Copyright: Dieter Wuschanski
Linz:„ROMEO + JULIA“– Premiere am Musiktheaterdes Landestheaters, Großer Saal, 23. 03.2018
Tanzstück von Mei Hong Ling freinach Motiven von William Shakespeare, Musik von Serge Weber
Das Motiv von den aufgrund widriger Umstände unglücklich ineinander Verliebten ist uralt. Der „Schwan von Stratford“ hatte eine Reihe direkter und indirekter literarischer Quellen für sein Werk, das 1597als „An ExcellentConceitedTragedie of Romeo and Juliet“ vorerst anonymund wohl nur als ungefährer Text aus der Erinnerung von Schauspielern im Druck erschien – genannt „die schlechte Quart-Ausgabe“. Die literarischeLinie zu Shakespeare beginnt mit dem „Novellino“ des Masuccio von Salerno (1474) und geht über Luigi da Porto („Giuletta e Romeo“ 1535 – hier wird der Doppelselbstmord eingeführt), Chaucers „Troilus and Criseyde“ und französische Versionen zum unmittelbaren Vorbild „The TragicallHistorye of Romeus and Iuliet“von Arthur Brooke aus dem Jahre 1562, aus dem Shakespeare vieles wortwörtlich übernommen hat.Shakespeare’s Version hat sich dauerhaft durchgesetzt, wenn auch lange Zeit nur stark bearbeitet; seine dramatische Umsetzung der intensiven Liebe, aber auch der Jugendgangs des Renaissance-Verona und der Politik der konkurrierenden Familien fasziniert das Theaterpublikum, auch außerhalb Britanniens, seit mehr als 400 Jahren.
An musikalischen Versionen ist kein Mangel, von Georg Anton Benda (Gotha 1776, mit happy end!!) über Bellini und Gounod bis zu Heinrich Sutermeister 1940 und Bernsteins „West Side Story“, dazu die Ballettmusik von Prokofjew aus 1938.
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„Jeder von uns ist Romeo, jede von uns ist Julia. Die Universalität der Liebesgeschichte der beiden Protagonisten aus Shakespeares berühmtestem Drama hallt in vielen von uns wider.“ Aus diesen Gedanken entwickelt Mei Hong Linmit Inszenierung und Choreografie ihre Vision der unbändigen Kraft einer Liebe, die nicht sein darf und in einer feindlichen Welt die Lösung im Tode sieht (DramaturgieSilke Meier und Katharina John). Das Stück wurde 2012 an Meis früherer Wirkungsstätte in Darmstadt uraufgeführt und in Linz wesentlich aufgefrischt, nicht zuletzt durch Anpassung an die größere Bühne.
Musik, oder besser gesagt: Klangwelten, die von sphärischen Synthesizerklängen über Maschinengetöse und House bis zu konventionell instrumentierten Clips reichen und im präzisen, gleichzeitig sich gegenseitig verstärkenden Wechselspiel mit den atemberaubenden Aktionen der Tanztruppe stehen: der Schweizer Serge Weber, der eine vielfältige musikalische Ausbildung (bis hin zum Orgelbauer) durchlief und seit Jahrzehnten international an großen Bühnen für Tanztheater, aber auch für Film und TV und andere Medien tätig ist. Die Musik kommt vom Speicher.
Bühne und Kostüme: Dirk Hofacker, Lichtdesign: Johann Hofbauer. Diese beiden sind definitiv in einem Atemzug zu nennen, denn ihr Zusammenwirken erschafft hier, bei sehr tiefer Bühne (sicherüber 20 m) faszinierende Welten, ausgehend von einem kirchenähnlichen Raum, oder auch nach dem Vorbild der großen Halle im Palazzo della Ragione in Paduageformt. Die Lichtstimmungen laufen perfekt synchron mit dem Bühnengeschehen, stützen es dazu. Die Kostüme orientieren sich durchaus an der Epoche des Shakespeare’schen Originals, wobei man sich oft fragt, wie die Tänzerinnen es schaffen, mit ihren langen Kleidern, die auch gut in Zefirellis Verfilmung gepaßt hätten, nicht zu stolpern… Immer wieder kommen faszinierende und förmlich sprechende Bilder zustande.
Copyright: Dieter Wuschanski
Der körperliche Einsatz des Ensembles (Einstudierung: Christina Comtesse) ist buchstäblich atemberaubend wie berührend. Einzelne Kräfte hervorzuheben wäre ungerecht – ausnahmslos alle sind mit sozusagen 200 % Einsatz bei der Sache, und haben trotzdem nach 80 Minuten intensiven Bühnengeschehens noch Luft und Kraft, auch den verdienten, tosenden Applaus komplex und fröhlich choreographiert entgegenzunehmen… freilich auch eine erleichternde Aufheiterung nach dem deprimierendenSchluß.
Die Rollenverteilung:
Symbol der jungen Liebe: RieAkiyama, Urko Fernandez Marzana
Symbol der Fehde: Yu-Teng Huang, Pavel Povrazník
Romeo: Hodei Iriarte Kaperotxipi, Valerio Iurato, Lorenzo Ruta, Filip Löbl, EdwardNunes, Jonatan Salgado Romero, Andrea Schuler
Julia: Lara BonnelAlmonem, Kayla May Corbin, AndressaMiyazato, Tura Gómez Coll,Mireia González Fernández, Rutsuki Kanazawa, Gyeongjin Lee, Jacqueline Lopez, Alessia Rizzi
Tanztheater, vielleicht nicht für Anfänger – aber wer sich auf dieses Stück einläßt, wird einen tief bewegenden und aufregenden Abend erleben, mit tollen Schauwerten als Bonus!
Petra und Helmut Huber