wechselhaft, entsprechen zum größeren Teil moderner Kleidung. Titus selbst könnte mit seinem eher vernachlässigten blauen Anzug und offenem Hemdkragen einer „übernachtigen“ Szene in Fellinis „Dolce vita“ entstammen; nur im Finale gönnt ihm die Regie einen Frack, sonst ist er wesentlich schlechter gekleidet als all sein Personal und macht dadurch auch eher den Eindruck des Getriebenen als den eines Mächtigen.Die Regie erspart ihm auch nicht, einmal fast nackt in der „Clothhose“ erscheinen zu müssen. Immer wieder aber gibt die Bühneauch großartige Schauwerte her; sie wurde, samt Kostümen, von Karine Van Hercke entworfen,Videos (Hintergrund, mitunter auch Teil der Handlung, etwa der brennende Kaiserpalast zu Ende des 1. Aktes): Amelie Remy.
Das Bruckner Orchestermusiziert unter Martin Braun im etwas angehobenen Graben transparent, elegant und präzise und trifft so das Mozart-Idiom perfekt. Besonders die Holzbläser seien hervorgehoben. Im nächsten Moment bringt das Orchester auch die oft gänzlich andersartigen Klänge des Bearbeiters ebenso stilsicher. Der Dirigent koordiniert auch hervorragend Graben und Bühne, schafft feinziselierte Ensembles – und geleitet dazu noch einen akut von Erkältung befallenen Protagonisten behutsam durch den Abend. Wahrscheinlich wäre ihm all dies auch ohne Taktstock genau so gelungen, aber als er nach der Pause wieder seine Position einnimmt, fehlt ihm das kleine Stäbchen doch… also zurück in die Garderobe und Ersatz geholt: so bekommt auch ein kleines Stück Holz Szenenapplaus! Der Chor, einstudiert von der neuen Leiterin, Elena Pierini, macht seine Sache ebenso gut, unterstützt von der Statisterie.
Die Titelfigur wird vom neuen Ensemblemitglied Hans Schöpflin verkörpert: ein feiner tenore di grazia, mit klarer und eleganter Definition, wie für Mozart notwendig, dabei auch mit sorgfältig dosiertem Schmelz ausgestattet. Auch als Schauspieler ist er bis ins kleinste Detail überzeugend. Vitellia: Brigitte Geller, ebenfalls jetzt neu im Ensemble (wie Schöpflin in Linz schon bekannt), mag in den tiefsten Lagen geringe Schwächen haben, aber glänzt mit ihrer Stimme sowohl bei Koloraturen als auch in dramatischen Momenten; besonders eindrucksvoll ihr Rezitativ in der 9. Szene des 1. Aktes („Ancora mi schernisce?“), mit dem sie Sesto endgültig davon überzeugt, Titus zu ermorden.
Florence Losseau, Therese Grabner, Brigitte Geller, Jessica Eccleston. © Fotos Shaker Almonem
Den Sesto gibt Jessica Eccleston mit engagiertem Spiel und ihrem abgerundet- klangvollen Mezzo; auch sie beeindruckt trotz hier schon absolvierter „schwererer“ Rollen mit mozartgemäßer Leichtigkeit und Beweglichkeit. Die schon mehrmals in Mozartrollen sehr gut angekommene Theresa Grabner gestaltet auch an diesem Abend ihre Servilia perfekt, und als ihr Geliebter Annio debütiert ein neues Mitglied des Opernstudios, Florence Losseau, in einer gar nicht kleinen Rolle, äußerst gelungen!
Dominik Nekel als Publio mußte sich wegen akuter Erkältung ansagen lassen (wegen der nicht gebräuchlichen Bearbeitung fand sich nicht ausreichend schnell Ersatz) und hat den Abend tapfer durchgestanden. Er wurde mit Respekt und Dank des Publikums belohnt.
Als stumme Rolle, während der bebilderten Ouverture und dann immer wieder als bedeutungsvolle Hintergrundfigur zu sehen: die original nur im Text präsente Berenice, ursprüngliche Gefährtin Titos, dargestellt von Marcela Mariana López Morales.
Begeisterter Applaus für die musikalische Gestaltung und die Darsteller und ein schüchterner Buhruf für die Regie dieser sicherlich nicht besten Oper Mozarts in einer interessanten Bearbeitung, getragen von hervorragenden musikalischen Kräften.
Petra und Helmut Huber