Linz: „ADAM UND EVA“ – Premiere im Musiktheater des Landestheaters Linz, Black Box, 29. 11.2025
Musiktheater in einem Vorspiel und drei Akten von Anne-May Krüger nach Peter Hacks’ gleichnamiger Komödie, Musik von Mike Svoboda
Kooperation mit den Schwetzinger SWR Festspielen
In deutscher und englischer Sprache mit Übertiteln; österreichische Erstaufführung

Tina-Josephine Jaeger und Chor. Foto: Herwig Prammer

Gott mit Entourage Satanael, Adam, Eva. Foto: Herwig Prammer
Peter Hacks mag ein DDR-regimekonformer Marxist und Hegelist gewesen sein – aber andererseits war er an Pocci, Shaw, Shakespeare, den griechischen und deutschen Klassikern sowie französischen Bühnenautoren interessiert. Auf dieser Basis brachte er eine quasi Alltagsgeschichte 1973 in Dresden auf die Bühne, die er in den wohl bekanntesten Abschnitt des Alten Testaments kleidete – damit aber schon auch (wohl unwillentlich) an der Mauer meißelte, denn eigentlich wollte ja die SED dem Staatsvolk ohnedies und dauerhaft die Entscheidung über Gut und Böse abnehmen …
Oder wie sollte man Folgendes verstehen: „Was, wenn der Sündenfall kein tragischer Fehltritt war, sondern notwendige Voraussetzung auf dem Weg des Menschen zur Freiheit?… Der Mensch bricht mit Gott, erschafft sich selbst und wird damit diesem gleich. Mit der Entscheidung, von Gut und Böse wissen zu wollen, übernehmen Eva und Adam von nun an und für immer die Verantwortung für ihr eigenes Tun. Der Biss in den Apfel als emanzipatorischer Akt! Und sie erfahren sofort, welch schmerzhafte Zustände dies Wissen mit sich bringt. Der neuen Zerrissenheit begegnen sie in ihrer gleichfalls neuen vollkommen unvollkommenen Art und Weise: gewitzt, empathisch, nachdenklich, liebevoll, frech und wenn es sein muss auch verlogen. Menschsein ist mühsam, noch dazu läuft nun die Zeit – man weiß vom Tod! Und muss sich beständig dunkler wie heller Mächte erwehren. Doch während Satanael und Gabriel noch gegeneinander sowie um die Menschen ringen, zieht Gott sich zunehmend aus dem Geschehen zurück. Der Allmächtige überlässt sie ihrem selbstgewählten Schicksal – und den dialektischen Schlaumeiereien zweier Einhörner.“ (www.mikesvoboda.net)
Das Stück wurde in der Saison 1973/74 auch mehrfach in der BRD inszeniert, allerdings nicht zur kritischen Begeisterung: „… vielleicht sollte man lieber ohne biblischen Zierat fragen, ob die Antwort auf einmal verhängtes Schweigen zwangsläufig das szenische Schwätzchen sein muss. Jeder Gesellschaft die Ammenmärchen, die sie verdient.“ ätzte Hellmuth Karasek im „Spiegel“ Nr. 41/1973.
Was aber nicht ausschließt, dass man ein genießbares Stück Musiktheater draus machen kann – alleine schon die notwendig anderen dramaturgischen Akzente sollten die von Karasek monierte Schwätzchenhaftigkeit drastisch eindämmen. Jedenfalls hat sich der 1960 auf Guam geborene, vielseitig talentierte Mike Svoboda des durch seine Gattin Anne-May Krüger bearbeiteten Textes angenommen, mit dramaturgischer Unterstützung durch Christoph Blitt. Das Stück wurde am 2. Mai 2025 auf Schloss Schwetzingen mit der auch heute aktiven Bühnen- und Produktionsbesetzung uraufgeführt; das Dirigat oblag dem Komponisten, und es spielte das Orchester des Hessischen Rundfunks.
Der Komponist studierte zunächst in Chicago (University of Illinois), ging mit einem Stipendiumsgewinn nach Europa und war dann 12 Jahre Mitarbeiter von Karlheinz Stockhausen. Er komponiert lt. Kritikereinschätzung in musikalischen Welten „von Helmut Lachenmann bis Andrew Lloyd Webber, von Jazz bis Minimal Music“. Jedenfalls beweist er (nach Verfassung mehrerer Kinderopern) in diesem Werk – auch ohne viele melodiöse Stellen – eine gute Hand für musikalische Dramatik. Die freie Tonalität und ebensolche Rhythmik sind hervorragend mit dem Text verwoben und emotionell höchst ausdrucksstark – langweilig wird einem keinen Augenblick lang!
Dazu trägt natürlich auch die präzise musikalische Leitung durch Daniel Strahilevitz bei, der eine ca. 20-köpfige Auswahl des Bruckner-Orchesters leitet, die auch einige weniger orchesterübliche Instrumente wie Vibraphon und Akkordeon mitgebracht hat.
Die kurz vor der Uraufführung des Theaterstückes in Dresden geborene Andrea Moses hat inszeniert: plausible und humorvoll detaillierte Personenführung, trotz der nicht ganz studiohaften, aber doch technisch eingeschränkten Bühnensituation auch lebendige Spielflächennutzung und -gestaltung (Bühne: Heike Vollmer – besonders aufwendig das in der Pause von der Statisterie geradezu liebevoll plastikvermüllte „Nicht-Paradies“!). Zu Beginn sind die Titelfiguren im Schutze wie Gefängnis einer Art Terrarium mit Gazewänden untergebracht. Der „gute“ und der „böse“ Erzengel kämpfen, mitunter auch per playstation, gegeneinander. Video davon sowie viele andere handlungsdienliche Bilder und Graphiken: Sarah Derendinger. Auch die Kostüme von Anja Rabes decken sich in Ausdruckskraft, schrägem Humor (mit einem Ableger des Faninal-Kostüms der laufenden Rosenkavalier-Produktion) und teils großem Aufwand mit dieser, für diesen Raum überdurchschnittlich prächtigen, Produktion. Stimmungsreiches Lichtdesign: Paul Grilj.

