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LINZ/ Musiktheater/Black Box: COSÌ FAN TUTTE ossia LA SCUOLA DEGLI AMANTI“, Premiere

Premiere des oberösterreichischen Operstudios am Musiktheater des Landestheaters

11.06.2018 | Oper


Julia Grüter, Isabell Czarnecki. Copyright: Sakher Almonem

Linz:„COSÌ FAN TUTTE ossia LA SCUOLA DEGLI AMANTI“– Premiere des oberösterreichischen Operstudios am Musiktheater des Landestheaters, Black Box, 10. 06.2018

Drammagiococoin zwei Akten, Libretto vonLorenzo da Ponte, Musik von Wolfgang Amadé Mozart

Gesungen in Italienisch, Zwischentexte und einige Rezitative in Deutsch – oder auch nicht, und die Untertitelung schüttelt manchmal den Kopf…

Im Uraufführungsjahr 1790 stand im Weimarer „Journal des Luxus und der Moden“ zu lesen, daß es am Operntheater ein neues, vortreffliches Werk gäbe – und „von der Musik sei alles (damit) gesagt,daß sie von Mozart ist“.  Trotzdem gab es bald auch Einwände gegen das „alberne und unanständige Textbuch“ – da Ponte war wohl in Wirklichkeit einmal mehr ein genauerer und realistischerer Beobachter und Beschreiber, als es die damalige (und auch spätere) Zeiten und die jeweiligen Meinungsinhaberwahr haben wollten.

Diese Produktion stellt die„Abschlußarbeit“ der aktuellen Besetzung des OÖ. Opernstudios dar.Der international renommierte Regisseur François De Carpentries hat den „Zöglingen“ alles abverlangt – undnoch mehrvon ihnen bekommen!


Ilia Staple, Justus Seeger. Copyright: Sakher Almonem

Die Rolle des Don Alfonso wird zu einem „Don Alfonso Da Ponte“ erweitert, der – in ausführlichem, aber durchaus kurzweilig und satirisch zugespitztem Text – seinExperiment mit Gefühlen, Hormonen, Genen und den weiblichen Seiten der Herren sowie den männlichen Seiten der Frauen erklärt (Dramaturgie Ulrike Aistleitner). Justus Seeger beherrscht nicht nur diese beachtliche Textmenge technisch und ausdrucksstark, er mischt sich auf köstliche Weise auch noch in die Rollen anderer hinein; daß er seine eigentliche Gesangsrolle in mozartgerechter Phrasierung und Textdeutlichkeit vorzüglichverkörpert, muß auch noch unterstrichen werden.

Aber der Reihe nach: während der Ouverture sieht man die beiden Original-Liebespaare gelangweilt („Langeweile ist die Schwerkraft der Zeit“ klärt uns Alfonso später auf) vor dem Fernseher fläzen; sie sind mit labbrigen Trainingsanzügen angetan, was auf das boshaft-realistische dictum von Karl Lagerfeld verweisen mag „wer im Trainigsanzug auf die Straße geht, hat die Kontrolle über sein Leben verloren“. Und die Kontrolle über ihr Leben verlieren sie ja recht schnell, wenn Alfonso als barocker Philosoph, Physiker und Mathematiker auftritt, und er versetzt umgehend auch seine Probanden in diese Zeit; epocheentsprechendeKostümeund eine an damaligeBühnenstilistik gemahnende Versatzstücke in der studiohaften „Black Box“: Karine Van Hercke.Die Lichtstimmungen entwarfen François De Carpentries und Ivo Iossifov.

