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LINZ/ Landestheater: RINALDO von G.F. Händel. Premiere

13.11.2022 | Oper in Österreich

Linz: „RINALDO“ – Premiere am Musiktheater des Landestheaters, Großer Saal, 12. 11.2022

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Foto: Herwig Prammer/ Landestheater

Dramma per musica in drei Akten von Giacomo Rossi nach einem Szenario von Aaron Hill nach dem Epos La Gerusalemme liberata von  Torquato Tasso, Musik von Georg Friedrich Händel

In Zusammenarbeit mit der Oper Zürich und dem Theater Dortmund

Auch wenn die erste Händel-Oper (Siroe, Re di Persia) 1743, also noch zu Lebzeiten des deutsch-britischen Meisters, in Linz aufgeführt wurde, haben sich in unserer Stadt dessen musikdramatische Werke nie im Programm etabliert. Auch das revival der Barockoper seit 100 Jahren, vor allem nach 1945, ging, bis auf einen „Xerxes“ 1959 und „Giulio Cesare in Egitto“ 1969 an der Promenade, weitestgehend am Landestheater vorüber. Von der Saalgröße würde das alte Theater nämlich für dieses Genre recht gut passen – auch wenn das riesige Teatro San Carlo Neapels, 1737 eröffnet, diese Ansicht Lügen straft.

Nun also: Barockoper auf der großen Bühne des demnächst 10 Jahre alten Linzer Musiktheaters! Jens-Daniel Herzog stellt sich diese (auch mit Vorarbeit durch Claus Guth, von dem er in Zürich die Regie übernahm) in einer modernen Umgebung, mit Sichtbeton, Rolltreppen und Travertinfliesen vor , als Abbild des Genfer Flughafens, aufgrund der dort ansäßigen internationalen Organisationen, wo ja oft Verhandlungen (aber auch Untergriffe) zwischen Kriegsparteien stattfinden. Bühne und entsprechend moderne, aber immer auch mit humorvollen Anspielungen gedachte Kostüme: Christian Schmidt. Diese hochkomplexe, teils verwirrende Geschichte mit Kreuzrittern, Sarazenen, Kriegslisten, Spionage, Liebe und Zauberei funktioniert so überraschend gut, weil sich der Regisseur durchaus an die vorgegebene Handlung hält und Widersprüche zum Text elegant überspielt, so er sie nicht vermeiden kann. Eventuell offenbleibende Fragen werden mit humorvoller, teils nicht immer ganz jugendfreier action temporeich vom Tisch gewischt – manchmal gibt es auch sehr beherrschte Zeitlupenszenen mit großartig doppelbödigen Effekten, und sogar die an sich statisch gebauten „Rolltreppen“ scheinen so zu funktionieren… Wesentlichstes Element dieses äußerst vielfältigen Szenarios ist, daß hochkomplexe, präziseste Bewegungsabläufe nicht nur von einem tänzerischen Chorus (Mitglieder der OÖ. Tanzakademie, Statisterie des Landestheaters Linz), sondern auch von den Sängerinnen und Sängern der Solorollen beherrscht werden. Man denke an eine Produktion von Robert Wilson, minus der japanischen Anklänge (Choreografie Ramses Sigl). Jedenfalls: der Eindruck einer mangelhaft bespielten Bühne kommt nicht auf, obwohl maximal und nur einmalig knapp 20 Personen auf dieser zusammenkommen, meist aber nur zwei oder drei. Aber diese wenigen haben so viel Bewegungsfreiheit und faszinieren mit ihrem Schauspiel derart, daß Langeweile oder Leere keine Chance haben.

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Angela Simkin. Foto: Herwig Prammer/ Landestheater

Unter der spannungsreichen, präzisen musikalischen Leitung von Ingmar Beck, der als Leiter der bayrischen „Asam Classical Soloists“ Barockerfahrung hat, spielt das Bruckner Orchester in kleiner Besetzung von 35 Damen und Herren, wie man so sagt, „historisch informiert“. Was auch immer das bedeuten mag: es klingt sehr, sehr gut. Zwar hört man einige wenige Intonationsmängel bei den Violoncelli, aber der Gesamteindruck ist nichtsdesoweniger fulminant. Daran wirken wesentlich auch zwei Herren an (zwar nur pseudobarocken, aber klanglich perfekten) Piccolotrompeten mit, an Barockgitarre und Theorbe Thomas Adam, Eunjung Lee am zweimanualigen Cembalo (neben dem einfachen des Dirigenten) und besonders der eminent virtuose Michael Oman an der Blockflöte.

