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LINZ/Brucknerhaus: MISSA UNIVERSALIS – Eela Craig

06.03.2020 | Konzert/Liederabende

Linz: „MISSA UNIVERSALIS“ – Konzert im Brucknerhaus Linz, Großer Saal, 05. 03.2020

Es ist fruchtlos, zu versuchen, treffender zu formulieren als es Norbert Trawöger, künstlerischem Leiter des Orchesters, zu diesem Konzerttermin gelang: „Am 5. März 2020 wendet sich das Bruckner Orchester Linz einem Mythos zu, den man beruhigt als einen der Innovationsanstifter unseres Landstrichs bezeichnen darf… Es geht um die Linzer Rockband Eela Craig, die genau vor 50 Jahren gegründet wurde. Die avantgardistische Kraft ihrer Musik erregte internationales Aufsehen und gipfelte 1978 in der „Missa Universalis“. Diese streng liturgische Rockmesse mit Bruckner-Spuren wurde beim damaligen Brucknerfest mit Riesenerfolg uraufgeführt und erklang später in zahlreichen europäischen Opern- und Konzerthäusern.“ Logischerweise ist die unverwechselbare Silhouette Anton Bruckners auch auf dem Original-Plattencover zu finden.


New Born Child. Foto: Petra und Helmut Huber

1969 stand das schon über 40 Jahre bestehende Linzer Tanzlokal „Rosenstüberl“ in der Bürgerstraße Pate bei der Geburt von Eela Craig – zusammen mit dem damals in Europa sehr populären Bluesmusiker „Champion“ Jack Dupree. Wie uns ein lieber Freund, Heinrich Zehetener, damals Mitglied des Blues Club Linz, erzählte, kam das so: Zwar hatte im „Ro“ nach 1945 der Wurlitzer Einzug gehalten, aber es gab immer wieder live-Auftritte, so auch an einem Abend, an dem Dupree in Linz ein Konzert gab. Es spielten die „Melodias“ von Harald Zuschrader. Dupree war nach dem Konzert ebenfalls in das Lokal gekommen, und es entwickelte sich eine Jam Session mit ihm, Zuschrader (kb) sowie Gerhard Englisch (b), Heinz Gerstmaier (g) und anderen – bei dieser Gelegenheit dürfte der Kern der künftigen Band erstmals zusammen gespielt haben. Gründungsmitglieder waren 1970 dazu Wil Orthofer und Horst Waber (schon bei den „Melodias“). Man spielte jazzig und psychedelisch gefärbten Rock und Blues in langen, weit über das übliche 45er-single-Format hinausgehenden Arrangements mit viel Platz für Soli. Was man gut auf der 1971 veröffentlichten LP hören kann – heute auf youtube… Etwas später kam Hubert Bognermayr, mit Visionen über die Rockmusik hinaus, dazu; der virtuose Gitarrist Gerstmaier, der oft mit niemand geringerem als Eric Clapton verglichen wurde, schied aufgrund der Stilwandlung aber aus, ebenso Orthofer und Waber.

Bald wurden renommierte Musikjournalisten auf die „lediglich phonetisch interessant“ benannte band aus der österreichischen Provinz aufmerksam, die Klangwelten wie Emerson, Lake & Palmer, Cream oder Pink Floyd einiges darüber hinaus erzeugen konnte. Auch beeindruckte die Band durch – kaum durch den Einsatz von „roadies“ erleichterten – Aufwand: immer zwei Schlagzeuge dabei, bis zu 16 keyboards. Dann begann man, mit „klassischen“ Klangkörpern, etwa dem Zürcher Kammerorchester, zusammenzuarbeiten. Und, Tangente zum „Merker“: man schaffte es, mit Konzerten u. a. die Bühnen großer Opernhäuser in Mitteleuropa zu erobern, wie auch Kirchen und andere nicht Rock-assoziierte Räume. Bognermayr, der sich bald und gründlich den neuen Synthesizern zugewandt hatte, später einer der Gründer der „ars electronica“ war, steuerte übrigens 1980 sogar für Herbert von Karajans „Parsifal“-Produktion in Salzburg synthetische Glockenklänge bei.

