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LINZ/ Musiktheater des Landestheaters: „DIE GERISSENE FÜCHSIN (Příhody lišky Bystroušky – Ereignisse um die Füchsin Schlaukopf)“ – Premiere

30.03.2025 | Oper in Österreich

Linz: „DIE GERISSENE FÜCHSIN (Příhody lišky Bystroušky – Ereignisse um die Füchsin Schlaukopf)“ – Premiere im Musiktheater des Landestheaters Linz, Großer Saal, 29. 03.2025

Oper in drei Akten mit Text und Musik von Leoš Janáček nach der Bildgeschichte Liška Bystrouška (Die scharfsinnige Füchsin) des Dichters Rudolf Těsnohlídek und des Zeichners Stanislav Lolek.

In deutscher Sprache, erste Übersetzung (und Bearbeitung) durch Max Brod, neue Textfassung von Regisseur Peter Konwitschny und Dramaturg Christoph Blitt.

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Carina Tyberg-Madsen. Foto: Reinhard Winkler für Landestheater

Das 1924 uraufgeführte Werk war 50 Jahre später erstmals in Linz zu erleben und wurde im März 2011 nochmals inszeniert. Zumindest in letzterem Falle in der Originalsprache – man hatte mit Katarina Hebelková ja auch eine erstklassige muttersprachliche Titelrollenbesetzung. Die Sprache ist ja bei Janáček besonders wichtig, denn er hatte es sich definitiv zur Aufgabe gemacht, für die sängerisch nicht einfache, recht spezifische Sprachmelodie des Tschechischen zu komponieren. Eine Aufführung auf Deutsch kann also daher immer nur eine musikalisch suboptimale Krücke sein und ist in Zeiten von Mitlauftext und Sprachcoaching eigentlich auch im bescheidensten Theater unnötig. Zudem sind die schon 1927 durch Brod vorgenommenen Eingriffe zu bedenken. Wenn man dann dazu nicht nur versucht, heutige Jugendsprache unterzubringen, sondern auch noch eine Vielzahl spezifisch bundesdeutscher Begriffe zu verwenden, um nicht zu sagen, „Piefkonismen“, ist das bestenfalls patschert, wenn nicht gar zerstörerisch. Aber: „Der viel strapazierte Begriff der ‚Werktreue‘ kann nur ein Phantom sein, dem nachzujagen verlorene Liebesmüh ist. Und seien wir doch einmal ehrlich: Dem Buchstaben eines Textbuchs nachzueifern, bringt doch wenig„, schrieb Christoph Blitt vor einigen Jahren im Magazin des Landestheaters. Na wenn er meint…

Vom Wald, der im Text und vor allem der Musik so eindrücklich vorkommt, ist auf der Bühne (Timo Dentler) nichts zu sehen. Die Drehbühne ist besetzt von halbzerfallener Industriearchitektur der 1930er, die sich allerdings bei näherer Betrachtung als Ansammlung von Versandkartons herausstellt. Sollen wir denken, daß die Bühnenpersonen alles Zwerge sind? Der Erste Blick nach Öffnung des Vorhanges fällt auf ein Bordell namens „Foxy’s“; na gut, wenigstens kann das Produktionsteam kalauern. Davor wartet eine käufliche Dame namens „Blaue Libelle“ (Katharina Leitner-Hanetseder) und vertreibt sich die Zeit mit einem frisch angesetzten Heroinjauckerl. Ihre Tochter wird derweil vom Förster bzw. Polizisten, der auch ihr Kunde ist, einkassiert.

Die Handlung hält sich in gröberen Zügen ans Original, aber da man meist die Tiere weder seitens der zur Ubikation passend vorstädtisch-ärmlich-abgefuckten Kostümierung (Okarina Peter) noch des Textes von den Menschenrollen differenzieren kann, verdampft das Fabel-hafte der ursprünglichen Werkidee; das Resultat ist demgemäß auch nicht fabelhaft. Viele Rollen wurden in andere Stimmlagen transponiert. Auch kommt der Tod der Titelfigur deutlich unterschiedlich zur Originalhandlung, nämlich im Zuge eines Vergewaltigungsversuches an der Füchsin durch Harašta. Soweit erkennbar sind nur die Wirtshausszenen unverfälschter Janáček bzw. Brod, der Rest wurde mehr oder weniger stark umgeschrieben.

Was nicht heißen soll, daß da nicht kompetente Theaterleute am Werken waren: die Sonnenblumen-Täuschung z. B. wurde witzig in Abstimmung mit der gewählten Umgebung inszeniert, und generell funktioniert die Personenführung, auch abseits einiger spektakulärer breakdance-Szenen, sehr gut. Und das Finale – szenisch auf eine Totenklage des Försters am Grabe seiner Gattin abgeändert und mit dessen eigenen Tod endend – gerät, dank des hervorragenden Darstellers, bewegend.

