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LINZ/Musiktheater des Landestheaters: IL TROVATORE. Premiere

12.01.2020 | Oper


Izabela Matula (Leonora), Federico Longhi (Luna),  Sung-Kyu Park  (Manrico). Foto: Reinhard Winkler/ Linzer Landestheater

LINZ:  „IL TROVATORE“ – Premiere am Musiktheater des Landestheaters, Großer Saal, 11. 01.2020

Dramma lirico in vier Teilen nach dem Schauspiel „El trovador“ von Antonio García Gutiérrez, Libretto von Salvadore Cammarano und Leone Emmanuele Bardare, Musik von Giuseppe Verdi

Ohne Verdis „trilogia popolare“ kann man kein Opernhaus programmieren (außer in Bayreuth). Seit der Eröffnung des neuen Linzer Musiktheaters sind eine bemerkenswerte „Traviata“ (à la Wilson) und ein eher lauer „Rigoletto“ absolviert, fehlte also noch das unzweifelhaft anspruchsvollste der drei Werke.


Federico Longhi (Luna). Foto: Reinhard Winkler/ Linzer Landestheater

Man hört und liest immer wieder, daß der Inhalt dieser Oper aber sowas von absurd sei, und überhaupt: zusammenhanglos, es fehle die durchlaufende Handlung – als wenn es keine etablierte literarische Technik der episodischen, auf Knotenpunkte der Entwicklung fokussierte Beschreibung eines komplexen Handlungsablaufes gäbe, schon lange vor dem „Troubadour“-Libretto gegeben hätte. Immerhin tragen sogar die Akte dieser Oper nicht wie üblich nur Nummern, sondern auch inhaltsbezogene Namen wie „Il duello“ oder „La gitana“.

Und aus Kriegsgebieten, bei Bürgerkriegen zumal, gibt es für alle, die einigermaßen aufmerksam Informationen (mit heutigen Möglichkeiten!) sammeln, eine Fülle an grauenhaftesten und wahrhaft absurd anmutenden Details und Schicksalswendungen. Das Vor-Wort von Karl Kraus zu seiner monströsen Episodensammlung „Die letzten Tage der Menschheit“, daß „Die unwahrscheinlichsten Taten, die hier gemeldet werden, wirklich geschehen (sind)“, galt schon lange vor 1914 und gilt bis heute. Als Beleg für durch die Zeitläufte in tödliche Gegnerschaft gezwungene Brüder mag das Denkmal in Straßburg/Strasbourg (Place de la République) gelten: eine Mutter mit ihren zwei toten Söhnen – der eine starb „für“ Frankreich, der andere „für“ Deutschland.

Am 12. Oktober 1853 erklang das Werk erstmals in Linz; seit 1945 ist der heutige Abend die 104. Aufführung, in der nunmehr 8. Inszenierung. Der Chef des Opernstudios, Gregor Horres, schafft in seinen dortigen Arbeiten immer, eine moderne Szenerie aufzustellen (Bühne und Kostüme: Jan Bammes, Video Volker Köster), ohne das Stück an sich zu vergewaltigen. Man hat den Eindruck einer intensive Durchdringung des (Musik)Textes und der Intentionen der Autoren, umgesetzt in eine plausible Personenführung.

Ausstattung und szenische Details freilich holperten diesmal doch etwas – z. B. erklärt sich nämlich nicht wirklich, warum immer wieder ein schwarzer und ein weißer Engel durchs Bild schlurften (die Generation Heinzi Conrads denkt da vielleicht an Schneeflockerl und Ruaßflankerl, wie sie Erich Meder vereint hat). Oder warum Manrico schon zu Beginn des zweiten Aktes bei Azucena (also bevor er zum comandante ernannt wird) in einer Prachtuniform auftaucht, die nicht einmal dem notorischen Pfau Hermann Göring zu minder gewesen wäre. Außerdem wird fortwährend mit Schußwaffen hantiert, auch wenn im Text nur von Hauen und Stechen die Rede ist. Recht (halb)lustig auch Manricos Sprengstoffgürtel im Nonnenkloster.

