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LINZ/ Musiktheater des Landestheaters: HAIRSPRAY von Marc Shaiman/ John Waters

16.09.2017 | Operette/Musical

Linz:„HAIRSPRAY“– Premiere am Musiktheater des Landestheaters, Großer Saal, 15. 09.

Musical nach dem gleichnamigen Film von John Waters, Musik von Marc Shaiman

Gesangstexte von Scott Wittman und Marc Shaiman, Buch von Marc O’Donnell und Thomas Meehan, Deutsch von Jörn Ingwersen und Heiko Wohlgemuth

In (teilweise) deutscher Sprache mit Übertiteln

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Ariana Schirasi-Fard. Copyright: Barbara Palffy

John Waters sprach mit schrillen Filmen unterdrückte, aber berechtigte Anliegen an – seien es Rassismus/Rassentrennung, seien es Verfolgung und Mißachtung von Transgendern, Schwulen und Lesben und schuf sich einen soliden Ruf als trash-Regisseur, vom mainstream und der Kritik „gefürchtet“. Sein durchaus den erwähnten Themen treues Werk „Hairspray“ von 1988 allerdings hatte weit über Waters‘ eingefleischte fans hinausreichenden Erfolg. Sogar für einige Preise wurde er nominiert – freilich immer noch abseits des establishments, u. a. bei Robert Redfords „Sundance Festival“.

Der Erfolg des Films war groß genug, um die Produktion eines Musicals anzustoßen, das seine Uraufführung am Broadway 2002 hatte und bis 2009 2.500 Mal gegeben wurde. Die erste deutschsprachige Inszenierung fand 2008 in St. Gallen statt, unter Matthias Davids, seit 2013Linzer Musicalchef. Seit je wird die Rolle der Edna von (gebürtigen) Männern verkörpert – ursprünglich „Divine“, am Broadway Harvey Fierstein, in St. Gallen war es der auch als TV-Moderator bekannte Ralph Morgenstern.

Die Handlung dreht sich um die nicht ganz dem üblichen Schlanksheitsideal entsprechende Tracy Turnblad, die, obwohl aus der „oberen Unterklasse“ stammend, in einer „bürgerlichen“ Musik- und Tanzshow des lokalen Fernsehens in Baltimore gute Figur macht. Freilich gelingt ihr das erst nach der Überwindung von Problemen und Intrigen – und „nebenher“ bewirkt sie auch die Aufhebung der Trennung der show in eine „weiße“ und eine „schwarze“ Version.

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Ariana Schirasi-Fard. Dinipiri Etebu. Copyright: Barbara Palffy

Die Musik bewegt sich in den Idiomen von Swing, Rock’n Roll und Soul bzw. „Motown Sound“ – alles also die akustische Welt, die das reale Vorbild der gegenständlichen TV-show, die „Buddy Dean Show“ (1957 – 1964 in Baltimore produziert) ausmachte. Sie wird von der in solchen Aufgaben schon bekannten Band namens „Black Beauty & Friends“, etwas 20 Damen und Herren stark, stilsicher umgesetzt, und der neue Sparten-Musikchef Tom Bitterlich sorgt für straffe Rhythmen, perfektes timing und Koordination zwischen Graben und Bühne. Hier haben wir schon einmal eine Basis, die auf kommerziellen Musicalbühnen auch nicht perfekterzu finden ist!

Matthias Davids hat auch hier das Stück in Szene gesetzt, mit wunderbarer Balance zwischen Rhythmus und Lyrik, ernsten Anliegen und Humor; er bietet uns vielschichtige, plausible Charaktere. Diese sind natürlich auch – schwungvoll, bunt, präzisest und scheinbar mühelos! – tänzerisch hochaktiv (Choreografie Dennis Callahan). Hans Kudlich hat wieder für eine pfiffige Bühnenkonstruktion gesorgt, die mit minimalen Veränderungen von der Unterklassewohnung bis zum Fernsehstudio fast 10 Schauplätze in schnellem Wechsel plausibel darstellt, und dabei mitunter noch für humorvolle Akzente sorgt. Michael Grundner unterstützt ihn dabei bestens mit seinem Lichtdesign.

