Linz: „FÜNF“ – Konzert des Bruckner Orchesters Linz im Brucknerhaus, Großer Saal, 29. 06.2023
Dirigent Markus Poschner; Solist Daniel Loipold, Horn
Auf der roten Couch: Markus Poschner, Daniel Loipold, Norbert Trawöger. Foto. Foto: Petra und Helmut Huber
Das letzte Konzert dieser Saison im Bruckner-Orchester-Abonnement stand unter dem Namen „Jupiter“ – bezogen auf Wolfgang Amadé Mozarts Sinfonie Nr. 41 KV 551 in C.
Das Allegro vivace beginnt noch mit einem interessanten Kontrast zwischen den C-Dur-Akkorden und den lyrischen Zwischenstücken, die deutlich langsamer genommen werden und seidig erklingen. Aber dann beginnt Poschners sehr ausgeprägte Agogik, das Gefüge des Satzes und schließlich der Sinfonie zu unterminieren – vivace ist das nicht wirklich. Besonders verstörend im vierten Satz, der vom Kontrast zwischen Hauptthema und Fugeneinschüben lebt, daß der Fugenabschnitt, der geradezu neutönerisch (manche sehen hier eine Zwölftonreihe) daherkommt, plötzlich extrem langsam genommen wird – so als wollte der Dirigent dem Publikum die Nase (oder die Ohren?) auf das draufstoßen, was er zuvor über die Sinfonie in der Einführungsveranstaltung „Die rote Couch“ bei Norbert Trawöger erzählt hatte. Kein sehr begeisterter Applaus aus dem gut besetzten Saal (rund 75 % der Sitze genutzt, unserer Schätzung nach).
Daniel Loipold (Horn). Foto: Max Mayrhofer
Das zweite Stück des Abends war das Konzert für Horn und Orchester Nr. 2 in Es (TrV 283) von Richard Strauss. Nach den 50 Damen und Herren im Orchester beim Mozart eine nur wenig größere Besetzung. Der aus Kärnten stammende 27jährige Daniel Loipold ist an sich Solohornist im Bruckner Orchester, der sich nun an das Strauss’sche „Wettbewerbskonzert“ heranwagt; das Hornkonzert Nr. 1 gilt demgegenüber als „Vorspielstück“. TrV 283 ist ein Spätwerk, 1942 entstanden und 1943 in Salzburg uraufgeführt. Der Komponist greift hier stark auf das 19. Jahrhundert zurück (im dritten Satz hört man öfter den „Eulenspiegel“ heraus, z. B.). Der Solist bewältigt das schwierige Stück technisch sehr gut, zwei oder drei Kickser fallen halt leider auf. Auch das Orchester läßt seine Stärken glänzen, nicht zuletzt die Solocellistin Lia Vielhaber. Aber nennenswerte Spannung wird nicht aufgebaut, weder seitens des Dirigenten noch des Solisten. Beim – deutlich kräftiger als beim Mozart ausgefallenen – Applaus deutet letzterer mit seiner Körpersprache an, daß er selbst mit seiner Leistung nicht zufrieden sei…
Nach der Pause ist die Bühne des Brucknerhauses gut gefüllt – ca. 100 Orchestermitglieder bringen uns das in den frühen 50ern, also nur kurz nach Strauss‘ Werk, entstandene „Konzert für Orchester“ von Witold Lutosławski, das einer ganz anderen musikalischen Welt entstammt. Und jetzt klappt die Chemie zwischen Werk, Dirigent und Orchester! Ob ein spannendes Zusammenspiel zwischen Harfe und Kontrabass, oder, besonders faszinierend, komplexe und klanglich „unerhörte“ Mixturen, die natürlich nur bei äußerster Präzision wirken können – besonders berückend die Paralellführung von Quer- und Piccoloflöte mit dem Vibraphon (Ildiko Deak, Patric Pletzenauer, Nico Gerstmayer): das schafft Farben, Bilder, fesselt, läßt die Zeit sehr schnell, allzu schnell vergehen. Die Musik läßt einen nimmer los, und als ein, natürlich ebenso präziser, tutti-Schlag das Ende signalisiert, will man eigentlich noch weiterhören…
Große Begeisterung, aber Zugabe gibt es keine. Nach dieser tollen und aufwühlenden, beispielhaft dargebotenen Musik könnte eine solche, egal wie effektreich oder virtuos, auch nur verlieren.
Schlussapplaus. Foto: Petra und Helmut Huber
In der nächsten Saison beginnt diese Konzertreihe am 4. November mit Beethovens „Missa solemnis“ (diese ist nun 200 Jahre alt!) und wird aus gleichem Jubiläumsanlaß auch viel Bruckner enthalten.
Petra und Helmut Huber