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LINZ/ Musiktheater des Landestheaters: DIE KÖNIGINNEN – Ein Musicalthriller über Maria Stuart und Elisabeth I. von Henry Mason, Musik von Thomas Zaufke. Uraufführung

11.02.2024 | Operette/Musical

Linz: „DIE KÖNIGINNEN -“ – Uraufführung im Musiktheater des Landestheaters Linz, Großer Saal, 10. 02.2024

Ein Musicalthriller über Maria Stuart und Elisabeth I. von Henry Mason, Musik von Thomas Zaufke, Orchestrierung Markus Syperek

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Alexandra-Yoana Alexandrova, Daniela Dett. Foto: Barbara Palffy für Linzer Landestheater

Kürzlich schrieben die OÖ Nachrichten „wenn man aus einem Stoff, den man eigentlich nie auf eine Bühne bringen kann, doch ein Musical machen will, ruft man nach Henry Mason“. Schon aus Edmond de Waals genau recherchiertem Buch über den „Hasen mit den Bernsteinaugen“ und die an diesem hängende Familien- und Weltgeschichte mit ihren dutzenden relevanten Rollen schuf das genannte team ein dramaturgisch exzellentes und dementsprechend auch in der Fachwelt hochgeschätztes und mit Preisen überhäuftes Musical.

Die Rivalität der beiden Königinnen, die für die eine, die katholische Königin von Schottland, tödlich endete, während der anderen, der protestantisch-anglikanischen, der Aufstieg Englands zur Weltmacht gelang, hat schon viele Autorinnen und Autoren aus allen möglichen Sparten der darstellenden Kunst inspiriert. Es sei natürlich Friedrich Schiller genannt, Getano Donizettis „Maria Stuarda“ und zahllose Filme, beginnend mit einem der allerersten „beweglichen Bilder“ überhaupt, Edison’s The Execution of Mary Stuart von 1895.

Im Film kann man natürlich die vielen relevanten Figuren dieser Geschichte im Laufe mehrwöchiger Dreharbeiten von vielen Personen spielen lassen – am Theater geht das nicht, und so mußte man, ähnlich wie beim „Hasen“, wieder sehr sorgfältige Rollenverteilungen auf rund ein Dutzend Ensemblemitglieder erstellen, und auch die Szenen drauf abstimmen. Zumal sich Henry Mason bei seinem Werk nicht auf eines der bekannten Bühnenwerke stützte, sondern seine eigene Sicht und Erklärung der Dinge aus dem Geschichtsbuch entwickelte.

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Alexandra-Yoana Alexandrova, Lukas Sandmann. Foto: Barbara Palffy für Linzer Landestheater

Dementsprechend kann man die Handlung im Grunde den entsprechenden wikipedia-Einträgen entnehmen oder auch die vorzüglichen ZDF-History-Filme zur britischen Geschichte der Renaissance konsultieren. Natürlich wird zu Beginn dramaturgisch ein „Aufhänger“ gesetzt, indem die Handlung nach einem kurzen, entsprechend dramatischen Vorspiel in die Zelle Marias in der Nacht vor ihrer Hinrichtung blickt. Dann aber wird chronologisch erzählt, von ihrer Geburt mit dem baldigen Tod ihres Vaters angefangen, über ihre Zeit in Frankreich usw. Auch die komplexen Religionswirren in Schottland, gewürzt mit verschiedensten Intrigen von rivalisierenden Gruppen bis hin zum Papst sind theatralisch gut repräsentiert. Dazwischen mischen sich die geheimdienstlichen Einflußnahmen seitens der Londoner Cousine und „bastardischen Thronräuberin“ Elisabeth und ihres MI5-Vorläufers Walsingham.

