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Linz: „DAS DREIMÄDERLHAUS“ – Premiere und Versions-Uraufführung am Musiktheater des Landestheaters, Großer Saal

05.10.2020 | Operette/Musical


Jana Markovic, Hedwig Ritter, Josephine Jaeger.  Foto: Petra Moser/Landestheater

Linz: „DAS DREIMÄDERLHAUS“ – Premiere und Versions-Uraufführung am Musiktheater des Landestheaters, Großer Saal – am 4.10.2020

Singspiel in drei Akten von Angelika Messner frei nach Heinrich Berté mit Musik von Franz Schubert,  bearbeitet von Ola Rudner; Originallibretto von Alfred Maria Willner und Heinz Reichert nach dem Roman „Schwammerl“ von Rudolf Hans Bartsch

Eine Produktion des Oberösterreichischen Opernstudios

In 19th Century Music, Band 12, Ausgabe 3, April 1989 löste Maynard E. Solomon unter dem Titel „Franz Schubert and the Peacocks of Benvenuto Cellini“ eine heftige Kontroverse aus, nachdem er einen Tagebucheintrag des Schubert-Freundes Eduard von Bauerfeld entschlüsselt hatte: Schubert halbkrank (er bedarf «junger Pfauen» wie Benv. Cellini) – der  homosexuelle Bildhauer Cellini verwendete in seiner Autobiographie stets Vögel als Synonyme für Männer. Spätestens seither wird über Schuberts Leben auch unter diesem Aspekt diskutiert. Dabei gab es schon bedeutend früher Andeutungen in dieser Richtung: 1857 hatte Alexandre Oulibicheff in einem Beethoven-Essay über passions mauvaises von Schubert geschrieben, und auch von Bauernfeld war im selben Jahr etwas von einer derben und sinnlichen Seite zu lesen; Anselm Hüttenbrenner beobachtete an seinem geschätzten „Schwammerl“ eine sehr abweisende Art gegenüber dem weiblichen Geschlecht.

Gänzlich anders behandelte R. H. Bartsch die vita des Komponisten in seinem Lebensroman dieses nicht übertrieben unpeinlichen Namens, der 1912 zu einem großen Erfolg wurde: da wurde hemmungslos die „gute alte Zeit“ breitgetreten, und ein in Liebesdingen unglücklicher und schließlich schmerzlich entsagender Schubert war die  Zentralfigur. Die auf diesem Buch basierte, 1916 erstaufgeführte Operette von Berté, die nur wenig eigene Kompositionen enthielt, aber sehr geschickt Themen des 1828 Verstorbenen in mitunter neue Kontexte stellte, war ebenso erfolgreich, nach 1920 sogar international, als „Lilac Time“ in Großbritannien, als „Blossom Time“ in den USA. Sie blieb bis in die Fünfziger weltweit die zweithäufigst gespielte Operette nach der „Fledermaus“.

Schwulst, Kitsch und Verlogenheit des Originals, einst auch schrecklich verätzte Zielscheibe von „Lodinskys Flohmarkt-Company“ im ORF, sind heute wohl schwer zu vermitteln. Dazu noch die von Solomon angestoßenen, durchaus für die Schubertsche Werkbetrachtung relevanten, Vermutungen ergaben Motive für eine gründlich umgekrempelte Version, deren Uraufführung wir heute erlebten.

Freilich hat die Autorin der neuen „Mäderl“, Angelika Messner, neben ihrer dramaturgischen Erfahrung auch eine solide musikalische Ausbildung, und das wirkt sich im textlichen Umgang mit der großartigen, zukunftsweisenden Musik Schuberts ebenso positiv aus wie die gründliche musikalische Überarbeitung und Erweiterung durch den Dirigenten Ola Rudner. Er schafft es sogar, aus einem Schubert-Thema einen feinen Csardas zu schnitzen! Dazu: die Absicht dieser Überarbeitung lag zwar darin, eine mögliche oder wahrscheinliche Homosexualität Schuberts zu thematisieren, daraus aber ein Spiel, und nicht ein krampfiges politisches statement zu formen (Dramaturgie Christoph Blitt). Und dies ist gelungen!


