Linz:„LOVE.RESPECT.CONCHITA“– Konzert im Brucknerhaus, Großer Saal, 10. 03.2017
Sologala mit Conchita und dem Bruckner Orchester Linz unter Marc Reibel, ein musikalischer Streifzug mit Songs, die sie inspiriert und auf ihrem Weg begleitet haben und Musik, die ihr am Herzen liegt.
Copyright: Petra und Helmut Huber
Thomas Neuwirth alias Conchita (die „Wurst“ hat die Eurovisions-Contest-Siegerin schon vor längerer Zeit abgelegt) mag viele Kontroversen ausgelöst haben, aber in einem Punkt waren sich auch alle Gegner (soferne sie mit ihren Einwänden oberhalb der Gürtellinie blieben) einig: Stil ist für sie/ihnein Wesenselement. Wenn Tom sich nun von seinem Geschöpf trennen will (wie er den „OÖN“ Mitte Februar sagte), Conchita alsotöten undbegrabenwolle, so kann dasdaher nicht ohne Stil und natürlich auchnicht ohne eine größere Portion Glamour abgehen, „pompesfunèbres“ im Eigentlichen also: man engagiere z. B. ein Begleitorchester, das soeben von New York bis San Francisco in den USA umjubelte Konzerte mit Werken von Glass, Bruckner und anderen gegeben hat, das reichlich Theatererfahrung von den großen und größten Opern bis zu rockenden und swingenden Musicals hat, und hole sich dazu einen Dirigenten, der in ebenso vielen musikalische Idiomen zu Hause ist.
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Die 1.540 Sitzplätze (und einige Stehplätze) sind seit Wochen ausverkauft. Das Publikum ist bemerkenswert bunt gemischt: von Conchita-lookalikesüber elegante und weniger elegante Stadtmenschen bis zu gesetzten Herrschaften, die man eher im Bierzelt am Urfahraner Markt suchen würde … wieder einmal sieht man: Äußerlichkeiten können ganz schön in die Irre führen – durchaus im Sinne der Botschaft von Conchita.
Das Brucknerorchester ist mit 48 Damen und Herren angetreten, mit großem Schlagwerk und sogar einer wagnerisch-fetten goldglänzenden Baßtuba. Die Kleidung im Orchester ist an sich im üblichen Schwarz gehalten, aber einige leisten sich den einen oder anderen Akzent – eine Cellistin hat ein Superman-T-shirt übergezogen, das unter dem schwarzen Kostüm hervorlugt, ein Kollege von der Violinfraktion eine grellbunte Fliege umgebunden – und der Dirigent trägt unter dem korrekten schwarzen Sakko ein Conchita-Leiberl.
Der Auftakt ist lyrisch: „Where Do I Begin“, den Titelsong aus „Love Story“, über Shirley Bassey‘sOrchesterarrangement. Gemäß dem Titel des Abends ist der erste Teil der Liebe gewidmet, und Conchita hat darüber nicht nur zu singen, sondern auch eine Menge zu sagen – freilich weniger sentimental als hintersinnig. Mit ihrer intelligent witzigen Art hat sie das Publikum schnell im Griff. „Wenn man frisch verliebt ist, sagt man schnell einmal was, das nicht so ganz… ‚Eines muß ich Dir sagen: ich bin Veganer‘[Sternderl in den Augen] ‚Toll, ich auch‘– das waren die hungrigsten drei Monate in meinem Leben!!“
Es folgt u. a. „Somebodyto Love“ (aus dem eigenen songbook, nicht von Queen oder Jefferson Airplane), „Summer Wine“ von Lee Hazlewood (schwieriger Streicherpart, aber natürlich präzise bewältigt!) und Chers „nervigster song, ‚Believe‘“ – aus dem Munde von Tom Neuwirth durchaus nicht nervig, auch weil das Arrangement wesentlich feingliedriger gewebt ist als das Original.
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Auch auf ein vielleicht bald erscheinendes neues Album wird vorausgeschaut – die songs wurden von Conchita mitverfaßt, es erklingt ein Lied mit dem Titel „Few“. Das schon bekannte „We’reUnstoppable“ beschließt den ersten Teil.
Nach der Pause kommt es zunächst eine kleine Besetzung – Rhythmusgruppe mit zusätzlichen Gitarren: „Neh Na NaNa“ (von VayaCon Dios bekannt, wobei die Gitarren ordentlich in die Hot Club de France-Welt eintauchen) und mit Vibraphon sowie Bläsersektion geht es mit einem swingend verbrämten Mambo weiter. Einmal singt Conchita („für meine Oma“) auch auf Deutsch: „Ich bin morgens immer müde“, seinerzeit von Trude Herr kreiert.
Während sie eine köstliche Geschichte über ihre Begegnung mit Sir Elton John erzählt, vervollständigt sich im Hintergrund das Orchester wieder. Es folgen erneut Eigenproduktionen: „WhereHave all theGoodMen Gone“ und „Truth“ – komplexe Balladen mit einem guten Schuß Soul und mit dem großen Orchester musikalisch in allen Farben des Regenbogens leuchtend.
Als prachtvoll dargebotenes, groß angelegtes Hauptstück des zweiten Teiles folgt nun „Purple Rain“ von Prince, wozu Conchitas musikalischer Weggefährte Severin Trogbacher an der Fender Telecaster ein großartiges Solo beisteuert. Leider muß dieses Stück auch dem Gedenken an ein vor wenigen Tagen viel zu früh verstorbenes Mitglied des Brucknerorchesters, den Bratschisten Gerhard Paal, gewidmet werden; seine markante, ein klein wenig an Buffalo Bill erinnernde Erscheinung war uns seit Jahren vertraut. Auch uns wird er fehlen.
Mit „Love Is like a Poison“ und “Heroes” klingt das reguläreProgramm mit zwei Originalen aus, die, auch nach zwei Stunden Konzertdauer, ohne merkliche Ermüdung der Stimme erklingen, bevor die standingovationsdes hellauf begeisterten Publikums noch „ThatsWhat I Am“ und natürlich „Rise like a Phoenix“ fordern und bekommen.
Tom Neuwirth sollte Conchita mit ihrem Stimmumfang, der dem von YmaSumac kaum nachsteht und mit ihrer stilistischen Sattelfestigkeit in Jazz, Pop und Chanson noch lange nicht töten…
Petra und Helmut Huber