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LINZ/ Musiktheater: BENJAMIN BUTTON von Reinhard Febel. Zweite Vostellung

14.04.2024 | Oper in Österreich

LINZ/ MUSIKTHEATER : BENJAMIN BUTTON von Reinhard Febel

 am 13.4. 2024 (Zweite Vorstellung)

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Party bei den Buttons. Foto: Reinhard Winkler für Musiktheater

 Eines der vielen Verdienste des Linzer Musiktheater-Intendanten Herrmann Schneider ist sein unerschütterlicher Glaube an zeitgenössische Opern, und mit beharrlicher Konsequenz führt er eigentlich jedes Jahr ein neues Auftragswerk auf. Das ist natürlich mit Risken verbunden, aber heuer hat sich das Risiko voll ausgezahlt: die Uraufführung von Febels „Benjamin Button“ in der (ein weiteres Verdienst) eigenen Regie des Hausherrn gestaltete sich zum vollen Erfolg bei Publikum und Presse.

„Benjamin Button“ : Sie wissen schon, das ist jener Film (nach einer Novelle von F. Scott Fitzgerald) mit Brad Pitt in der Hauptrolle, in dem die Geschichte eines Mannes erzählt wird, der als Greis zur Welt kommt und als Baby stirbt. Als jemand, der diesen Film nicht gesehen hat, frug ich mich natürlich anfänglich, ob das wirklich ein geeignetes Opernsujet wäre. Die Idee ist ja zugegebenermaßen originell (und einzigartig), aber wie „walzt“ man sie auf einen zweistündige

Handlung aus ? Und wie stellt man den auf dem Theater, wo man ja über keinerlei special effects verfügt, den galoppierenden Verjüngungsprozess glaubwürdig da ?

Um es gleich vorwegzunehmen: all diese Bedenken erwiesen sich erfreulicherweise als unbegründet, denn das Leading Team hatte für all diese Probleme geschickte und kreative Lösungen parat.

Da ist einmal das vom Komponisten selbst verfasste Libretto. Das ist ja bekanntlich nicht immer von Vorteil, in diesem Fall aber ist es die Grundlage für das Gelingen der Produktion.Es ist verknappt, sprachlich brillant (kein Gramm textliches Fett) und es kostet alle komischen und tragischen Situationen, die sich durch dieses „rückwärts gelebte Leben“ ergeben, genüsslich aus.

Und dann ist da natürlich die inspirierte, ganze Epochen durchmessende, nie banale, nie „donaueschingende“, sehr schlagzeugbasierte Musik des Libretto-Autors.

Die begeisterten Kritiker rieben sich Augen und Ohren und wunderten sich, wo sich Felbel, der ja immer hin schon 72 ist und jahrzehntelang am Salzburger Mozarteum Komposition unterrichtet hat, die ganze Zeit versteckt habe, um solange unter dem Radar der zeitgenössischen Musik „durchzutauchen“.Aber wahrscheinlich hat der gute Mann einfach kein großes Selbstdarstellungsbedürfnis.

Musik und Text: toll. Gesang und Schauspiel bis in die kleinsten Nebenrollen (Fenja Lukas, Manuela Leonhartsberger) hinein: top besetzt. Bühnenbild (Dieter Richter), Kostüme (Meentje Nielsen) und Licht (Johann Hofbauer) brillant. Herrmann Schneiders Regie: sensibel, aufmerksam, detailgenau und liebevoll (vielleicht die beste, die man von ihm bisher gesehen hat).

Das Bewegendste an dem ganzen perfekten Abend ist zweifellos die unmögliche Liebesgeschichte zwischen Benjamin Button (Martin Achrainer) und Hildegarde Montcrief (Carina Tybjerg Madsen). Denn aufgrund ihrer gegenläufigen Lebensrichtungen ist Hildegarde (schrecklicher Name) zuerst seine Freundin, dann seine Frau, aber später, wenn Benji wieder zum Kind wird, seine „Tante“ und sogar „Großmutter“ und steht am Schluss ganz allein auf leerer Bühne, als einzige Trägerin der Erinnerung. Tragisch und herzzerreißend.

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Die zurückgelassene Hildegarde. Foto: Reinhard Winkler für Musiktheater

Was soll man sagen: selbst beim schlechtesten Willen findet man an der Aufführung nix auszusetzen (außer vielleicht, dass sie ein wenig zu kurz ist: man hätte gerne noch zumindest eine halbe Stunde lang zugehört und zugesehen.).

Eine rundum gelungene Produktion, die – wenn andere Intendanten auch so mutig wären – genauso, wie sie ist, sofort an andere Theater übernommen werden könnte.

Denn diese neue Oper hat absolut das Zeug zum Klassiker der Moderne…

 

Robert Quitta, Linz (das dank des Wienerwaldtunnels nur noch 90 Minuten per Bahn von Wien entfernt ist – und das Musiktheater liegt gleich neben dem Bahnhof)

Robert Quitta

 

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