Überhaupt diese wandlungsfähige Black Box: wir haben bisher ca. 10 verschiedene Produktionen dort erlebt, wobei der Raum wohl in 8 grundverschiedenen Konfigurationen arrangiert war. Diesmal sind zwei Bühnenflächen aufgebaut (eine davon wird in der Pause umgebaut), das Bruckner Orchester sitzt (physisch, nicht akustisch) abseits rechts auf einer Empore. Auf unmittelbar angrenzenden 7 Tribünenreihen finden wohl nur etwas weniger als 200 Zuseher Platz, weswegen bereits 7 von geplanten 10 Vorstellungen ausverkauft sind. Der intime Rahmen und die Unmittelbarkeit des Kontaktes zwischen Protagonisten und Publikum passen jedenfalls hervorragend zu dem Kammerspiel, das Lorenzo da Ponte hier aufbaut (und de Carpentrieszu einem köstlichen Finale zuspitzt).

Die fast standhafte Fiordiligi wird von Julia Grüter mit berückender Lyrik und aufregend dramatischem Auftrumpfen in „Come scoglio“ verkörpert, behält in allen Lagen wunderbare Stimmkontrolle und ist genauso brillant als Schauspielerin – das Fehlen des Orchestergrabens leiht den Zusehern quasi eine Lupe dafür. Schwesterherz Dorabella wird von Isabell Czarnecki mit ebenso kompletter Perfektion gegeben – ihr Mezzokommt voll, rund und samtig, ein Genuß!


Xiaoke Hu, Julia Grüter. Copyright: Sakher Almonem

Rastislav Lalinsky ist ein stimmlich vorzüglich abgerundeter, lustvoll spielerischer Guglielmo. Das Timbre von Xiaoke Hu (Ferrando) mag gewöhnungsbedürftig sein; seine Lyrik, die er etwa in „Unauraamorosa“ legt, ist dessen ungeachtet vom Feinsten, und seine Fähigkeiten als Tenorbuffo, schon oft demonstriert, spielt er auch hier wieder überzeugend aus.


Isabell Czarnecki, Rastislav Lalynsky. Copyright: Sakher Almonem

Und dann noch Despina, die mit allen Wassern gewaschene Assistentin des maliziösen „Sozialwissenschafters“ Alfonso in der harmlosen Gestalt einer Kammerzofe: Ilia Staple liefert mit ihren stimmlichen und komödiantischen Fähigkeiten dasSpitzlicht dieser Produktion, samt ihren schon leicht ins Wahnwitzige gehenden Auftritten als Dr. Mesmer oder Notar. Damen der Statisterie helfen als „Kolleginnen“ von Despina szenisch und bühnentechnisch aus.

Mit vielen schrägen Details wird das klassische Strickmuster der Oper, zum ausgesprochen großen Vergnügen des Publikums, durchkreuzt und konterkariert – nicht zuletzt durch verrückte Effekte und Spielereien mit den Untertiteln (etwa in den, im übrigen präzise quecksilberartig perlenden, Ensembles, wenn es heißt: „alle singen durcheinander, das schaffen wir nimmer“). Und zahlreiche gags, von denen einige vielleicht nicht ganz jugendfrei sind, werden mit entwaffnendem Charme serviert – da ist nichts Plumpes oder Grobes dabei, aber jede Menge Tempo, trotz drei Stunden netto-Aufführungsdauer!

Die mozartgemäß elegante und dabei präzise musikalische Leitung obliegt Takeshi Moriuchi, der die wenigen klassisch dargebrachten recitativiauch am Hammerklavier begleitet, und bei Stücken wie „Soave siailvento“ für ein himmlisches Atmen des Orchesters im Einklang mit den vorzüglichen Stimmen sorgt. Trotz des unkonventionellen räumlichen Arrangements gibt es auch an der Koordination zwischen Bühne und Orchester kaum etwas auszusetzen.

Tobende und lange anhaltende Begeisterung des Publikums – die 200 Leute haben fast so viel Radau gemacht wie ein volles Großes Haus…! Leider mischt sich da als Wermutstropfen hinein, daß der Großteil dieses vorzüglichen Jungensembles nun in alle Windrichtungen wegengagiert wurde. Ihre„Abschlußprüfung“ hier in Linz, mit einer Mozart-Oper, die nur mit perfekten Darstellern funktionieren kann, haben sie freilich mit Bravour und Auszeichnung absolviert!

Petra und Helmut Huber

 

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