Linz: „Happy Birthday, Dennis!“ – Konzert im Brucknerhaus Linz, Großer Saal, 17. 11.2024
Dennis Russel Davies. Foto: Petra und Helmut Huber
Bruckner Orchester Linz unter Dennis Russell Davies, am Flügel Elisabeth Leonskaja
Der am 16. April 1944 in Toledo, Ohio geborene Dirigent war 2002 bis 2017 Chefdirigent des Bruckner Orchesters und gleichzeitig Opernchef des Landestheaters. Grund genug, daß ihm zum runden Geburtstag sein ehemaliges Orchester im Rahmen der eigenen Konzertserie im Brucknerhaus Linz seine – schließlich auch von Davies mit herangebildeten – Fähigkeiten für ein selbstdirigiertes Luxusständchen schenkte, garniert mit einer Weltklassepianistin.
Davies war stets auf der Suche nach Neuem. Seine Engagements z. B. in Chicago, Stuttgart oder beim RSO Wien waren, wie in Linz, immer auch Seltenem und Uraufführungen gewidmet, und zudem war er ein Anwalt der US-Musik des 20. Jahrhunderts. Die Programmierung seines Geburtstagskonzertes brachte uns daher auch eher selten bei uns Aufgeführtes: das zweite Klavierkonzert von Piotr I. Tschaikowski in G, op. 44 und die dritte Symphonie von Sergej Rachmaninow in a, ebenfalls Opuszahl 44 – beides Werke, die von anderen des jeweiligen Komponisten weit in den Schatten gestellt scheinen.
Das gewaltige Gebirge des ersten Satzes (Allegro brillante e molto vivace) von Tschaikowskis op. 44 ist gleich einmal eine Herausforderung – für alle. Jedenfalls: Der Dirigent meistert Spannungsbögen und Balance des hochkomplexen Gebildes, und Frau Leonskaja verblüfft und begeistert mit ihrer makellosen Technik, mit der sie die gewaltige Aufgabe wie selbstverständlich absolviert, die der Komponist ja ursprünglich für den Virtuosen Nikolai Rubinstein gedacht hatte. Und das Orchester agiert auf dem selben Niveau. Dann im zweiten Satz (Andante non troppo) eine komplett andere Klangwelt: In erster Linie führen jetzt die blühenden und schwebenden Soli der Violine (Tomasz Liebig) und des etwas robuster, nichtsdestoweniger elegant gespielten Violoncello (Lia Vielhaber), denen sich das Klavier als keineswegs dominierender Partner zugesellt. Dabei leitet der Dirigent das Orchester zu einer zarten, gleichwohl absolut präzisen, Begleitung an, sodaß sich ein intimer, transparenter, kammermusikalischer Eindruck ergibt, obwohl rund 60 Damen und Herren am Podium sitzen. Im dritten Satz (Allegro con fuoco) wird noch einmal vom Orchester groß und wahrhaftig feurig aufgetrumpft, aber immer präzise, immer transparent – was die Solistin mit erneut atemberaubenden und mit Akzenten lebendig strukturierten Läufen beantwortet, alles vom Dirigenten zur überzeugenden Einheit zusammengehalten.
Tosender Applaus des weitestgehend voll besetzten Saales, standing ovation. Frau Leonskaja geht schließlich noch einmal ans Instrument und spielt einen zarten, duftigen, innigen 2. Satz (Andante) aus der Sonata facile KV 545 von W. A. Mozart – ein gewaltiger Kontrast zum davor Gehörten, aber faszinierend bis zur Atemlosigkeit.
Die Mitte der 1930er mit sehr geteilter Aufnahme uraufgeführte Symphonie Rachmaninows erklingt nach der Pause, jetzt mit einem auf 89 Personen aufgestockten Orchesterapparat. Davis läßt das Orchester mit diesem sehr eingängigen und farbenreichen spätromantischen Material schwelgerisch, manchmal fast süß, aber nicht kitschig klingen. Für uns erscheint das Werk weniger, wie von einigen Autoren geschrieben, russisch, sondern eher „amerikanisch“, gemessen an der Entstehungszeit sicher nicht kühn in die Zukunft gedacht, eher mit Anklängen an Copland oder Grofé. In jedem Falle ein wundervolles, hedonistisches Hörerlebnis, das wir sicher nicht nur dem Komponisten verdanken, sondern auch dem erstklassigen Orchester und der perfekten Modellierung durch den Dirigenten.
Schlussapplaus (mit Elisabeth Leonskaja) Foto: Petra und Helmut Huber
Landeshauptmann Thomas Stelzer mit dem Jubilar. Foto: Petra und Helmut Huber
Auch danach riesiger, begeisterter Applaus, gefolgt von einem Auftritt von Landeshauptmann Thomas Stelzer, der dem Jubilar die Kulturmedaille in Gold des Landes Oberösterreich überreicht. Happy Birthday – und noch vieleviele so gelungene und interessante Dirigate!
Petra und Helmut Huber