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Adam Kim, Michael Wagner. Foto: Reinhard Winkler für Landestheater

Adam Kim singt und spielt diesen aus dem Wald in düstere Straßen versetzten Ordnungshüter mit prachtvollem und kräftigem, dabei sehr feinfühlig moduliertem Bariton und ist damit fast gleich der Titelrolle präsent. Seine Gattin (Manuela Leonhartsberger) hat nur wenige Aufgaben auf der Bühne zu absolvieren.

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Carina Tyberg-Madsen und die Breakdancer. Foto: Reinhard Winkler für Landestheater

Die Titelrolle wird von Carina Tybjerg Madsen mit ebenso samtiger wie bei Bedarf kräftiger Stimme und feinster Modulation gesungen und mit einnehmender Frische gespielt. Fuchs „Goldrücken“ ist für den lyrischen Tenor SeungJick Kim eine lohnende Aufgabe, die er mit Bravour wahrnimmt – auch wenn diese Rolle eigentlich einem Sopran zugedacht ist.

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Dominik Nekel, Adam Kim, Christian Drescher. Foto: Reinhard Winkler für Landestheater

Der desillusionierte Schulmeister ist Christian Drescher, auch er mit überzeugender Leistung, was auch über den betrogenen Pfarrer von Dominik Nekel festzustellen ist. Landstreicher Harašta ist mit Michael Wagner absolut erstklassig besetzt – er macht seinen kurzen Auftritt nach der Pause nicht nur handlungsseits gewichtig, sondern glänzt auch mit detailliertem Schauspiel und druckvoller Stimme.

Yongcheol Kim und Gotho Griesmeier sind ein sehr glaubwürdiges Wirtsehepaar. Seppl (Pepík), des Försters Enkel und Franzl (Frantík), dessen Freund, sind mit Gyrdir Viktorsson und Christoph Gerhardus deutlich erwachsener besetzt als ursprünglich vorgesehen. Die kleine Füchsin wird von Sophia Hochrainer kompetent dargestellt.

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Carina Tyberg-Madsen, SeungJick Kim. Foto: Reinhard Winkler für Landestheater

Xiaofang Zhao (Grille), Saskia Maas (Heuschreck), Jonathan Hohenwallner (Junger Frosch), Martin Enger Holm (Mücke) dürfen nur dem Rollennamen nach Tiere sein, szenisch fallen sie nicht als solche auf. Und uns den großgewachsenen Domen Fajfar als Dackel verkaufen zu wollen, ist eigenwillig – auch wenn die Rolle hier als „Hilfsarbeiter beim Förster“ definiert ist. Der Hahn (Sergey Kanygin) ist kein Hahn, sondern Bürovorsteher, die Schopfhenne (nochmals Gotho Griesmeier) seine Assistentin – warum die Füchsin auf der Flucht die beiden und vier weitere (Büro)Hühner erschießt, wird nicht so recht klar.

Weitere Un-Tiere sind: ein Dachs/Hausbesitzer (Ulf Bunde), Specht/Notar (Karina Jay Bailey) sowie die zwei Klatschweiber Eule und Eichelhäher (Alina Martemianova, Sarah Redlhammer). Als Breakdancer verblüffen Stefan Buchroithner, Julius Dirnberger, Daniel Haghofer, Jonas Kriegner, Lilli Kupetzius, Fabienne Paul, Fabian Schleindl, Philipp Sebinger und Jeremy Zimmermann (Choreografie: Stefan Buchroithner).

Vorzüglich einstudiert sind Chor und Kinder- und Jugendchor des Landestheaters (David Alexander Barnard, Elena Pierini) sowie die Statisterie.

Das Bruckner Orchester klingt unter Markus Poschner fantastisch mit samtigen Streichern und sauberstem Blech, aufregender Dynamik und bewegender Lyrik – auch mit Janáček schaffen diese Partner eine wundersame Einheit, mit einfühlsamer Einbeziehung der Bühnenstimmen zum großartigen Ganzen

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Schlussapplaus mit Produktionsteam. Foto: Petra und Helmut Huber

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Premierenfeier mit Intendant und Hauptdarstellerin. Foto: Petra und Helmut Huber

Reicher Applaus für Stimmen und Orchester mit seinem Dirigenten, gedämpfter und garniert mit einigen Unmutsäußerungen für das Produktionsteam.

 

Petra und Helmut Huber

 

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