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LINZ/ Landestheater: „DER ROSENKAVALIER“ – Premiere

05.10.2025 | Oper in Österreich

Linz: „DER ROSENKAVALIER“ – Premiere im Musiktheater des Landestheaters Linz, Großer Saal, 04. 10.2025

Komödie für Musik in drei Aufzügen von Hugo von Hofmannsthal, Musik von Richard Strauss

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Erica Eloff. Foto: Thilo Beu

Das vom Trio Harry Graf Kessler, Hofmannsthal und Strauss konzipierte und geschaffene Werk mit dem selben Untertitel wie Mozarts „Le Nozze“ wurde zum ersten Male am 30. November 1940 in Linz aufgeführt. Seither gab es 7 Neuinszenierungen, die letzte mit Premiere im Mai 2012, zwar noch an der Promenade, aber schon in Hinblick auf das bald fertiggestellte Musiktheater konzipiert. Dort gabs auch Wiederaufnahmen, u. a. auch mit Kurt Rydl als Ochs.

War diese (Anthony Pilavachi und Tatjana Ivschina) stilistisch einheitlich in einem leicht abstrahierten Rokoko angelegt, will uns Hermann Schneider (Bühne Dieter Richter, Kostüme Meentje Nielsen, Dramaturgie Christoph Blitt) irgend etwas damit sagen, daß er den ersten Akt in der vorgesehenen Ära beläßt, den zweiten in die Zeit der Uraufführung verlegt und den dritten im Jetzt spielen läßt. Nur, WAS das sein soll, erklärte er weder im Sonntagsforum zu der Inszenierung am 21. September noch bei der Premierenfeier – und weder uns, noch den Freunden und Bekannten, mit denen wir im Verlaufe des Abends sprachen, fiel eine plausible Erklärung für diese Zeitsprünge ein. 1. versus 2. Akt läßt sich gerade noch damit argumentieren, daß das Stadtpalais eines Neureichen ein modernerer Haushalt ist als ein fürstliches Schloß, aber warum der Ochs im dritten Akt als onassisähnlicher Greis mit einem Augenproblem (wegen dem er ja die Spukinszenierung eigentlich gar nicht sehen kann) am Rollator hereintapert, nur einen Tag nach dem springlebendigen Eklat bei Faninal, ist schlicht und einfach unsinnig. Nur, damit Christine Hinterkörner mit einer kaum mit Strauss verbundenen elektronischen Komposition, die der Einleitung zum 3. Akt vorangestellt ist und das Szenario eines Technoclubs charakterisieren soll, Tantiemen kassieren kann? Und warum ist im 3. Akt ein Zitat von Gertrude Stein aus 1913 aufgemalt – weil drin eine Rose vorkommt?

Die Bühne ist, aufwendig für die Werkstatt, an sich sängerfreundlich als ovaler Raum mit teilweiser Überdachung konzipiert. Allerdings mußten wir – ebenso im Einklang mit anderen, die anderorts im Saal saßen – feststellen, daß sämtliche Protagonistinnen und Protagonisten mit lauten Orchesterstellen ein gravierendes Durchhörbarkeits- und Verständlichkeitsproblem hatten. Und dabei hatten wir, angefangen von der Ouverture bei geschlossenem Vorhang, nicht den Eindruck, daß Markus Poschner den Dynamikmaßstab zu hoch eingepegelt hätte.

Aufwand (und ein paar brauchbare Scherze) auch im gestalterischen Detail: so wird z. B. der Faninal’sche Salon von Franz v. Stucks Meisterwerk „Sünde“ absichtsvoll dominiert, und auch andere um 1900 entstandene Bilder hängen an den Wänden, insbesondere Edvard Munchs Portrait von Graf Kessler. Sophies Kleidung im 2. Akt scheint zwar direkt aus Emilie Flöges Atelier zu kommen, ist aber für die Ära und die Gelegenheit nicht wirklich passend. Und für Faninals Garderobe ließ man einen Stoff weben, der Anleihen bei Dollarnoten nimmt.