Gregory Delamare, Xiaoke Hu. Foto: Petra Moser

Wesentlich dazu beigetragen hat die Inszenierung des Opernstudioleiters Gregor Horres, der es schaffte, Charme und Schrillheit unter einen Hut zu bringen – wofür wir selbigen ziehen! In und um ein fliederüberwuchertes, vielfältig bespielbares Haus auf einer Drehbühne samt biedermeierlichem Giraffenflügel (Elisabeth Pedross) waren expressive Darstellerinnen und Darsteller unterwegs, in detailreich-witzigen, quietschbunten Kostümen (Renate Schuler), die gleichwohl einen Bezug zur Handlungsepoche herzustellen imstande waren.

Gegenüber dem Original ist die Personenliste deutlich gekürzt – es fehlen von Schwind, Kupelwieser und Frau Tschöll, auch viele Nebenfiguren. Was die Verbliebenen aber in den 2 Stunden (keine Pause) singen, sprechen und veranstalten, läßt keinerlei Vermutung aufkommen, daß da irgendwas fehle. Die Handlung ist um Schubert und von Schober zentriert – on/off-Liebespaar wäre zu plump formuliert, aber es wird dieses Thema umspielt. Hofopernsänger Vogl nimmt eine Art Don-Alfonso-Rolle ein, der verwitwete (!) Hofglasermeister Tschöll wird schließlich glücklicher Bräutigam einer munteren Lucia Grisi, und Schober eilt einem enttäuscht abgereisten Schubert nach – kann er ihn einholen?


Gregory Delamare, Hedwig Ritter. Foto: Petra Moser

Grégoire Delamare ähnelt – zu seinem Glück – eher einem jungen Gustav Mahler als dem „gerade einmal lachsgroßen“ (Robert „Telemax“ Löffler) Franz Schubert, aber als lyrisch-tenoraler Darsteller macht er seine Sache sehr gut. Baron Franz von Schober ist das Mitglied des vorletzten Opernstudios Xiaoke Hu, der eine bei Bedarf ordentlich druckvolle Charaktertenor-Partie abliefert, sehens- wie hörenswert.


Etelka Sellei, Michael Daub. Foto: Petra Moser

Hofopernsänger Johann Michael Vogl wird von Michael Daub lustvoll als Mischung von Geck und Grandseigneur gespielt, auch er stimmlich eine sehr erfreuliche neue Bekanntschaft. Der schon ordentlich fundierte junge Bass Peter Fabig spielte und sang einen köstlichen und viel beklatschten Hofglasermeister Tschöll,

Quirlige „Rotzpippen“ mit sehr guten Stimmen: Haiderl (Tina Josephine Jaeger), Hederl (Jana Markovic) und Hannerl (Hedwig Ritter – ihr Gesang läßt extra aufhorchen!).


Etelka Sellei. Foto: Petra Moser

Lucia Grisi, Hoftheatersängerin, wird von Etelka Sellei (Mitglied des Opernstudios 2018/2020) in Auftreten und Stimme als echter Star präsentiert, der aber auch seine vergnüglich-menschlichen Seiten hat.

Der gebürtige Münchner Ingmar Beck leitete mit Gefühl für die nötige Leichtigkeit einer Operette wie für die Lyrik, ohne die Schubert nicht funktioniert, eine gut 30 Personen große, insgesamt recht jugendliche, präzise und klangschön musizierende Abordnung des Bruckner Orchesters. Dabei schaffte er es auch, die beiden nicht leicht zu vereinenden Interpretationsansätze den Sängerinnen und Sängern zu vermitteln.

Begeisterter Applaus für Bühnenpersonal und Produktionsteam; auch die Verantwortlichen für die Neufassung erhielten die gebührende große Anerkennung für die gelungene Überarbeitung und Neuausrichtung des Werkes.

 

Petra und Helmut Huber

 

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