Die Kostüme von Leo Kulaš spielen zwar etwas über die Zeit der Handlung hinaus ein bißchen in die Siebziger Jahre – aber daran etwas auszusetzen wäre Beckmesserei: der Gesamteindruck ist lebendig, popig-bunt und natürlich gibt es auch textilgewordene vergnüglich-bissige Kommentare zu einzelnen Rollenpersönlichkeiten.

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Ariana Schirasi-Fard, Anaïs Lueken. Copyright: Barbara Palffy

John Waters ist kein Kind nobler Zurückhaltung – und das merkt man auch am Text (Dramaturgie Arne Beeker); die Liedtexte werden teils im englischen Original belassen, was dem Rhythmus der Darbietungen gut tut. Andererseits steht die deutsche Übersetzung einem wunderbar liebevollen und zugleich humorvollen Duett von Vater und Mutter Turnblad ganz ausgezeichnet.

Deren Tochter Tracy wird von Ariana Schirasi-Fard als (ein bißchen) naives, aber gradliniges und entschlossenes Mädchen mit ordentlich Soul in der Stimme und allerhand Körperbeherrschung (trotz fatsuit) gegeben; sie ist eine Hauptrollenbesetzung, die keinen Wunsch offenläßt!

Edna Turnblad, die “Transvestitenrolle” ist eine Gratwanderung – wenn da zu dick aufgetragen wird, kann das ganz schön peinlich werden. Riccardo Greco findet für sie, obwohlauch er einen soliden fatsuit mit sich herumschleppen muß, das richtige Maß an Komik, ohne die Figur zu denunzieren; er/sie kann uns bewegen und weckt auch für diesen Charakter Sympathie. Rob Pelzer ist Ednas Angetrauter Wilbur – er verknüpft feine Komik authentisch mit einem vom Erfolg nicht verwöhnten, aber liebevollem Charakter.

Link Larkin, (nicht nur) Ednas Schwarm, verblaßt gegen diese dominanten Figuren etwas, was aber nicht am perfekten Spiel und Gesang von Gernot Romic liegt. Auch Peter Lewys Preston (als TV-hostCorny Collins) hat diesmal weniger Gelegenheit zu brillieren als er es in anderen Produktionen schon getan hat – aber ein erstklassiger Teamspieler liefert eben auch in der zweiten Reihe die genau von ihm verlangte Leistung.

Die Schurkin des Stückes, Velma von Tussle – intrigante TV-Produzentin und Rassistin, auch was Übergewichtige angeht – wird von Anaïs Lueken taff und scharfkantig charakterisiert; ihre tänzerischen und gesanglichen Fähigkeiten kann sie auch in dieser Partie ausspielen. Hanna Kastner kommt als ihre Tochter Amber nicht ganz so klar definiert über die Rampe, freilich auch sie sehr engagiert und durchaus rollendeckend.

Amanda Whitford (als Schallplattenhändlerin MotormouthMaybelle)mußte sich wegen Verkühlung ansagen lassen, was freilich ihrem hervorragenden Gesamteindruck einer unverfälschten “Soul Mama” mit großem dramatischen Können keinen Abbruch tat. Ihrem goscherten und tänzerisch verblüffend beweglichem Sohn Seaweed J. Stubbs verlieh Dinipiri Etebu, mit jazziger dunkler Stimme prall-lebendige Gestalt.

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Rob Pelzer, Amanda Whitford, Riccardo Greco. Copyright: Barbara Palffy

Die Gäste vom Schauspielhaus, Peter-Andreas Landerl und Gunda Schanderer, setzen in jeweils mehreren Rollen sorgfältig dosierte satirische Spitzlichter. Sehr erwähnenswert auch das Trio der „Dynamite-Sisters“ Kudra Owens, Meimouna Coffi, Jane-Lynn Steinbrunn, das auch als „chaingang“ nicht außer Tritt geriet und mit seinem Soul-Gesang brillierte.

Ohne Fehl und Tadel in weiteren Rollen & Ensemblepartien: Ruth Fuchs, Jelisa van Schijndel, Perry Beenen, Andrew Cummings, Oliver Edward, János Harót, Maickel Leijenhorst, Charles Mitchell, Chantal Kharag Ram, Jagoda Palecka, Raphaela Pekovsek, Sabrina Reischl, LynseyThurgar und Matteo Vigna.

Begeisterter Applaus für eine perfekte show mit Zwischentönen und Hintergründen; Darsteller und Musik wurden ebenso gefeiert wie das Produktionsteam.

Petra und Helmut Huber

 

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