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LINZ/ Landestheater /Black Box: „IL MATRIMONIO SEGRETO“ von Domenico Cimarosa. Premiere

08.03.2020 | Oper


Rafael Helbig-Kostkas, Florence Losseau. Foto: Sakher Almonem

Linz: „IL MATRIMONIO SEGRETO“ – Premiere am Musiktheater des Landestheaters, Black Box, 07. 03.2020

Dramma giocoso in zwei Akten nach der Vorlage The Clandestine Marriage von George Colman the Elder und David Garrick, Libretto von Giovanni Bertati, Musik von Domenico Cimarosa

Italienisch, deutschsprachige Übertitel (Katharina John, Marianna Andreev).

 

Von den über 70 Opern Cimarosas steht die „Heimliche Ehe“, am 7. Februar 1792 im Hof-Burgtheater zu Wien uraufgeführt, heute am häufigsten auf den Spielplänen, und zwar seit ihrer Wiederentdeckung 1955 durch Giorgio Strehler. Am 11. Oktober 1959 hatte die Oper ihre Linzer Erstaufführung. Eine andere („L’impresario in angustie“) war schon 2016 für die Opernabteilung der Anton-Bruckner-Universität ein willkommenes „Lehrmittel“, zum großen Vergnügen des Publikums.

Die Handlung des schon 1766 auf der Sprechbühne in England erfolgreichen Stückes dreht sich um ein (schon heimlich verheiratetes) Liebespaar, das ins Visier anderer Bindungssuchender gerät – dazu ein reicher, verwitweter Vater, für den Heirat nur bei gesellschaftlichem Aufstieg akzeptabel ist usw., happy end eingeschlossen: commedia dell’arte-Muster, inspiriert durch ein satirisches Gemälde von William Hogarth.

Die einfache Bühne stellt den Flur eines Wellness-Hotels dar, mit zahlreichen Türen – nun ja, nicht unbedingt das noble Haus eines reichen Bürgers, aber dem temporeichen Drama durchaus dienlich; offensichtlich hat man sich zur Abhandlung von Familienangelegenheiten dort eingefunden. Zur Vervollständigung des Ortseindrucks gibt es bei Szenenwechseln immer wieder einmal mit (leiser, Cimarosas Klänge nicht störender) Säusel-„Muzak“ unterlegte samtstimmige Werbedurchsagen für das Meerwasserbecken oder den Massagesalon des Hauses, garniert mit der Uhrzeit – die Handlung spielt sich etwa innerhalb eines Tages ab. Bühne und Kostüme hat Jan Bammes geschaffen. Die Kleidung ist im Prinzip modern, wenn auch zahlreiche, durchaus phantasievolle und witzige Details (z. B. punkig abgewandelte Allongeperücken) auf die Rokoko-Basis des Werks verweisen.

Die Inszenierung von Gregor Horres läßt keinerlei Durchhänger zu oder gar Langeweile aufkommen: Tempo ist die Devise, so schnell es die Musik nur erlaubt – was umgekehrt auch heißt, daß die Regie die Musik respektiert. Gleichzeitig hat der Regisseur das Darstellerteam auch zu köstlicher Komödiantik und Situationskomik, mit vielen feinen Details, angeleitet.


Katharina Müller und Orchester. Foto: Sakher Almonem

Bei der heutigen – für uns schon wieder neuen, vielleicht 12. – Version des Black-Box-Arrangements sitzen die knapp 30 Damen und Herren des Symphonieorchesters der Anton Bruckner Privatuniversität links der Bühne. Katharina Müllner dirigiert, spielt außerdem bei den recitativi das Hammerklavier. Sie wählt organische Tempi und perfekte Dynamik, hält trotz der unüblichen Saalgeometrie alles hervorragend zusammen und das dramatische Werkl ebenso im fröhlichen Lauf. Die sehr jungen Orchestermitglieder musizieren im Detail noch nicht ganz so technisch perfekt wie ihre Kolleginnen und Kollegen vom Bruckner Orchester, aber Frau Müllner hat sie zu einem sehr ansehnlichen Begleitensemble geformt, aller Wahrscheinlichkeit nach wesentlich besser als das Orchester der Uraufführung…


Ensemble. Foto: Sakher Almonem

Das titelgebende Paar sind Carolina und Paolino: Etelka Sellei ist eine entzückend komödiantische, koloraturfreudige Soubrette mit ausgezeichnet abgerundeter Stimme – bei Mozart wäre sie eine perfekte Zerlina oder Despina; Rafael Helbig-Kostkas vorzüglicher lyrischer Tenor, mit Schmelz und Beweglichkeit, geht mit köstlichem Spiel Hand in Hand.

Elisetta, Carolinas ältere Schwester und Konkurrentin in Herzensangelegenheiten, ist Svenja Isabella Kallweit – vorzügliche Stimme, im präverdianisch-italienischen Fach anscheinend nicht völlig glücklich, was sie aber mit Disziplin kompensiert. Sie trägt auch mimisch eine ganze Menge zur vergnüglichen Vorstellung bei.

Vater Geronimo hat zwar die konfliktbegründende Idee, eine seiner Töchter unbedingt adlig zu verheiraten, jedoch läuft ihm die Sache zu seiner Verwirrung und dem Gaudium des Publikums gründlich aus dem Ruder. Philipp Kranjc ist mit gut definiertem, (noch) nicht sehr profundem, aber beweglichem Baß die vorzügliche „Wurz‘n Nr. 1“ in dem Verwirrspiel. Seine Schwester, die gelinde torschlußpanische Fidalma, trägt auch allerhand zur Verwirrung der Gefühle bei: Florence Losseau mit samtigem Mezzo, gleichzeitig aber auch mit sehr „geläufiger Gurgel“.

Graf Robinson, der die eine Tochter heiraten soll, sich in die andere verliebt, und dem wie Geronimo ziemlich auf der Nase herumgetanzt wird, ist der Bariton Timothy Connor. Trotz zwischenzeitlicher hormonell bedingter Gefühlsausbrüche wahrt er, freilich mühsam, lange die standesgemäße contenance – auch er stimmlich wie schauspielerisch eine Freude!


Florence Losseau, Florens Matscheko.. Foto: Sakher Almonem

Zwei stumme, aber durchaus nicht unwesentlich gezeichnete Rollen sind der Statisterie überantwortet: Fiordispina (= Kaktusblüte??), Zimmermädchen, ist Waltraud Eitzinger, den öfter am Rande des Nervenzusammenbruches balancierenden Hotelmanager Strabinio gibt Florens Matscheko.

Die insgesamt 2½ Stunden Aufführungsdauer (eine Pause) werden uns ganz und gar nicht lange. Große Begeisterung, am lautesten für Frau Sellei und Herrn Helbig-Kostka, nicht geringer für die Dirigentin. Und: Man verläßt das Theater mit einem Lächeln im Gesicht!

Bis 4. April sind noch 8 Vorstellungen vorgesehen, und die Black Box hat im gegenwärtigen Aufbau nicht mehr als 170 Plätze.

 

Petra und Helmut Huber

 

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