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LINZ/ Brucknerhaus: Konzert mit Dvořáks „ACHTER“ sowie Brahms und J. Strauss jun.

11.06.2022 | Konzert/Liederabende

Linz: „DvořáKS ACHTE“ – Konzert im Brucknerhaus, Großer Saal, 10. 06.2022

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Rotes Sofa (vor dem Konzert): Markus Poschner, Emmanuel Tjeknavorian, Norbert Trawöger. Foto: P & H Huber

Der Hammer kommt zu Beginn, beim gar nicht so small-en talk auf der „roten Couch“ um 18:45, mit Brucknerorchester-Chef Norbert Trawöger, Markus Poschner und Geiger Emmanuel Tjeknavorian. Poschner sagt dem Gast, er sei der fokussierteste und beste Geiger, mit dem er je zusammengearbeitet habe, Tjeknavorian antwortet mit „die Linzer sollten sehr stolz auf diesen Dirigenten sein“ – und dann erklärt er, er werde die Violine in Zukunft im Kasten lassen und nur mehr dirigieren! Schon heute und morgen (also 11. und 12. Juni) wird er das Bruckner-Orchester leiten, in der Stiftskirche St. Florian.

45 Minuten später beginnt das Konzert.

Zuerst hören wir Johannes BrahmsKonzert für Violine, Violoncello und Orchester a-Moll op. 102, wozu sich die Salzburgerin Julia Hagen am Violoncello gesellt; sie hatte übrigens ihr Konzertdebut 2009 hier im Brucknerhaus. Das mitunter als 5. Symphonie des Wieners aus Hamburg angesehene Werk hat wenig von Romantik an sich, verweist, wie vieles von Brahms, eher auf die Klassik, wenn auch mit durchaus innovativen Facetten. Die Solisten glänzen mit feingewebter Tongebung, die trotzdem übers groß, dabei sehr transparent aufspielende Orchester und bis in den letzten Winkel des Saales reicht. Ihr Spiel zeigt absolute Präzision in den parallelgeführten Stellen, und die Übergänge zwischen Geige und „Cello“ sind fließend, leichtfüßig, selbstverständlich: ganz im Sinne Brahms‘, der in dem Werk ein „achtsaitiges Rieseninstrument“ hören wollte. Markus Poschner malt mit großer Dynamik ein klar konturiertes, dabei fast abstrakt wirkendes Gemälde, voller Spannung und Eleganz, mit blühendem Orchesterklang.

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Applaus nach Brahms: Emmanuel Tjeknavorian. und Julia Hagen. Foto: P & H Huber

Tosender Applaus, fünf Hervorrufe des Solistenpaares und des Dirigenten, der auch die Orchestersolistinnen und -solisten in den Fokus rückt.

Nach der Pause – der Panoramablick aus dem Foyer über Donau und Urfahr zum Pöstlingberg in den Abendhimmel ist immer wieder bezaubernd – folgt die erste Symphonie Antonin Dvořáks, bei der er ganz bei sich und bei seinen Talenten gewesen ist (wie es heißt). In heutiger Zählung ist das die achte, bis zu Dvořáks Tod 1904 war sie als Nr. 4 bekannt. Jetzt allerdings hören wir (Spät)Romantik auf höchster Stufe. Wäre der Titel nicht ein knappes Jahrzehnt davor schon von seinem bis dahin berühmteren Kollegen, Bedřich Smetana, besetzt worden, müßte dieses Werk mit seiner volksmusikgestützen Landschaftsmalerei eigentlich „Aus Böhmens Hain und Flur“ heißen; stattdessen trägt die Symphonie aufgrund ihrer Publikationsgeschichte den Beinamen „die Englische“.

Der romantische Pausenblick auf den Donaustrom geht, als die Musik anhebt, ganz organisch in blühende Felder und Auen über, man sieht förmlich die sanften Hügel der böhmischen Landschaft. Duftige Klangbildung in allen Instrumentengruppen. Im zweiten Satz setzt die Soloflötistin Ildiko Deak die ersten feingliedrigen Akzente, bevor sich die elegante, niemals dick aufgetragene Lyrik durchs ganze Orchester zieht.

Der dritte Satz mutet an, wie wenn man auf der Landpartie in einem Dorf Rast machte, in dem gerade zum Tanz aufgespielt wird. Allerdings tanzen da keine Bauern in schweren Schuhen, sondern läßt Markus Poschner das ganze Orchester mindestens 10 cm über dem Boden dahinschweben – obwohl z. B. die sechs Damen und zwei Herren an den Kontrabässen zwar eine grundsolide Basis legen, aber ihren Instrumenten eben auch ganz und gar nicht schwerfällige Klänge entlocken.

Präzise Trompeten rufen zum Aufbruch: in entschiedenem, aber immer noch leichtfüßigem Marschtempo geht es zurück nach Hause. Das Finale ist klipp, knapp, strahlend und klar.

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Hinten Ildiko Deak (fl), Franz Scherzer (ob); im Vordergrund Markus Poschner mit Alfred Steindl. Foto: P & H Huber

Gewaltiger Jubel, Begeisterung. Kurze Unterbrechung, um ein verdientes Orchestermitglied in die Pension zu verabschieden: Alfred Steindl hat 43 Jahre lang Pauken und sonstiges Schlagwerk bedient und bekommt noch einen Extraapplaus.

Und, ganz und gar nicht unwillkommen, bieten Dirigent und Orchester noch eine Draufgabe –„die Synthese aus Brahms und Dvořák“, wie es Markus Poschner auf den Punkt  bringt: Johann Strauss‘ jun. Ouverture zum „Zigeunerbaron“. Noch einmal an diesem Abend werden alle Trümpfe dieser brillanten Symbiose aus Orchester und Dirigent ausgespielt, und obwohl die Besetzung mit ca. 80 Damen und Herren rund doppelt so groß ist wie die übliche im Theater an der Wien um 1885, bleibt alles ausgewogen, tänzerisch und transparent. Oboist Franz Scherzer gestaltet sein Solo als pulsierende, atmende, förmlich mesmerisiernde Erzählung. Dabei achtet der Dirigent erneut, wie schon bei anderen Aufführungen dieses Komponisten, darauf, die „Tondichterqualitäten“ von Johann Strauss Sohn zu betonen – der Blick fürs Detail, ohne den Zusammenhalt des Ganzen zu opfern, Differenzierung und Farbenreichtum regieren.

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Applaus nach Strauss. Foto: P & H Huber

Natürlich gibt es noch einmal lautstarken und begeisterten Applaus aus dem lt. Norbert Trawöger fast ausverkauften Saal; einige Sitze blieben allerdings leer – in eher irregulärer Verteilung, also nicht im Sinne von schlechter zu verkaufenden Teilen des Saales, somit doch Verhinderung durch höhere Gewalt??

Wie auch immer – man kann diesen wunderbaren Abend jedenfalls nachhören: am 3. Juli des Jahres in der Sonntagsmatineé auf Ö1!

Petra und Helmut Huber

 

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