Weitere Verdienste um die Produktion erworben haben sich Ronny Dietrich und Christoph Blitt für die Dramaturgie – besonders köstlich die Idee in der Einführung, die etwas unübersichtliche Handlung in einer powerpoint-Präsentation mit „kreuzritterlichen“ playmobil-Figuren zu erklären – und die Einstudierung von Schauspiel und Choreographie durch Andreas Beuermann und Ilja van den Bosch.

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Celine Akcag, Adam Kim, Ilona Revolskaya, Fenja Lukas, Angela Simkin, Alois Muehlbacher. Foto: Herwig Prammer

Die Leistungen der Sängerinnen und Sänger sind, abgesehen einmal von ihrem intensiven schauspielerischen Einsatz, durchwegs hervorragend, um nicht zu sagen brillant. Ausnahmslos wunderbare, samtig timbrierte Stimmen, ausnahmslos beste Diktion, Vibratoeinsatz stilgerecht delikat, makellose Intonation.

Goffredo (von Bouillon), General der christlichen Armee, wird vom Gast Céline Akçağ mit Autorität und Würde präsentiert; seine Tochter Almirena ist Ensemblemitglied Fenja Lukas, die nicht nur mit DEM Schlager aus dieser Oper, „Lascia ch’io pianga“, zu bewegen vermag (und dabei zeigt, daß sie was von canto fiorito versteht), sondern auch ein wunderbares Liebesduett im ersten Akt mitgestaltet. Ihre Partnerin dabei ist die neu in Linz engagierte Angela Simkin in der Titelrolle, die als Mezzo emotionell und stilistisch ebenso überzeugt.

Eustazio, Goffredos Bruder, wird vom international aufstrebenden Countertenor Alois Mühlbacher, ursprünglich ja Florianer Sängerknabe, eindringlich und mit einigem schauspielerischen Hintersinn gestaltet.

Adam Kim (Argante, König von Jerusalem), als Bariton die einzige „tiefe“ Stimme der Besetzung, ließ sich zwar wegen Erkältung ansagen, aber klang, abgesehen von ein paar minimalen Rauhigkeiten im ersten Akt, vorzüglich.

Den größten szenischen und sängerischen Wirbel hat die Zauberin Armida, hier in Linz Ilona Revolskaya, von den Autoren zugeschrieben bekommen. Der Sopran nützt das, in aller Geschmackssicherheit und künstlerischer Integrität, weidlich und zum allergrößen Vergnügen des Publikums aus, angefangen vom blitz- und donnerumtosten, buchstäblich und auch stimmlich furiosen Erstauftritt über mörderische und verhexte Szenen im weiteren Ablauf, bis zu einem nicht recht happy-en Ende (was freilich auch wieder große Heiterkeit beim Publikum hervorruft).

Auch die kleineren Rollen sind weit mehr als „nur“ adäquat besetzt: ein christlicher Magier (mag auch als Vogelhändler oder depressive Raumpflegerin auftreten) ist Opernstudiomitglied Sophie Kidwell; sie überzeugt ebenso wie kürzlich als Carmen in Peter Brooks kondensierter Fassung. Ein Herold: Conor Prendiville, sowie schließlich ein Trio, das Armida zuarbeitet und kleidungsmäßig dem Stewardessen-pool einer südostasiatischen Fluglinie anzugehören scheint: Karina Jay Bailey, Tina Josephine Jaeger und Hanyi Jang, ebenfalls vom Opernstudio.

Lauthals jubelnde Begeisterung im weitestgehend ausverkauften Haus, nicht nur für Darstellerinnen und Darsteller, sondern auch für Dirigent, Orchester und Regie. Man muß ja nicht gleich Barockopern-fan werden – aber alleine die großartigen Stimmen (sowie das muntere Spektakel) sind einen Besuch wert!

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Schlussapplaus. Foto: Petra und Helmut Huber

Petra und Helmut Huber

 

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