Die beiden Heere – das „offizielle“ des Grafen wie die Aufrührer oder Partisanen Urgells/Manricos – sind bis auf kleine Details in gleichartige moderne Tarnanzüge gesteckt, meistens jedenfalls; gut, Krieger gleichen sich grundsätzlich („Soldaten sehn sich alle gleich, lebendig und als Leich‘ “, reimte Wolf Biermann) – aber ihnen zur Unterscheidung (Royalisten) teils pinke Sturmhauberl aufzusetzen, ist der Düsternis des Werks nicht wirklich zuträglich. Zudem treten die Soldaten oder Söldner bisweilen mit nacktem Oberkörper auf – quasi, zumindest, denn die Herren des Chores werden dann in sowas wie unterfütterte Muskel-Pullover gesteckt, was definitiv karikierend wirkt, noch mehr als die vorgenannten „Himbeerköpfe“. Zum Drüberstreuen tragen einige Orden sozusagen als piercing in diesen Muskelwülsten…

Die Bühne arbeitet mit großen kantigen Säulen, die vielfältig umgruppiert werden können und oft eine blutig-schüttbildhafte Seite zeigen, nicht selten auch von feurigen Projektionen beleuchtet werden. Im ersten Bild des vierten Aktes ist der Nachklang eines Massakers aufgebaut, ähnlich der letzten Linzer Inszenierung des Werkes 2011 – war die Bühne damals mit Särgen gepflastert, sind es diesmal aber schwarze Müll(Leichen)säcke. Dabei aber ein interessanter Effekt – die Bühnenhinterwand wirkt wie von Wasser berieselt (der feuchte Keller-Kerker??). Die Lichtgestaltung fällt insgesamt eher hell aus, was dem Charakter des Nachtstückes nicht unbedingt gut ansteht – besonders wenn man an Leonores Verwechslung im 2. Bild des ersten Aktes denkt, wo der Graf hier im vollen Scheinwerferlicht steht und kaum irrtümlich für Manrico gehalten werden kann….

Außerdem befleißigt sich die Dramaturgie (Christoph Blitt) per Textprompter, uns darüber aufzuklären, daß „Zigeuner“ ein veralteter Begriff sei; wenigstens passiert das nur bei der ersten Erwähnung des Wortes, das übrige geschätzt 150malige Vorkommen wird unkommentiert belassen.

Aber genug geschimpft; alles andere ist nämlich außerordentlich erfreulich, nein, begeisternd:

Federico Longhis (aG) Graf Luna ist schon einmal ein stimmlich ausgesucht präsenter Charakter, nachdem er sich im ersten Akt warmgesungen hat. Kraftvoll, auch bei „voll aufgedrehtem“ Orchester gut zu hören, schönes (nicht allzu dunkles) Timbre, stimmliche Modulationsfähigkeit, um sein durchaus expressives Spiel zu unterstreichen: eine hervorragende Leistung!


Katherine Lerner. Foto: Reinhard Winkler/ Linzer Landestheater

Ebenso erstklassig rollendeckend: Ensemble-Mezzo Katherine Lerner (Azucena), die ihren brillant gelungenen schweren Partien wie Amme oder Fidès damit einen weiteren Glanzpunkt hinzugefügt hat. Ihr „Stride la vampa“ verursacht definitiv Gänsehaut, und das nicht nur durch ihre druckvolle, nie scharfe Stimme: auch Mienenspiel und Körpersprache passen – unermüdlich, perfekt, mitreißend, bis zum düsteren Ende.