Morgane Heyse, Sebastian Hufschmidt, Alexander York, Chor. Foto: Herwig Prammer
Koloratursopran Morgane Heyse ist ein sportlich-quicklebendiger Erzengel Gabriel, nicht nur in ihrem stimmlichen Metier vorzüglich, sondern auch in etlichen Sprechgesangsstellen. Ihr in allen Belangen adäquater Gegner ist der Satanel des Mezzo Manuela Leonhartsberger. Tina Josephine Jaeger zeigt als Eva erneut eine großartige Leistung mit ihrem ausdrucksstarken, perfekt kontrollierten Sopran und intensivem Schauspiel. Auch Alexander York ist als Adam auf den Punkt perfekt besetzt – stimmlich wie mit immensem körperlichen Einsatz. In der Black Box spielt sich ja alles auf beschränktem Raum ab, und mit dem seitlich der Bühne gesetzten Orchester kommt das Bühnengeschehen auf einen Meter an die erste Zuschauerreihe heran!

Morgane Heyse, Manuela Leonhartsberger. Foto: Herwig Prammer
Zwei „Einhörner“ (Génesis Beatriz López Da Silva und Felix Lodel) kommen in abwechslungsreichen Kostümvariationen zu kurzen intermezzi auf die Bühne, um mit ihren vorzüglich geführten Stimmen (Alt und Baß) das Geschehen zu kommentieren und zu ironisieren. 12 Damen und Herren des Extrachores des Landestheaters (Elena Pierini) treten im Vorspiel im Himmel (Goethes „Faust“ entrinnt man in Deutschland eben nicht!) zunächst als Gottes ernsthafte Entourage auf, dann, nach dem Apfelbiss, gerieren sie sich aber auch weltlich-allzuweltlich …

E12 Genesis B L da-Silva Felix Lodel-©-Philip-Brunnader.
Gott ist eine Sprechrolle, die den Schöpfer nicht immer als Herren der Situation zeigt – von Sebastian Hufschmidt in zahlreichen Nuancen feinst aufgefächert. Auch er, wie die singenden Vorgenannten, mit reichlich Text befasst, der sehr gut artikuliert wird.
Lautstarker und langer Applaus für Ausführende und Produktionsteam.

Schlussapplaus Protagonisten. Foto: Petra und Helmut Huber

Schlussapplaus mit Produktionsteam. Foto: Petra und Helmut Huber
Petra und Helmut Huber