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Erica Eloff, Angela Simkin. Foto: Thilo Beu

Die Personenführung ist durchwachsen – die klein besetzten Szenen, insbesondere zwischen Marschallin und Octavian bzw. letzterem und Sophie sind fein und emotionell gut gezeichnet. Aber das „Mariandl“ im ersten Akt drängt sich dem Ochs geradezu auf – dazu brauchts gar nicht den ungut-aggressiven „Weiberer“. Und wie sich der Ochs bei Faninal aufführt: da wäre sogar ein barocker Freier am Spittelberg in hohem Bogen aus dem Puff geflogen, ähnlich Kaiser Joseph II; dabei war der Grund der Parabelbahn des letzteren angeblich nur eine unbezahlte Rechnung. Man hat zudem den Eindruck, daß das, was an Turbulenz im oft statischen dritten Akt fehlt, im ersten zu viel vorhanden ist. Auch das Licht (Johann Hofbauer) macht nicht immer Freude: beim Finale, das von Dirigenten, Sängerinnen und Orchester wirklich herzergreifend schwebend, himmlisch gebracht wird, ist die Beleuchtung viel zu grell und kalt und macht damit einen Teil des Könnens der Genannten zunichte.

Wir sehen und hören eine reine Ensemblebesetzung: Die Feldmarschallin ist eine erneut großartige Erica Eloff, die die Rolle in all ihren emotionellen, handfesten, aber auch feingliedrig-philosophischen Aspekten stimmlich wie darstellerisch im Griff hat. Dominik Nekel hat als Lerchenau seit 2012 noch an stimmlicher Kraft gewonnen, und als kompletten Schauspieler schätzen wir ihn sowieso seit langem. Soweit ihm die Regie nicht anderes vorschreibt, gestaltet er diese Rolle jedenfalls vorzüglich, abzüglich des Pechs eines oder zweier „Frösche“ im ersten Akt. Der Octavian von Angela Simkin ist stimmlich erstklassig und darstellerisch im Rahmen des schon Beschriebenen sehr gut.

Herr von Faninal wird von Adam Kim mit druckvoller Stimme und eindringlichem Spiel ebenfalls höchst befriedigend charakterisiert. Seine Tochter Sophie ist ein erneuter Glanzpunkt für Fenja Lukas: todsichere höchste Noten, niemals scharf, immer samtig und zu toller Dynamik fähig, atmet sie ihre Rolle förmlich – berückend, und verdientermaßen am Schluß besonders gefeiert.

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Angela Simkin, Dominik Nekel, Eica Eloff. Foto: Thilo Beu

Christian Drescher liefert als Valzacchi eine ebenso komödiantisch und sängerisch hochklassige Leistung wie seine Partnerin Vaida Raginskytė als Annina. Gotho Griesmeier solide als Leitmetzerin. Gregorio Changhyun Yun bewährt sich als Polizeikommissar und Notar, Alexandre Bianque als Haushofmeister von Marschallin wie Faninal. Die schwierige Partie des italienischen Sängers wird vom neuen Ensemblemitglied Simon Yang klar, schlank und präzise absolviert. Die drei adeligen Waisen, auch Geistererscheinungen im 3. Akt zwischen Día de Muertos, Punk und Gothic, sind aus dem Opernstudio besetzt: Antonia Beteag, Georgia Cooper und Dora Blatniczki.

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Fenja Lukas, Dominik Nekel Angela Simkin. Foto: Thilo Beu

Die übrigen Rollen sind Chormitglieder: Wirt Sergey Kanygin, Modistin Kateryna Lyashenko, Tierhändler Gyrdir Viktorsson; Lakaien, Kellner, Musikanten und Lerchenauische: Ulf Bunde, Boris Daskalov, Navid Taheri Derakhsh, Domen Fajfar, Jonathan Hohenwallner, Seogmann Keum, Yongcheol Kim, Benjamin Kirchschläger, Gevorg Kojoyan, Marius Mocan, Raphael Naveau, Markus Schulz, Sebastian Strasser und Xinhang Zhou.

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Angela Simkin, Dominik Nekel, Christian Drescher. Foto: Thilo Beu

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Erica Eloff, Fenja Lukas, Angela Simkin. Foto: Thilo Beu

Loris, Faktotum, benannt nach einem Pseudonym Hugo v. Hofmannsthals, ist Christine Hinterkörner, die den kleinen Mohren, Arzt im 2. Akt und andere mit Bedeutung aufgeladene Statistenrollen einnimmt.

Der vorzügliche Chor samt Kinder- und Jugendchor des Landestheaters Linz wurde von Elena Pierini einstudiert. Das Bruckner Orchester musizierte berückend schön, präzise, von großer Dynamik bis hin zu Spärenklängen.

Großer Applaus bis standing ovation, vereinzelt „Buh“ für das Produktionsteam.

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Schlussapplaus. Foto: Petra und Helmut Huber

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Premierenfeier mit Fenja Lukas, Dominik Nekel, Angela Simkin, Adam Kim. Foto: Petra und Helmut Huber

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Premierenfeier mit Markus Poschner und Hermann Schneider. Foto: Petra und Helmut Huber

 

 

Petra und Helmut Huber

 

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