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LINZ/Moviemento-Kino-Saal „RICKERL (Musik is höchstens a Hobby)“ – Vorpremiere

12.01.2024 | Themen Kultur

Linz: „RICKERL (Musik is höchstens a Hobby)“ – Vorpremiere im Moviemento-Kino Linz, Saal, 11. 01.2024

Spielfilm von Adrian Goiginger (Regie und Drehbuch), Musik von Voodoo Jürgens und anderen

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Ben Winkler, Voodoo Jürgens, Adrian Goiginger. Foto @ H.&P.Huber

Der Film, der am 19. d. M. in die Kinos kommen wird, wurde gezeugt, als der in Salzburg beheimatete Regisseur auf einer Dienstreise in Deutschland plötzlich Lust auf guten alten Austropop verspürte und ihm dabei der ihm bis dato unbekannte David Öllerer aka Voodoo Jürgens in die Lautsprecher geriet. Dessen teils autobiographische, oft schwarzhumorige und allzumenschliche Balladen – oder Chansons? – ließen in ihm ein Filmplot wachsen. Nach Kontaktaufnahme mit dem Sänger und Gitarristen wuchs die Filmidee mit Elementen aus dessen Liedern („Tulln“, „Zwaa Lita Eistee“, „Alimente“) rasch ins Konkrete. Auch passende Episoden aus Goigingers Jugend fanden Eingang – Stichwort 10 Minuten Sexfilmchen. Freilich – das Drehbuch erwies sich zunächst als ungeeignet, nicht wegen der Handlungsideen, sondern, weil es „in Salzburgerisch“ geschrieben war und erst ins Wienerische übersetzt werden mußte.

Und das ist schon einmal der erste ganz große Pluspunkt des Films: an der Sprache ist NIX künstlich oder „für den Deutschen Markt“ abgeflacht, das ist der – heutige – Wiener Dialekt (freilich ohne erklärte Bezirksspezifitäten), wie er immer noch lebt. Und wird diesbezüglich von den Schöpfern des Werkes durchaus als statement und (vielleicht einmal historisches) Dokument betrachtet.

Der Inhalt wird auf der website der Viennale, wo der Film letzten Herbst seine österreichische Erstaufführung erlebte und den Erste Bank Filmpreis holte, sehr schön (auf Englisch noch schöner als auf Deutsch) beschrieben: Rickerl | Viennale; die Uraufführung war kurz davor in Hamburg.

Besonders köstlich, lokalkoloritprall und spontan (teils auch als Improvisation inszeniert) die immer wieder einmal einen Handlungsknoten setzenden Beislszenen mit u. a. Linde Prelog und Rudi Larsen – letzterer ein großartig in Vor-Vorstadtspielsucht verluderter Vater des Protagonisten Erich „Rickerl“ Bohacek.

Der zweite Pluspunkt ist der Co-Star, Sohn Dominik, der sechsjährige Ben Winkler, der das Finallied zum Teil selbst verfaßte (!!), vorzüglich singt und mehr als wacker dazu die Gitarre spielt – auch live bei der von uns besuchten Präsentation!

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Voodoo Jürgens, Ben Winkler. Foto @ H.&P.Huber

Und drittens, und das ist in dieser Aufzählung last, aber definitiv nicht least, wird die Hauptfigur von Voodoo Jürgens mit berückender Authentizität und ebenso grottigem wie unwiderstehlichen Charme gespielt. Dazu: seine (meist handlungsrelevanten) Gesangseinlagen, derer es in diesem Film so viele gibt, daß man „Rickerl“ durchaus auch einen Musikfilm nennen könnte, sind von einer Intensität und Intimität, wie man sie nicht einmal bei seinen – regelmäßig hervorragenden – Konzerten erleben kann: egal, ob er, zu Beginn, mit Teilen seiner regulären Band „Ansa Panier“ am Friedhof aufspielt, ob er vergebens versucht, eine Hochzeit im Weinviertel mit den Resten der Band von Prof. Dr. Kurt Ostbahn zu unterhalten (was in einer monumentalen Schlägerei endet), oder ob er solo auftritt.

Diese Aufzählung der Stärken könnte man fast beliebig verlängern – hervorzuheben sind jedenfalls unbedingt auch als die unter Rickerls Unzuverlässigkeit noch mehr als dessen Sohn leidende Ex Viki (Agnes Hausmann), die mühsam, meist gerade noch, ihre Contenance wahrende AMS-Beamtin Frau König (Nicole Beutler), und der lakonische, aber doch auch unerschütterlich an Erfolgsmöglichkeiten glaubende Agent Rickerls (Georg Biron). Bei Letzterem schließt sich ein Kreis, denn Biron hat eine Biographie von Helmut Qualtinger verfaßt, die u. a. die monumentale Szene transportiert, in der „Quasi“ und sein Freund Otto Kobalek dem nach Wien zur IAEO versetzten Wjatscheslaw Molotow die ganze Rustenschacher Allee lang seine Beihilfe am Untergang Polens 1939 unter die Nase gerieben haben – und Qualtinger ist, nebst Andre Heller und H. C. Artmann, ein großes Vorbild von Jürgens.

Hervorragende und trotz ihrer Kürze handlungsbestimmende Cameo-Auftritte haben Alex Mitsch und Der Nino aus Wien.

Insgesamt strahlt der Film eine fantastische Wärme und Menschlichkeit aus, bleibt trotz vieler einschlägiger Möglichkeiten bei der gegebenen Thematik weitab von Kitsch und verliert nie seinen dabei niemals lauten oder gar groben, sondern stets versonnenen und hintergründigen Humor. Als stilistisches Werkzeug nutzte Goiginger bei dem digital aufgenommenen Streifen dann ein Filter, um die Körnigkeit eines 16 mm-Films zu erzeugen; macht sich durchaus gut im Sinne einer zur ganzen Geschichte passenden Imperfektion. Würde die Umrechnung auch noch per Zufallsgenerator auf analogem Film immer wieder zu findende kleine Emulsionsdefekte einrechnen, wäre die Illusion perfekt.

Der Regisseur stand nach der Aufführung dem Publikum im vollbesetzten Saal bereitwilligst Rede und Antwort, und Voodo sowie sein junger Partner Ben rundeten den begeisternden Abend mit Soloauftritten mit Gesang und Gitarre ab.

Petra und Helmut Huber

 

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