DIE FLEDERMAUS – Linz, Musiktheater; 21.Oktober 2023 (Premiere)
Martin Achrainer (Falke), Herbert Lippert (Eisenstein). Foto: Barbara Palffy für Linzer Landestheater
Sie wird mit einiger Berechtigung die Königin der Operette genannt. Hat sie doch seit ihrer Uraufführung im Theater an der Wien im Jahr 1874 die Welt viele Male umrundet. Auf ihrer aktuellen Weltreise hat „Die Fledermaus“ nach zehn Jahren wieder in Linz angehalten und in einer von Thomas Enzinger geschaffenen Neuinszenierung gestern im Musiktheater Premiere gefeiert. Da passt es, dass erst kürzlich in Linz mit der Alpenfledermaus eine für Oberösterreich neue Gattung dieser Säugetierart entdeckt worden ist.
Der aus Wien angereiste Premierenbesucher ist nicht nur mit den traditionellen Inszenierungen an Staats- und Volksoper (die sinnstörende Frau Frosch in der Volksoper wird aus dem Begriff „traditionell“ ausgenommen) vertraut, er hat die „Fledermaus“ auch in unterschiedlich gelungenen Produktionen quer durch den deutschen Sprachraum gesehen. Zuletzt in einer sehens- wie hörenswerten Produktion im Gärtnerplatztheater in München in der Regie von Josef E. Köpplinger. Das Interesse an der Arbeit des Intendanten des Lehár Festival Bad Ischl war nicht nur deshalb gegeben.
Regisseur Thomas Enzinger pendelt zwischen herkömmlich und Anklänge an Disco-Feeling, wobei er der Bühnentechnik wie den Beleuchtern viel abverlangt. Nahezu andauernd heben und senken sich Teile der Bühne, was einen schnellen und optisch wirksamen Szenenwechsel ermöglicht (Bühne: Bernd Franke), der 2. Akt ist auch von Beleuchtungseffekten geprägt (Lichtdesign: Johann Hofbauer). Dass bereits die Ouvertüre szenisch gestaltet ist (in diesem Fall vom – sehr guten – Ballett des Hauses vertanzt) – der Besucher muss sich daran wohl gewöhnen und freut sich über jeden Regisseur, der diese Mode verweigert. Aber konnte der Choreografin (Evamaria Mayer) im Vorfeld der Premiere niemand sagen, dass es die Musik stört, wenn Gewand von Kleiderstangen genommen wird und die Kleiderhaken auch im 1. Rang noch vernehmlich laut scheppern. Das Wohnzimmer der Eisensteins im 1. Akt nimmt nur einen kleinen Teil des Bühnenraums ein (dunkle Wände füllen rechts und links den Raum bis zum Bühnenrand), dafür bestehen die Zimmerwände aus bunten Lamellenvorhängen. Die Szene im Palais Orlofsky wechselt ständig (eine gute Idee, den Ball in verschiedenen Räumen und Ebenen spielen zu lassen), wodurch sich auch allen Mitwirkenden viele Entfaltungsmöglichkeiten bieten. Aber ist es wirklich notwendig, Orlofskys Couplet zu unterbrechen und zwischen erster und zweiter Strophe gefühlt minutenlang werkfremde Musik zu spielen ? Und dass der Akt nach dem Uhrenduett durch die einzige Pause des Abends zerrissen wird, empfindet der Schreiber als kulturelle Barbarei. Eine nette Idee ist es, das Gefängnis in einen Keller zu verlegen, in den alle Besucher über eine steile Treppe hinabsteigen müssen. Auf die jeweilige Szene abgestimmt sind die Kostüme (Götz Lanzelott Fischer) – fantasievoll für das Ballett, bunt und prächtig beim Ball, im Stil von Conchita Wurst das Outfit des Prinzen. Dass die Personenführung gelegentlich am Slapstick nur knapp vorbei schrammt, besonders in den Alfred-Szenen im 1. Akt, sei nur am Rande erwähnt.
Martin Achrainer (Falke), Manuela Leonhartsberger (Orlofsky).Foto: Barbara Palffy für Linzer Landestheater
Der Merker kennt keine Inszenierung, in der sich die gesprochenen Texte gleichen; und das betrifft nicht nur den Frosch. So auch jetzt in Linz. Dass dabei viele der bekannten und beliebten Witze auf der Strecke bleiben, liegt auf der Hand. Flach und überlang philosophiert Frosch, der eine an Unterstandslose erinnernde Liege unterhalb der Treppe seine Dienstwohnung nennen darf.
Musikalisch lässt der Abend kaum Wünsche offen. Marc Reibel am Pult des Bruckner Orchesters führt die Musiker zu einem nahezu wienerischen Klang; der auch mit Tanzeinlagen geforderte Chor (Chorleitung: Elena Pierini) zeigt seine Qualitäten. Ein immer noch hörenswerter Eisenstein ist Herbert Lippert; seine Frau Rosalinde gibt Carina Tybjerg Madsen glaubwürdig und überzeugend (wenngleich die „Klänge der Heimat“ etwas mehr an ungarischem Feuer vertragen würden); eine hörenswerte Karikatur eines Tenors gibt SeungJick Kim als Alfred; die Adele von Fenja Lukas lässt durch sichere Spitzentöne aufhorchen. Das erste und das letzte Wort hat in dieser Inszenierung der Prinz Orlofsky, von Manuela Leonhartsberger überzeugend und mit Aplomb gesungen. Martin Achrainer als Dr. Falke und Tomaz Kovacic als Gefängnisdirektor Frank sind achtbar in ihren Rollen, Tina Josephine Jaeger ist eine quirlige Ida, Thomas Mraz kann als Frosch abräumen.
Man ist es ja beinahe nicht mehr gewohnt. Aber den Abend schloss einhelliger Jubel im ausverkauften Haus. Und mit Einschränkungen schließt sich der Gast aus Wien dem Beifall an.
Michael Koling