Das opus magnum der Band erschien 1978: eine Rockmesse, die den nicht allzu bescheidenen Titel „missa universalis“ erhielt. Weniger bescheiden war auch die Besetzung zu dieser Zeit: hinzugekommen waren Hubert Schnauer, Fritz Riedelberger, Joe Drobar, Frank Hueber und Alois Janetschko – insgesamt nun also acht Musiker, auch an der Komposition beteiligt. Thomas Mandel stieß in den 90ern zu Bognermayrs „Elektronischem Försterhaus“, als dieser einen Saxophonisten suchte. Seit den 1980ern spielten Eela Craig nur mehr sporadisch als band, zuletzt 2011 bei einem Gedächtniskonzert für Will Orthofer im Linzer „Posthof“.

Das heutige Konzert wurde vom Bruckner-Orchester zusammen mit „Alt-Eelas“ als Teil der neuen eigenen Konzertserie im Brucknerhaus auf die Beine gestellt. Dazu wurde eine Reihe früher Nummern für zusätzliches (kleines) Orchester neu arrangiert, wobei die rockig-jazzige Grundstimmung aber erhalten blieb. Und dann schrieb Thomas Mandel für den Anlaß eine großorchestrale Version der „Missa Universalis“; diese erschöpft sich freilich nicht in einem Arrangement der Synthesizerklänge für Orchesterinstrumente, sondern arbeitet sorgfältig eine weit größere Tiefe und Komplexität an Klangfarben, Rhythmen und Stimmungen heraus.

Moderiert vom „fan-boy der ersten Stunde“ Helmut Jasbar hörten wir zuerst Eela Craig mit Gerhard Englisch (akk, e-b), Heinz Gerstmair (g), Harald Zuschrader (keyb, g), Hubert Schnauer (keyb) und Joe Drobar (dr), verstärkt durch Rene Pichler am 2. Schlagzeug und Klaus Niederhuber als Sänger. Dazu ein kleines Orchester unter Marc Reibel, was mitunter (Streicher zu Rock & Soul!) einen Philly-Sound-artigen Eindruck vermittelte, ganz im Sinne der Siebziger. Das Programm umfaßte vorzugsweise Nummern aus der ersten LP der Gruppe – New Born Child (gleich zu Beginn eine Herausforderung für den Sänger!), A New Way mit großartigem Sopransax-Solo von Thomas Mandel, Indra Elegy und das großartig rockig-ausufernde Selfmade Trip, das von den nach wie vor hervorragenden Gitarrenkünsten von Heinz Gerstmair getragen wurde. Heaven stammt zwar aus 1983, wurde aber auch von der Ur-band ins richtige Licht gesetzt.


Thomas Mandel, Sanne Mieloo, Alexander Koller, Marc Reibel, Drew Sarich. Foto: Petra und Helmut Huber

Die Messe mit den Teilen Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus, Agnus Dei und Amen wurde dann einer Besatzung von 120 Personen überantwortet: Das Bruckner-Orchester in großer Besetzung, e-Gitarren und e-Baß, Schlagzeug, keyboards, die Musical-Stars Drew Sarich und Sanne Mieloo als Gesangspaar, der Hard-Chor Linz unter Alexander Koller, erneut unter der Präzision wie Klangsinnlichkeit (ohne ausufernden Bombast!) verpflichteten Gesamtleitung durch Marc Reibel – unterstützt von einer an Transparenz orientierten Tontechnik. Gegenüber dem Original ist Mandels Komposition weit umfassender – so hat er hörbar auch Pentatonik, Zwölftontechnik, nahöstliche Harmonien und Gregorianik eingearbeitet. Und zwar nicht irgendwie aufgesetzt, sondern großartig organisch verflochten. Das Resultat ist, auch im Lichte der großartigen Interpretation, für uns um einiges spannender und sinnlicher als das Original – „darf“ man das überhaupt sagen?! Daran haben auch die beiden Gesangssolisten wesentlichen Anteil – Saric als präziser, expressiver und doch sehr wortdeutlicher Tenor, und Frau Mieloo, sozusagen im Gegenteil ihrer naiven Rolle in „Sister Act“ letzten Herbst, als soul-orientierte, emotionelle Maria Magdalena-Type.

Tosender Applaus, Jubel, standig ovations, und als bei solchem Jubel unbedingt notwendige Zugabe Chris de Burgh’s „A Spaceman Came Travelling“, das Eela Craig im selben Jahr wie ihre Messe aufgenommen hatten – auch das in der großen Besetzung nach der Pause noch einmal ein hedonistisches Klangerlebnis!

Petra und Helmut Huber

 

 

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