
Enrico Treuse (Dewey) und Ensemble. Alle Fotos: Landestheater Linz / Reinhard Winkler
LINZ / Musiktheater: Andrew L. Webbers SCHOOL OF ROCK
8. September 2023 – Voraufführung (Premiere 9.9. 2023)
Von Manfred A. Schmid
Wieder einmal hatte die Musicalsparte des Landestheaters Linz die Nase vorn und sich die Rechte für die deutschsprachige Erstaufführung des Musicals School of Rock von Andrew Lloyd Webber gesichert: Ein glänzender Start in die Herbstsaison. School of Rock kam 2015 am Broadway heraus und nicht, wie bei Webber üblich, in London. Angeblich, weil in den USA die Richtlinien für Kinderarbeit flexibler und weniger streng gehandhabt werden als im Vereinigten Königreich. Tatsächlich sind die vierzehn Volksschul- und Unterstufenschüler die wahren Stars der Aufführung. In Linz muss es heuer im Sommer wohl nicht nur klimamäßig besonders heiß hergegangen sein, denn die intensive, vermutlich tolle und manchmal wohl auch etwas komplizierte Probenarbeit muss höchst spannend gewesen sein.
School of Rock (Buch von Julian Fellowes, Gesangstexte von Glenn Slater) basiert auf Richard Linklaters gleichnamiger Filmkomödie und folgt damit dem seit einigen Jahren herrschenden Trend, erfolgreiche Filme in Musicals umzuwandeln, wie dies etwa bei Mamma mia, Sister Act und Zorro der Fall war.In Anlehnung an den Film, mit Jack Black in der Hauptrolle, steht auch in der Musicalversion von School of Rock ein etwas heruntergekommener Rockmusiker im Mittelpunkt der Handlung. Dewey Finn (Enrico Treuse) wurde eben erst aus seiner Band „No Vacancy“ gefeuert und nutzt nun die Gastfreundschaft seines Jugendfreundes Ned und dessen Partnerin Patty aus. Als er vor dem Ultimatum steht, endlich die fällige Miete zu zahlen oder hinausgeworfen zu werden, erfährt er so nebenbei, dass Ned ein Job als Vertretungslehrer an einer elitären, teuren Privatschule angeboten werden soll. Da er keinen anderen Ausweg kennt, gibt er sich kurzerhand als Ned aus und wird tatsächlich aufgenommen. Da ihm jede Qualifikation und Erfahrung fehlt, um eine Gruppe von Kindern unterrichten zu können, verblödelt er die ersten Unterrichtsstunden, bis er die Chance erkennt, dass sein Metier, die Musik, ihm helfen könnte, die schier unbewältigbar erscheinende Herausforderung doch noch bewältigen zu können. Gegen den Willen der Schulleiterin Rosalie will er mit seinen Schülern eine Rockband gründen und mit seinem ausgefallenen Schulprojekt an einem Rockmusik-Wettbewerb mitzumachen. Bei der Probenarbeit lernen die Kinder nicht nur die ihnen anvertrauten Instrumente zu beherrschen und miteinander zu musizieren, sondern sie erwerben auch Selbstvertrauen und entdecken Potenzialen, von denen sie nie wussten, dass sie sie haben. Ein Lernprozess, den auch Dewey durchmacht. Er wird verantwortungsbewusster, verlässlicher und entpuppt sich als Mann mit rockig-rauer Schale, aber mit einem goldenen Herzen, der mit Leidenschaft und großem Einsatz ans Werk geht und die Kinder zu inspirieren, anzuspornen und anzuweisen versteht. Enrico Treuse gelingt es, diesen Prozess der Verwandlung und inneren Reifung bei seinem ersten Einsatz als frisches Linzer Ensemblemitglied glaubwürdig und sympathisch vorzuführen. Auf seine Gestaltung kommender Rollen darf man gespannt sein.

EnricoTreuse (Dewey) und Alexandra-Yoana Alexandrova (Rosalie)
Um sein Rockband-Projekt durchsetzen zu können, braucht Dewey die Unterstützung der ziemlich verkrampften Schuldirektorin Rosalie Mullins. Bei einem nächtlichen Tet à tet in einer Bar kann er das Eis brechen. Angeregt durch die richtig gewählte Musik aus dem Wurlitzer erinnert sich Rosalie ihre längst verdrängten Vergangenheit. Das unverhoffte Outing Rosalies als einstiger Rockfan und ihr mozartisches Koloratur-Geträllere aus Arien der Königin der Nacht bringen Alexandra-Yoana Alexandrova jedenfalls viel Beifall ein.
