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LINZ/ Brucknerhaus: „MANFRED“ – Bruckner Orchester Linz unter Markus Poschner

29.03.2025 | Konzert/Liederabende

Linz: „Manfred“ – Konzert im Brucknerhaus Linz, Großer Saal, 28. 03.2025

Bruckner Orchester Linz unter Markus Poschner

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Rote Couch: Christoph Cech, Norbert Trawöger. Foto: Petra und Helmut Huber

Wie es sehr guter Brauch bei BOL-Abokonzerten ist, wurde 45 Minuten vor Beginn des 3. Abends in dieser Saison wieder zur „Roten Couch“ gerufen: diesmal interviewte der künstlerische Direktor Norbert Trawöger den Uraufführungskomponisten des Abends, Christoph Cech. Dieser wird, als Jahrgang 1960, im Sommer von seiner Professur für Jazzmusik, Komposition und Dirigierenan der Anton Bruckner Universität emeritieren. Sein Werk „Bruckner (Über die Mathematik des Brausens)“, hat er zwischen 24. September 2024 und dem Neujahrstag 2025 geschrieben – und das bei stattlichen 30 Minuten Dauer und ähnlich großer Orchestrierung wie das zweite Werk des Abends! Bruckner-Zitate kommen darin nicht vor, Körperhygiene ebensowenig; Cech ging es vielmehr darum, sich musikalisch der an sich schwer fasslichen Persönlichkeit und dem bruchhaften Kompositionsstil des Ansfeldners anzunähern, und natürlich dem Brausen seiner gewaltigen Orchesterwerke (und von Engelsflügeln?), in denen wohl immer Bruckners musikalische Herkunft von der Orgel durchschimmert. Cechs jazzige Seite findet sich gar nicht in diesem Stück, denn: „beim Crossover sind schon viele Scheußlichkeiten entstanden„.

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Starke Schlagwerke. Foto: Petra und Helmut Huber

Der Komponist wollte unbedingt eine Harfe im Klangspektrum, und wuchtiges, dunkles Schlagwerk: neben 10 Pauken sind das zwei Baßtrommeln unterschiedlicher Größe und als kleine Referenz an den Jazz ein klassisches drum kit; der „Kleschfaktor“ kommt aber von Becken des symphonischen Instrumentariums, dazu Gong, Röhrenglocken und eine – u. E. vielleicht doch etwas oft, nicht nur in geschickter Mixtur, eingesetzte – Windmaschine.

Die Klangwelt dieses Werkes hält sich meist im Geviert von Mahler, Strawinsky, Debussy und Hindemith auf, in freier Tonalität, Weniges mutet seriell an. Einmal führt eine Steigerung zu einem strahlenden Spitzenakkord (in C?), ein reiches Feld an Stimmungen und Bildern tut sich auf. Cech hält es in der Kompositionstechnik für wichtig, zu jeder Emotion die Gegenemotion als Spannungsfaktor hinzuzuschreiben, und dem Prinzip folgt er auch in diesem Werk. Beim erstmaligen großorchestralen Hören am 27. bei der Probe hat er, für ihn ganz neue, impressionistische Seiten an seinem Werk entdeckt, und er war zufrieden damit.

Wir ebenso: das unglaublich präzise und wunderbar timbrierte Brucknerorchester präsentiert unter seinem Chefdirigenten das neue Werk als aufregende Reise durch Emotionen, Farben und Strukturen. Mag. Trawöger bittet im Programmheft, die Komposition in den Pausengesprächen nicht als „interessant“ zu titulieren (und damit abzutun – kennt man ja auch von Weinverkostungen, wenn man den Veranstalter angesichts eines lausigen Tropfens nicht geradeheraus beleidigen will…), aber diese Bitte wäre nicht notwendig gewesen, wenn man den begeisterten Applaus des leider kaum über 50 % gefüllten Saales betrachtet!

Zum op. 58 von Peter Iljitsch Tschaikowski, der „Manfred“-Symphonie in h-moll, die wir nach der Pause hören, liegt ein eindeutiges Programm vor, welches auf der dramatischen,  verhängnisschwangeren Dichtung gleichen Namens von Lord Byron fußt. Diese ist ebenso ein Kind des vom Vulkan Tambora verursachten Katastrophensommers 1816 und der „gothic vacation“ von Byron, Polidori und den Shelleys am Genfer See, denen wir Frankensteins Monster, einen Ur-Vampyr und andere dauerhafte Düsterkeiten verdanken. Natürlich wird dieses Programm auch im Begleitheft dargelegt, was man im Konzert freilich nicht mitlesen kann. Aber die unglaublich plastische Interpretation von Maestro Poschner und „seinem“ Orchester spiegelt schlicht und einfach den Text, so fesselnd und sprechend ist sie. Die bisweilen gezogene Parallele zu Hector Berlioz‘ „Symphonie fantastique“ wird klar erkennbar, wenn die 91 Damen und Herren vom BOL, dazu ein Organist (im Schlußsatz) in unglaublicher Präzision (besonders die 60 Streicher, ohne die anderen Gruppen mißachten zu wollen) und höchster Klangkultur durch die auch rhythmisch sehr anspruchsvolle Partitur tanzen, und den komplexen Emotionen dieses auch von persönlicher Schwermut des Komponisten mitgezeichneten viersätzigen Stückes Gestalt verleihen.

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Schlussapplaus nach Tschaikowski. Foto: Petra und Helmut Huber

Nochmals und erst recht begeisterter Applaus. Wir werden uns das Konzert gerne ein zweites Mal anhören, wenn es am 22. April dJ um 19:30 Uhr auf Ö 1 gesendet wird!

Petra und Helmut Huber

 

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