Linz: „CATCH ME IF YOU CAN“ – Premiere am Musiktheater des Landestheaters, Großer Saal, 03. 12.2022
Musical nach dem gleichnamigen Film der Dreamworks Produktion, Regie Steven Spielberg, Drehbuch Jeff Nathanson und Frank Abagnale, jr.
Buch von Terrence McNally, Musik und Arrangements von Marc Shaiman mit Larry Blank, Gesangstexte von Scott Wittman und Marc Shaiman, Deutsch von Werner Sobotka
In Zusammenarbeit mit outside eye GmbH Wien
Daniela Dett, Karsten Kenzel. Copyright: Barbara Palffy für Landestheater
Der Film, in dem das bunte Leben des überaus talentierten Hochstaplers Frank William Abagnale, jr. geschildet wird, hatte 2002 Premiere. Er schildert in zuckerlhaft bunten 1960er-Farben dessen Karriere, die mit erfolgreichen Scheckbetrügereien beginnt und sich über eine falsche Linienpilotenidentität bis zu einem Auftritt als Arzt fortsetzt – so lange und so erfolgreich, daß sich schließlich das FBI auf seine Fährte setzt. Nach Auftritten als Jurist, erneut als Pilot (jetzt sogar der prestigereichen PanAm) bei dabei immer weiterlaufenden Scheckfälschungen wird er schließlich vom lange vergeblich hinterherhechelnden FBI-Agenten Carl Hanratty mit Hilfe der französischen Polizei dingfest gemacht – wenn auch noch nicht endgültig. Schließlich landet er doch im Gefängnis, wird aber alsbald, aufgrund seiner Erfahrungen als Scheckfälscher, Konsulent des FBI. Umrahmt ist diese Geschichte von der Schilderung des komplexen Verhältnisses zu seinem Vater.
Am 11. März 2011 hatte das aus diesem Stoff entwickelte Musical seine Uraufführung am Broadway. Die deutschsprachige Fassung wurde, als europäische Erstaufführung, erstmals an den Kammerspielen des Theaters in der Josefstadt unter Regie des Übersetzers am 24. Oktober 2013 gegeben. Dr. Renate Wagner war damals auf hiesiger website nicht begeistert.
Gegenüber dem Film gibt es einige Vereinfachungen – z. B. fehlt die europäische Episode, wird aber verbal angesprochen. Vor der Pause, die von der Erkenntnis des FBI-Mannes eingeläutet wird, man habe es nicht mit einem ausgekochten alterfahrenen Betrüger zu tun, sondern mit einem noch ziemlich jugendlichen, bleibt die Sache ziemlich an der Oberfläche. Nachher aber schürfen Handlung, Musikstücke und Texte deutlich tiefer.
Generell ist die Musik geschickt an den 1960ern orientiert – der Stil bewegt sich im Umkreis von Ray Coniff, Quincy Jones und Count Basie, bis hin zu Nummern, die man dem „Rat Pack“ zuordnen könnte – und etliches an Soul und den damals modernen südamerikanischen Rhythmen ist auch dabei. Schal-flaches Musicalidiom verirrt sich nur relativ selten in die Partitur. Dargebracht wird das von einer rund 30 Köpfe starken Abordnung des Bruckner-Orchesters, bisweilen auch als „Frank-Abagnale-jr-Band“ apostrophiert. Die Damen und Herren swingen, bluesen und bossanova-en mit Eleganz, Präzision und feeling, daß es eine Freude ist; mit dem passenden metrum versehen, zusammengehalten und perfekt mit der Bühne koordiniert werden sie von Juheon Han.
Gernot Romic, Bettina Schurek, Karsten Kenzel. Copyright: Barbara Palffy für Landestheater
Die Inszenierung von Ulrich Wiggers setzt auf den Revuecharakter dieser episodenhaft geschilderten Biographie, achtet aber auch auf die sorgfältige Darstellung der Entwicklung von wechselseitigem Respekt und schließlich Sympathie zwischen Jäger und Gejagtem. Gut eingeflochten in diese Handlung und Entwicklung ist die Choreografie von Jonathan Huor.
Die Bühne von Leif-Erik Heine nimmt an der Formensprache des Art-Deco Maß und setzt die Drehbühne effektvoll im Handlungsablauf ein. „Natürlich“ gibt es auch eine Showtreppe – diese dient aber auch mehr der Handlung, seltener dem Effekt. Franz Blumauer hat handlungszeit- und typgerechte Kostüme, mit einigen ausgeprägten 60er-Jahre-Designakzenten versehen, entworfen. Lichtdesign: Michael Grundner – stimmungsmäßig passend, nicht nur per Scheinwerfer, sondern auch mit LED-Leisten.
Die seinerzeit von Frau Dr. Wagner monierten Textholperer scheinen inzwischen ausgebügelt zu sein – Dramaturgie: Arne Beeker.
Der hier in Linz schon in vielen Rollen brillante Gernot Romic übernimmt die Hauptrolle des jugendlichen „con man“; man nimmt ihm auch den charmanten und situationselastischen Gauner gerne ab, dem er seinen hellen Tenor leiht. Sein Gegenspieler vom FBI wird von Karsten Kenzel als vom oft frustrierenden Dienst am Schreibtisch gebeugter Charakter angelegt, der es erdulden muß, von Mr. Abagnale, jr. oft förmlich vorgeführt zu werden, bevor er ihn schön langsam doch einkreisen kann – und ihn dabei verstehen lernt.
Nicolas Tenerani ist mit ausdrucksstarkem Bariton Frank Abagnale senior, bewegend im langsamen, aber unaufhaltsamen Abstieg vom Familienvater zum geschiedenen Alkoholiker, der doch immer versucht, seinem längst irgendwohin abgetauchten Sohn beizustehen. Seine Gattin Paula ist, neben anderen kleineren Rollen, Daniela Dett – ihre Vernehmung durch Agent Hanratty ist ein feiner Bossa nova.
Gernot Romic, Sanne Mieloo. Copyright: Barbara Palffy für Landestheater
Brenda Strong, das Mädchen, in das sich unser Held so verliebt, daß er seine Gaunerkarriere aufgibt: Celina dos Santos, besonders beeindruckend mit einer Walzerballade. Ihre Mutter Carol wird von Sanne Mieloo als cocktailgetriebenes Muttertier mit Hang zum Soul ebenso vergnüglich karikiert wie mit großer Stimme gesungen; eine umtriebige Krankenschwester verkörpert sie mit ebensolchem Engagement.
Hanrattys nicht immer leicht in Disziplin zu haltende Deputies Cod, Branton und Dollar sind Lukas Sandmann, Christian Fröhlich und Joel Parnis – ebenso in weiteren kleinen Rollen zu sehen. Auch Barbara Castka, Julia Hübner, Judith Jandl, Hanna Kastner, Susannah Murphy, Bettina Schurek, Alexander Findewirth, Thomas Höfner und Albert Jan Kingma übernehmen mit Können und Disziplin mehrere Rollen. Vervollständigt wird das muntere Bühnenleben durch Mitglieder der Statisterie.
Hier sei auch die gewaltige Vielfalt der Kostüme bzw. Rollen gewürdigt, die oft rasend schnelle Umzüge erforderlich machen, durch wohl reichlich angetretenes Personal der Kostümabteilung mit Bravour erledigt.
Schlussapplaus. Foto: P. & H. Huber
Begeisterter Applaus, mit besonderer Betonung der beiden männlichen Hauptrollen, auch für das Produktionsteam, für das zweite McNally-Musical dieser Saison, nach Anastasia.
Petra und Helmut Huber