Linz: „DES RITTERS TRAUM“ – Uraufführung im Musiktheater des Landestheaters Linz, Black Box, 29. 06.2024
Romantische Oper in drei Aufzügen von Christoph Blitt, Musik von Anton Bruckner, arrangiert und am Klavier aufgeführt von Benedikt Ofner
Christoph Blitt, Hermann Schneider. Foto: Petra und Helmut Huber
Natürlich ist es schon einmal eine gute Idee, am bislang heißesten Tag des Jahres in ein Kellertheater zu gehen. Die Black Box des Linzer Musiktheaters ist ein weit überdurchschnittlich großes und technisch ausgestattetes Exemplar dieser Gattung.
Die Reihe „Oper am Klavier“, in der überwiegend die Kräfte des Opernstudios eingesetzt werden, mit selten aufgeführtem Material, ist in dieser Saison den Spuren Anton Bruckners in der Welt des Musiktheaters gewidmet: Man führte Werke der unmittelbaren Bruckner-Schüler Max von Oberleithner und Fritz Kreisler auf, sowie – als Uraufführung! – ein Werk der 1950 verstorbenen Linzerin Hedda Wagner, die beim Bruckner-Schüler Franz Hayböck studiert hatte. Heute wird es eine weitere Erstaufführung, sozusagen ein „Waswärewenn“-Werk, geben. Der 1824 geborene Meister aus Ansfelden war ja weltbewegender Kirchenmusiker, Organist und Symphoniker – aber nach einem musikdramatischen Werk sucht man in seinem Oeuvre vergebens, obwohl er in einem musikgeschichtlichen Zeitabschnitt lebte, den man gut auch als Jahrhundert der (großen, romantischen) Oper bezeichnen könnte.
Das hat das team des Landestheaters Linz auf die Idee gebracht, anhand passender Passagen in Bruckners Werk eine romantische Oper zu konstruieren. Nicht ohne wissenschaftlich-analytische „Hintergedanken“, freilich: „Um den Fragen nach der Dramatik und der Emotionalität in Bruckners Musik intensiver nachzuspüren, wird Musiktheaterdramaturg Christoph Blitt zu Beginn der Veranstaltung mit zwei ausgewiesenen Experten zu diesen Themenfeldern ins Gespräch kommen.“, so die LTL-website. Am heutigen Abend ist das Intendant Hermann Schneider, beim zweiten Termin wird Bruckner-Orchester-Vorstand und Ausstellungskurator Norbert Trawöger da sein.
Die Gedanken Schneiders zu Bruckner: Weil Bruckner nie in der städtischen, gutbürgerlichen, höfischen Welt angekommen ist, wird er auch nicht aufs Musiktheater gekommen sein; Bruckner sei kein Dramatiker, sondern Epiker. Die Dialektik zwischen Solisten und Orchester war ihm fremd. Auch Brahms schrieb keine Opern, aber beschrieb die Dramatik des Individuums im Lied. Bruckner ging aber gerne in die Oper, nicht nur Wagner, und natürlich war da die Uraufführung des Meistersinger-Finales unter seiner Leitung in Linz… Und: ein Tiefreligiöser hat vielleicht schon alle Lösungen parat und braucht diese nicht auf der Bühne zu entwickeln?
Herr Blitt zur Entstehung dieses Experimentes: Die Geschichte stammt aus der Literatur, die Bruckner las, der sich auch mit möglichen Opernstoffen beschäftigt hat, etwa aus der Zeit der Kreuzzüge, Kotzebue u. a. An die Namen kam Blitt über die Pseudoabsender von Jahre zurückliegenden spam-mails! Die mit einer guten Prise Humor entworfene Handlung ist eine schöne Mischung aus Gruselgeschichte und moralischem Lehrstück, in dem eine üble Intrige durch Beherztheit und Ratio zerstört wird. Und die Texte wurden exzellent in die Musik eingepaßt!
Benedikt Ofner, Martin Enger Holm, Zuzana Petrasová, Felix Lodel. Foto: Petra und Helmut Huber
Freundlicherweise wurde auch eine Musikliste der „gefledderten“ Kompositionen (Schneider) dem Programm beigelegt. Man begann mit Ausschnitten aus der 2. Symphonie, ein Terzett Adelaide/Medwin/Wendell war zum Trio aus dem 3. Satz der 6. gesetzt, und Adelaide sang eine Art Rachearie zum Scherzo der 1. Symphonie. Auch auf die 3. und die 7. wurde, bestens angepaßt, zurückgegriffen. Wirtstochter Franzi sang zum „Steiermärker“ WAB 122, ferner erklang ein Marsch Nr. 96 und die Quadrille Nr. 120. Zum Finale war Bruckner pur zu hören: „Wer im Busen nicht die Flamme“ WAB 66, ein vierstimmiger a-capella-Chor.
Der gut fundierte Baßbariton Felix Lodel gestaltete differenziert zwei Personen: Kern Edler zu Cosmann und Wendell Bettelhauser, Diener des Ritters Medwin von Bormann, welch letzterer vom lyrischen Tenor Martin Enger Holm fein und schön timbriert gestaltet wurde. Die Schurkin Reichsgräfin Adelaide von Brandau wurde vom Mezzosporan Zuzana Petrasová plastisch und stimmschön auf die Bühne gestellt. Saskia Maas sorgte mit ihrem blühenden Sopran als Ermengarde von Bliedenthal, auch „die weiße Frau“, für berührende Momente, und Sophie Bareis erwies sich mit der Franzi als hervorragende Soubrette. Leider ohne Namensnennung der Verantwortlichen (hat das auch Herr Blitt arrangiert?): geschickt eingesetzte Kostümfragmente und passend projizierte Hintergründe, wohl alten Buchillustrationen mit Ritterromanen entnommen.
Benedikt Ofner gestaltete die komplexen Klangwelten Bruckners am Klavier mit Präzision und Klangfülle und hatte auch die Koordination mit Sängerinnen und Sängern perfekt im Griff. Christoph Blitt bewährte sich auch noch als Erzähler, der die Verbindung zwischen den Musikstücken herstellte.
Schlussapplaus. Foto: Petra und Helmut Huber
Nach pausenlosen 1½ Stunden mit interessanten Gesprächen und einem ebenso unterhaltsamen wie musikalisch und dramatisch überraschend stimmigen Opernexperiment spendete das eher spärliche Publikum begeistert Applaus.
Eine Wiederholung gibt es am Mittwoch, 3. Juli, 20 Uhr.
Petra und Helmut Huber