Der Ansatz Masons ist es, die Parallellen und Gegensätze der beiden Königinnen zu durchleuchten, wozu sie sich oft gleichzeitig auf der Bühne befinden. Das widerspricht zwar der reale Historie, paßt jedoch, ähnlich wie bei Schiller, zu dieser vergleichenden Analyse mit ihren „inneren Dialogen“ dramaturgisch perfekt. Mitunter mischen sich auch Männer mit der Meinung ein, an die Spitze gehörten keine Frauen – ein etwas fragwürdiger Schlenkerer, denn ausgerechnet zur Handlungszeit gab es den historisch höchsten Anteil an weiblichen Regierenden in Europa, immerhin mehr als heute Königinnen und Premierministerinnen.

Sprachlich holpert manchmal etwas an den Gesangstexten des zu großen Teilen durchkomponierten Stückes, andererseits gibt es aber auch die Handlung sehr schön kondensierende Sätze wie „Zwei Königinnen, eine Insel – es war nur eine Frage der Zeit…“, „Eine bleibt hier, eine muß gehen“ oder „Cecil, schaffen Sie mir Beweise!“.

Die Komposition, nicht ohne die Orchestrierung beurteilbar, schwelgt (oft) in den Möglichkeiten, die das ca. 50 Köpfe starke Ensemble (mit besonders reicher Schlaginstrumentengruppe) im Graben klanglich zu bieten imstande ist, und im Sinne der düsteren Geschichte sind auch die tiefen Frequenzen besonders gut vertreten: u. a. durch zwei Große Trommeln und tiefe Tuben; das benutzte Modell heißt im Herstellerkatalog sogar „Fafner“ – und künden, in durchaus an Wagner geschultem Einsatz, Unheil und Bedrohung. Als sich die frisch verwitwete Maria, um der bissigen Schwiegermutter Catherine de Médicis zu entgehen, von Frankreich ins heimatliche Schottland einschifft, huscht eine Kleinigkeit „Peter Grimes“ vorbei, und natürlich kommt auch der bis heute bekannte ungefähre Königinnen-Zeitgenosse John Dowland zu seinem Recht als Tonsetzer, etwa mit dem fünftönigen Leitmotiv für Maria, auch je nach Situation umgekehrt, bis hin zu ihren 5 Schritten zum Schafott. Die Musik ist lebendig, stimmungsklar, Zaufke verfällt kaum einmal auf durch viele heutige Werke dieses Genres spukende Klischeehaftigkeiten.

Tom Bitterlich dirigiert, es spielt das Bruckner Orchester im angehobenen Graben, sehr transparent und instrumental ausgewogen, in perfekter Abstimmung mit der Bühne. Die Qualitäten von Inszenierung und Choreografie durch Simon Eichenberger erinnern durchaus an seine letzte Produktion im Haus, „Titanic“: er kann ebenso gut mit dem großen Format umgehen wie mit intimen Szenen, und die exzellente Besetzung hilft ihm natürlich auch dabei, die persönlichen Interaktionen und spannenden Gefühlswelten plastisch (nicht plakativ) umzusetzen. Das geht bis in kleinste Details der Mimik oder der Ausstattung: als der Earl of Moray den päpstlichen Gesandten Rizzio tötet, hat er plötzlich eine (blut)rote rechte Hand – Tangente zum gleichnamigen Song von Nick Cave und weiter zum „Paradise lost“ des britischen poeta laureatus John Milton.

Stephan Prattes ließ sich für die Bühne von Legostein-Turmkonstruktionen des Sohnes des Regisseurs inspirieren, die in Felsengestalt passend zur britischen Geologie umgesetzt wurden: dunkel, düster, aber auch mit zahlreichen wandelbaren Elementen und Details, die, zusammen mit der plastischen Beleuchtung (Michael Grundner) sozusagen für jeden Zeitpunkt des Geschehens, für jede Situation, eine gut dienliche Lösung anbieten. Mitunter wird die Drehbühne eingesetzt, oft aber agieren auch Bühnenpersonen als Umgestalter der Bauten.