Izabela Matula (Leonora), Gotho Griesmeier (Ines). Foto: Reinhard Winkler/ Linzer Landestheater

Erfreute uns Izabela Matuła (a.G) schon 2018 als sehr feine Tatjana, hat sie uns nun die noch größere Freude gemacht, ihre schon mehrfach in der Dramatik (Elsa, Tosca) bewährte Stimme der Troubadour-Leonora zu leihen („die andere“ Verdi’sche Leonora folgt bald in Frankfurt, und dazwischen ist sie als „Halka“ in der Warschauer Fortsetzung der Inszenierung vom TadW zu hören!). Unsere Begeisterung resultiert aus einer generell makellosen und mitreißenden Gestaltung ohne irgend ein Zittern oder Zagen oder Forcieren – und das mit einem Stimmumfang, der einerseits für ein wunderbar samtig-klangvoll bis in den tiefsten Keller reichendes „Miserere“ reicht, und im Handumdrehen in diesem höllischen vierten Akt auch zu brillanten Koloraturen fähig ist. „Zwischendurch“ demonstriert Frau Matuła wunderbarste Lyrik gleich beim Auftritt mit „Tacea la notte placida“ und sogar noch intensiver, bewegender in den „Ali rosee“. Dazu auch noch intensives Schauspiel!

Der Manrico von Sung-Kyu Park (aG) spielt in der selben Liga wie diese Leonora – prachtvolles timbre, Schmelz, Kraft ohne jede Grobheit oder Schärfe, scheinbar mühelose Spitzentöne; das „Ah! Si, ben mio“ fließt mustergültig. Und, auch wohl als Zeichen exquisiter Einstudierungsarbeit, ein „Di quella pira“, das nicht als herausgeknalltes Bravourstück präsentiert wird, sondern Leben, Modulation und Gestalt hat. Auch Herr Park fügt sich perfekt in die durchgehend präzise mimische Szenerie ein.

Der neben diesen legendären Brillanzrollen „übersehene“ Ferrando, der für das Verständnis des Stückes so wichtig ist, ist dem langjährigen Ensemblemitglied Dominik Nekel überantwortet: ein edel bronzegetönter Bass ohne Blei, aber mit Druck, beweglich und wortdeutlich, letzteres vielleicht noch besser als die diesbezüglich schon sehr guten Vorgenannten.

Leonoras Vertraute Ines ist Gotho Griesmeier, solide wie die sonstigen Solorollen Ruiz (Csaba Grünfelder), alter Zigeuner (Markus Raab) und Bote Domen Fajfar.

Chor und Extrachor des Landestheaters, einstudiert von Elena Pierini bzw. Martin Zeller, machen nicht nur beim Schlager zu Beginn des 2. Akts Freude, sondern mit allen ihren Auftritten, auch zusammen mit Statisten. Besonders hervorzuheben sind der fast transzendente Nonnenchor im 2. Bild des zweiten Aktes und die Positionierung der Herren in Beleuchtungslogen im Proszenium für das „Miserere“, die einen beunruhigend jenseitig-ätherischen Klang ergibt.


Izabela Matula (Leonora), Sung-Kyu Park  (Manrico). Foto: Reinhard Winkler/ Linzer Landestheater

Ein blendend disponiertes Bruckner Orchester legte zu diesen großen Sangesleistungen die perfekte, präzise, transparente, gefühlvolle, dynamische, italienisch-elegante Basis. Angesichts der vielen Stellen im ¾-Takt könnte man fast das Wort „tänzerisch“ in den Mund nehmen, wäre dies nicht angesichts der Handlung deplaciert – aber die an diesem Abend zu hörende Feingliedrigkeit und brillante „verdianische“ Struktur könnten einen glatt dazu verführen…

Zu verdanken ist dieses musikalisch so wunderbare Ergebnis besonders auch dem aus Trient stammenden, in Würzburg als GMD wirkenden Enrico Calesso, der diese Aufführung in perfekter Balance hält, stets die perfekten Tempi findet – ja, das „Tacea la notte“ wird langsam genommen, bleibt aber voll unter Spannung, und überfordert eben diese hervorragende Sängerin nicht. Und wie das Orchester mit Leonora bei „Ali rosee“ förmlich mitatmet, ist schlichtweg sensationell!

Dementsprechend tosende Begeisterung des Publikums für die Ausführenden, bisserl leiserer Applaus und ein, zwei Buhrufe für das Produktionsteam. Und bei der Premierenfeier fortgesetzte Länderspielstimmung…

Petra und Helmut Huber


Premierenfeier/ Ensemble. Foto: Petra und Helmut Huber

 

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