Eine Wandlung zurück zu den Wurzeln macht auch der von Christian Fröhlich dargestellte Ned Schneebly durch. Er unterstützt seinen in eine prekäre Situation geratenen Jugendfreund Dewey so lange es geht, bis er auf das energische Urgieren seiner Freundin Patty reagiert und die Geduld mit ihm verliert. Beim Auftritt der „School of Rock“-Band kommt er, nachdem er sich auf seine ersten musikalischen Erfahrungen in der mit Dewey gemeinsam gegründeten Band besonnen hat, in einem wilden Rockeroutfit angetanzt. Patty di Marco (Sanne Mieloo), die wenig Verständnis für an konventionelle Gegebenheiten kaum angepasste Lebenseinstellungen aufbringt, ist der böse Charakter des Musicals. Warum? – Weil sie von Dewey vehement einfordert, seinen Beitrag zu WG zu entrichten. Ob das genug Anlass ist, sie als nervige Zicke bloßzustellen, bleibt dahingestellt.
Anerkennung verdient das Musical hingegen dafür, dass unter den Eltern der Schüler so ziemlich alle existierenden Beziehungsformen, bis hin zu bi-ethnischen Familien und inter-rassischen Paaren, vertreten sind. Sogar ein schwules Elternpaar ist dabei, allerdings ziemlich stereotyp vorgeführt. Auch die bunte Schar des Lehrpersonals präsentiert sich als klischeehafte Karikatur, was zur Folge hat, dass sich der Fokus der Aufmerksamkeit voll auf die Schülerschaft und ihr Treiben konzentriert. Es sind nämlich die Kinder, die hier, unter der Anleitung und mit dem Vorbild ihres Rock-Coaches, den Ton angeben: David Pfister als Zack an der Gitarre, Moritz Schmuckermair als Lawrence am Keyboard, Jana Engler als Katie am Bass und Noah Grubinger als Freddie an den Drums. Alle übrigen Mitschüler und Mitschülerinnen sind als Backgroundsängerinnen, Tänzer oder als Verantwortliche für Ton, Licht, Security, Management und dgl. ebenfalls mit eingebunden. Nicht zu vergessen die kleine, schüchterne, fast ganz übersehene Tomika (Anna Kathan), die erst im zweiten Akt den Mut aufbringt, sich mit der Hymne „Amazing Grace“ vorzustellen, worauf sie sofort als Leadsängerin engagiert wird. Alle sind dabei: „You are in the Band!“

Lea Steigendorfere, Emilia Seitlinger, Eva und Greta Winkelhofer
Was wollen die Kinder? – Von den Erwachsenen, von Lehrern und Eltern ernstgenommen zu werden, was sie in ihrem berührenden Lied „Wenn du nur zuhören würdest“ („If Only You would listen“) zum Ausdruck bringen. Das ist zugleich der weitaus beste Song des Musicals, das ansonsten musikalisch eher Dutzendware anzubieten hat. Das gilt nicht nur für die vierzehn von Webber hinzugefügten Liedern, sondern auch für die aus dem Film übernommenen Nummern. Webber, der mit School of Rock an seine Anfänge, das Rockmusical Jesus Christ Superstar, anknüpft, war nie ein Hardcore-Rocker. Romantische, melodiöse Balladen sind eher seine Stärke. Wenn die Musik, trotz gewisser Eintönigkeit, dennoch nie langweilig klingt, dann liegt das an den wunderbaren Kids, die all ihre Energie, ihre Emotionen, ihre Hoffnungen und Erwartungen, wohl auch ihren Zorn und ihre Freude in ihr Spiel und in die Musik hineinlegen. Angetrieben und ermuntert dazu werden sie von ihrem Lehrer Dewey (Enrico Treuse), dem musikalischen Leiter Tom Bitterlich und seiner Band Die Schulschwänzer sowie von der ebenfalls fetzig-rockigen, zum Steppen und Mittanzen einladenden Choreographie von Hannah Moana Paul.
Das von Matthias Davids fetzig inszenierte Musical, im stimmigen Bühnenbild von Andrew D. Edwards und in den passenden Kostümen von Adam Nee, ist ein Familienmusical par excellence, geeignet für Groß und Klein. Die Vorpremiere war voll von begeisterten Angehörigen der auf der Bühne groß aufspielenden Kinder: Eltern, Großeltern, Geschwister, Onkel, Tanten und Freunde. Gut möglich, dass viele von ihnen irgendwann einmal davon geträumt haben, als Popstar auf einer großen Bühne zu stehen oder in einem Musical mitzuwirken. Über den Umweg der Kinder auf der Bühne können sie nun miterleben, wie so ein Traum Wirklichkeit werden kann. Das mag einer der Gründe dafür sein, wieso School of Rock als ein besonders beliebtes Wohlfühlmusical gilt. Selbstverständlich gibt es dafür Standing Ovations. Was denn sonst!