Die Kostüme von Conny Lüders nehmen der Handlungsepoche und der handelnden Gesellschaftsschicht entsprechende Mode her, aber variiert mit teils modernen Materialien, wodurch die Kleidung oft zu einem Kommentar der Figur wird. Besonders augenfällig wird das, als die alte, inzwischen zur weißen Kosmetikmaske verkommene Elizabeth in einem goldenen, krokogeprägten, panzerartigen (also auch für Emotionen zunehmend impermeablen) Kleid dargestellt wird, und der künftige König James, Sohn von Maria, der auf die Seite seiner Tante gewechselt ist, ein Wams aus ebendem Material trägt. Auch um bemerkenswerte Perücken hat sich die Kostüm- und Maskenabteilung gekümmert. Das alles noch dazu unter der erschwerenden Prämisse, daß zahlreiche Akteurinnen und Akteure in mehreren Rollen auftreten und entsprechend anspruchsvolle Umzüge zu bewerkstelligen sind.

Arne Beeker hat als Dramaturg u. a. ein sehr interessantes Programmheft zusammengestellt, das auch den letzten Brief von Mary in Faksimile enthält.

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Daniela Dett. Foto: Barbara Palffy für Linzer Landestheater

Nur wenige Rollen sind exklusiv besetzt. Dies sind die Ensemblemitglieder Alexandra-Yoana Alexandrova als Maria Stuart und Daniela Dett als Elisabeth I. Beide bieten großartige Leistungen, sei es schauspielerisch, sei es stimmlich, von zerbrechlich bis auftrumpfend, von nachdenklich bis machtvoll, von herrisch bis unterwürfig. Christian Fröhlich ist als Elisabeths Staatssekretär William Cecil ebenso gut beschäftigt und bietet den beiden Titelfiguren ein darstellerisch gleichwertiges Gegenstück.

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Alexandra-Yoana Alexandrova und Ensemble. Foto: Barbara Palffy für Linzer Landestheater

Gernot Romic kann als u. a. Henri II., König von Frankreich und als Earl of Moray wieder seine Vielseitigkeit, vom brillanten Sänger bis zur akrobatischen Körperbeherrschung demonstrieren. Im gleich tun es Max Niemeyer (Erzbischof / James V. / Papst Pius V. u. a.) Sanne Mieloo (Marias Mutter Marie de Guise / Kat Astley, 1. Hofdame Elisabeths u. a.), Ariane Swoboda als Catherine de Médicis, Gattin Henris II. u. a. und besonders umfänglich und eindrucksvoll Lukas Sandmann (Dauphin François II. / David Rizzio, Marias Privatsekretär (und Geliebter??) / James VI., Marias Sohn, u. a.

Marias zweiten Mann Lord Darnley u. a. gibt Lucius Wolter, Heinrich VIII. und den Earl of Bothwell, Marias dritten Mann, Karsten Kenzel, beide ebenso präzise wie Enrico Treuse als Elisabeths Geheimdienstchef Walsingham.

Marias Hofdamen sind Gabriela Ryffel, Valerie Luksch, Livia Wrede und Lynsey Thurgar. Earl of Leicester, Elisabeths Geliebter, und als Bonbondealer mitschuld an deren Gebißverfall sowie Anthony Babington, Verschwörer: Joel Parnis.

In kleineren Rollen, auch Ensemble, Kevin Arand, Maximilian Klakow, Sarah Zippusch, Ulrike Figgener, Stefan Gregor Schmitz und Matteo Vigna, Kleine Maria / Kleiner James Leonie Cydlik, Junger James Raphael Naveau.

Der Extrachor des Landestheaters wurde von David Alexander Barnard einstudiert.

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Schlussapplaus Ensemble. Foto: Petra und Helmut Huber

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Schlussapplaus Autoren. Foto: Petra und Helmut Huber

Oftmals Szenenapplaus, endlich nach gut drei Stunden begeisterter Jubel, standing ovation für ein prachtvoll gelungenes neues Werk, auch für das Produktionsteam und die Autoren. Und dann noch einmal ein kräftiger Nachschlag davon bei der Premierenfeier, in der Intendant Hermann Schneider auch die Leistungen der vielen Assistenzen und der Inspizientin Susanne Pauzenberger hervorhob.

Petra und Helmut Huber

 

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