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LINZ/ Landestheater: DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG – oder besser gesagt „DIE MEISTERFLIPPER“

10.04.2023 | Oper in Österreich

LINZ/ Musiktheater: DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG von Richard Wagner

am 8.4.2023  (Premiere)

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Hans Sachs, der Flipperkönig. Claudio Otelli. Foto: Reinhard Winkler

„Musik top, Szene flop“ betitelte eine Kollegin unlängst ihre Opernpremierenkritik. Dieselbe Überschrift könnte man eigentlich auch für die jüngste Premiere am Musiktheater Linz wählen, nur, dass es hier „Musik top, Szene f l i p“ heissen sollte, denn Regisseur Paul-Georg Dittrich hat aus unerfindlichen Gründen einen Flipperautomaten als Hauptrequisit gewählt, im letzten Akt sind es Dutzende von ihnen, der zweite spielt sogar angeblich im I n n e r e n eines solchen (sagt mein Nachbar, der ein Interview mit dem Verursacher gelesen hatte). Tja, wenn es in der Oper so etwas wie Produktwahrheit und Kennzeichnungspflicht gäbe, müsste die Produktion überhaupt in DIE MEISTERFLIPPER VON NÜRNBERG umbenannt werden.

Der erste Akt beginnt zwar auch ungewöhnlich, aber da sind die Regieideen aber noch irgendwie nachvollziehbar. Wir befinden uns in einem großen Kinderzimmer und Evchen bastelt sich aus Zinnsoldaten ihre Entourage und ihren Ritter und Retter. So weit, so Alice in Wonderland, so weit, so Nussknacker, soweit so gut, so fast verständlich.

Warum die Meistersinger dann jedoch Schachfiguren auf ihren Köpfen tragen und alle die „Joker“- Gesichtsbemalung aufhaben (bei Beckmesser hätte man es ja noch verstanden), hmm, das bleibt wohl ein Rätsel.

Spätestens, wenn im zweiten Akt die Flipperautomaten die Macht ergreifen, verliert man aber überhaupt die Lust, auch nur einen Gedanken an die Lösung dieser an den Haaren herbeigezogenen Schwachsinn-Rätsel zu verschwenden. Und konzentriert sich lieber auf die Musik, die größtenteils wirklich top ist.

Vor allem Chefdirigent Markus Poschner liefert wieder einmal eine hervorragende und tadellose Interpretation ab. Energisch, durchhörbar, unpathetisch, meisterhaft.

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Foto: Reinhard Winkler

Gesanglich war leider nicht alles in Butter. Am meisten überzeugten interessanterweise die „Nebenrollen“: die von der Volksoper geschasste Manuela Leonhartsberger (Magdalena) erweist sich (nach der Toten Stadt und der Forza del Destino) einmal mehr als verlässliche Stütze des Linzer Ensemble, und als wunderbarer, lyrischer David überraschte Matjaz Stopinšek, der hier eigentlich als Operettentenor (Graf von Luxemburg, Gräfin Mariza, etc.) eingesetzt wird, in positivster Weise das Abonnentenpublikum. Claudio Otelli gibt – nach stimmschonenden Anfängen – in seinen großen Szenen einen bewegenden und herzzerreißenden Hans Sachs (obwohl man natürlich schon stimmstärkere gehört hat). Martin Achrainer gestaltet einen faszinierenden Beckmesser (an und für sich die interessanteste Figur der Oper, sein Preislied finde ich persönlich ja auch viel lustiger und genialer und dadaistischer als das vom Junker Stolzing). Dieser (Heiko Börner) vermag leider stimmlich nicht so sehr zu glänzen wie seine Rüstung. Am übelsten hat man jedoch Erica Eloff als Eva mitgespielt. In der „Toten Stadt“ war sie noch eine atemberaubende Sexgöttin zum Anbeten und Niederknien. Hier dürfte sie sich irgendwie den Hass von Kostümbilder und Regisseur zugezogen haben. Der eine hat sie in ein unvorteilhaftes rotes Sackkleid und in hässliche Halbstiefel gesteckt (warum nur warum ?) und ihr eine ungepflegte Fransenfrisur verpasst, so dass sie aussieht wie ein Besen und man sie eher für den Putztrampel im Hause Pogner halten würde, und nicht für die Prinzessinnen-Tochter. Der Regisseur hält sie außerdem ununterbrochen zu „stummer Jule“ (stumme, sinnlose Handlungen) an, was erstens grotesk ist und zweitens auch dem Gesang nicht guttut. Eine solche Verschandelung und Demütigung einer begnadeten Primadonna sollte eigentlich einen strafbaren Tatbestand darstellen…

Tja, was soll man sagen. Das lobenswerte und erfolgreiche Musiktheater Linz hat zu seinem 10jährigen Jubiläum eine große Anstrengung unternommen, um diese (mit zwei 45 Minuten-Pausen) sechs Stunden lange Meister-Oper auf die Bühne zu stemmen. Wenn sich Intendant Schneider auch noch einen Regisseur geleistet hätte, wäre die Sache sicher auch gut ausgegangen…

Robert Quitta, Linz

 

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