Franziska Stanner, Julia Borchert, Theresa Grabner. Copyright: Sakher Almonem/ Linzer Landestheater
Linz:„DER VOGELHÄNDLER“– Premiere am Musiktheater des Landestheaters, Großer Saal, 09. 12.2018
Operette in drei Akten nach der Comédie-vaudeville Ce quedeviennentlesroses (Das Gänsemädchen) von Victor Varin und Edmond de Biéville, Libretto von Moritz West und Ludwig Held, Musik von Carl Zeller
Alle Jahre wieder gibt es im Spätherbst am Linzer Landestheater eine Operettenpremiere. Am neuen Musiktheater griff man bis einschließlich heuer dreimal auf die „Goldene Ära“ zurück, zweimal gabs Silber und einmal ein Weißes Rössl, das originalentsprechend irgendwo zwischen Revue und Musical inszeniert war.
Viele „nebenberufliche“ Kreativkünstler gibt es nicht, die eine Epoche mitgeprägt haben; der aus dem Mostviertel (St. Peter in der Au, unweit Seitenstetten) gebürtige Jurist und hohe Ministerialbeamte Dr. Carl Adam Johann Nepomuk Zeller war ein solches Wundertier, freilich auch mit einem höchstklassigen professionell-musikalischen Hintergrund, als Schüler von Simon Sechter. Sowohl sein„Obersteiger“ als auch eben der „Vogelhändler“ gehören zu den großen Klassikern des Metiers und stehen seit ihren Uraufführungen (jeweils mit Alexander Girardi in der Titelrolle) andauernd irgendwo auf der Welt am Spielplan.
Operettenspezialist Karl Absenger inzeniert das Werk als temporeiche (aber niemals hektische!) heitere bis satirische und durchaus tiefer greifende Geschichte, ohne am Original herumzuschrauben. Eine Rahmenidee gab es, mittels derer die Darsteller aus der Moderne in die pfälzische Kostümwelt versetzt wurden – die Hauptrollenträger arrangieren sich während der Ouverture im Proszeniumsbereich bzw. vor dem Vorhang, und in den selben Positionen sehen wir sie auch beim Schlußakkord, jetzt aber in ihren Rollen. Auch später Hinzukommende wie die Kurfürstin „infiltrieren“ die Szenerie im modernen Gewand, bevor sie in der Operettenwelt aufgehen. Für Auftritte werden auch viele Zugangsmöglichkeiten über den Zuschauerraum spannend genutzt.
Im Übrigen setzt die Regie auf die Kraft des Originaltextes, mit einigen eingestreuten punktgenauen aktuell-satirischen Spitzlichtern (Dramaturgie Ira Goldbecher); das aktuelle Thema Nr. 1 um das Linzer Landestheater, die Aufkündigung des Theatervertrages durch den Linzer Bürgermeister Klaus Luger, findet seinen Niederschlag, als Baron Weps ein „Extempore“ über einen bevorstehenden Umbau des Musiktheaters in ein Einkaufszentrumsingt, das dann „Luger-City“ heißen wird.Die Personenführung ist sehr detailliert und choreographisch präzise, als Musterbeispiel die Szene Stanislaus – Christl im 2. Akt.
Die Bühne von Walter Vogelweider schafft klassische, in Tiefe und Stimmung paßgenaue Theaterräume, im besten Einklang mit den hohen Anforderungen an die Beweglichkeit der Protagonisten seitens der Regie.Natürlich wird auch seitens der Gestaltung das eine oder andere Detail satirisch überhöht. Bei der Ouvertüre erscheinen auf dem Vorhang die Worte Liebe, Eifersucht, Korruption: Inhaltsangabe in ihrer höchsten Kondensation!
Das Licht (Einrichtung Herbert Sachsenhofer) ist nur zum Teil der unmittelbaren Bühnengestaltung gewidmet, wird eher zur Verstärkung von Stimmungen eingesetzt. Gelegentlich wird, je nach Rollenprofil, auch mit Mikrofonstütze gearbeitet. Götz Lanzelot Fischer durfte sich bei den Kostümen wahrhaft austoben, vom erdigen Bauernvolk bis zu einer am Rokoko orientierten kurfürstlichen Welt der (nicht immer ganz ernsthaften) Perücken, von Stickerei, Damast, Samt und Seide, auch nicht zu vergessen die stilechte Tracht der Vogelhändler. Fürs Publikum eine Augenweide, aber auch dramaturgisch punktgenau eingängig. Nur beim „höfischen“ Auftritt der Christl wurde u. E. doch ein bissl übertrieben: so eine Kreation in schaumigem Weiß und Rosa würde, geformt aus spanischem Wind, gut als Behang auf den Weihnachtsbaum passen.
Matthäus Schmidlechner und Chor. Copyright: Sakher Almonem/ Linzer Landestheater
Der Titelheld Adam wurde von Matthäus Schmidlechner mit seinem großartigen schauspielerischen Vermögen und seinem erstklassigen Charaktertenor, auch mit einer guten Dosis Schmelz, verkörpert. Dieser Vogelhändler ist alles andere als ein klischeehafter Operettencharakter, und seine gesangliche Interpretation an diesem Abend geht meilenweit über das Genre hinaus!Die Briefchristel ist Theresa Grabner, die nicht nur bei Mozart brilliert, sondern hier eine rollendeckende Soubrette abliefert –musikalisch erstklassig wie eine präzise Komödiantin (nur sollte ihr Pfälzerisch weniger tirolerisch klingen…).
Kurfürstin Marie ist durch den Gast Julia Borchert mit einem wagnererprobten Sopran besetzt, und das ist bei dieser durchaus gewichtigen Rolle eine gute Wahl, zumal sie mitunter („Als geblüht der Kirschenbaum“)wie eine Vorläuferin der Hofmannsthal/Strauss’schen Marschallin wirkt… (die mit dieser Sängerin wohl adäquat besetzt wäre). Ihre Hofdame, Baronin Adelaide, ist mit Franziska Stanner (ebenfalls a. G.) durch eine seit Jahren mit Absenger beruflich Verbundene besetzt: köstliche Komödiantin, und als Altstimme auf Augenhöhe mit ihren Bühnenpartnern.
Tomaz Kovacic, Franz Suhrada. Copyright: Sakher Almonem/ Linzer Landestheater
Daß Michael Wagner (Baron Weps, Wild-, Wald- und Korruptionsmeister) ein hervorragender Baßbariton mit soliden schauspielerischen Fähigkeiten ist, wußten wir schon länger; heute aber brillierte er nicht nur mit seiner Stimme, sondern auch in einer außerordentlich vergnügt und vergnüglich dargebotenen Charakterrolle als Schlitzohr universellerUmtriebigkeit. Sein Neffe Graf Stanislaus ist der feine lyrische Ensembletenor Mathias Frey, der den charmanten Schlingel mit Eleganz und operettengemäßer Leichtigkeit gibt. Die absolut ethikbefreiten Professoren Süffle (Franz Suhrada a. G.) und Würmchen (Tomaz Kovacic) haben ihren köstlich satirisch zugespitzten und gesanglich ganz und gar nicht trivialen Auftritt im 2. Akt; in weiteren Rollen Markus Schulz und Ulrike Weixelbaumer, fügen sich ins höchst positive Gesamtbild.
Marc Reibel läßt das Bruckner Orchester tanzen und schweben – elegant, kitschfrei, präzise, und perfekt mit der Bühne im Einklang; in dieses großartige Gesamtbild eingestreut besonders wunderbare Momente, etwa wenn Adam von seinem Ahnl und der Nachtigall erzählt: da wird, unterstützt vom Meister auf der Zither Wilfried Scharf, eine lyrische Spannung aufgebaut, die eines „E lucevan le stelle“ würdig wäre!
Der Chor des Landestheaters Linz (Einstudierung Elena Pierini) trägt zu diesem rundum gelungenen Abend ebenfalls wesentlich bei, zusammen mit einer engagierten Statisterie.
Viel Szenenapplaus und zum Schluß große Begeisterung für einen interpretatorisch großartigen Abend, an dem sich auch Regie und Ausstattung keine Blößen gaben und dem Begriff „goldene Operettenära“ absolut gerecht wurden.
Petra und Helmut Huber