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LINZ/ Brucknerhaus: DREI“ – Konzert des Bruckner Orchesters Linz, Giedrė Šlekytė; Antoine Tamestit (Viola)

17.03.2023 | Konzert/Liederabende

Linz: „DREI“ – Konzert des Bruckner Orchesters Linz, Brucknerhaus, Großer Saal, 16. 03.2023

Dirigentin Giedrė Šlekytė, Solist Antoine Tamestit, Viola

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Foto: Petra und Helmut Huber

Das Bruckner-Orchester mit seinem künstlerischen Direktor Norbert Trawöger hat es sich zur Angewohnheit gemacht, in seiner eigenen, je Saison durchnummerierten Konzertserie im Brucknerhaus jedem Abend ein Motto zu geben. Ein mit „Tanz“ betiteltes Konzert mit einer Suite zu beginnen, liegt nahe – oder lag dem ein umgekehrter Gedankengang zugrunde? Und: wie passen dann noch ein Bratschenkonzert und eine Symphonie dazu??

Sie paßten. SEHR gut sogar. Weil nämlich sowohl der dritte Satz des Konzertes als auch viele Abschnitte der Symphonie eine definitiv tänzerische Anmutung haben. Wir hörten nämlich zu Beginn Béla Bartóks 100 Jahre junge Tanz Suite in sechs Sätzen für Orchester, Szöllösy Nr. 77, dann eines der letzten, unvollständig hinterlassenen Werke des selben Komponisten, das Konzert für Viola und Orchester a-Moll, Sz. 120, und nach der Pause Bohuslav Martinůs Sinfonie Nr.4 B-Dur, Halbreich 305. Weit weniger paßte dieses Programm anscheinend vielen präsumtiven Konzertbesucherinnen und -besuchern, denn der nüchtern-elegante Konzertsaal war an diesem kühlen, aber trockenen Vorfrühlingsabend allenfalls zu einem Drittel besetzt.

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Die „Rote Couch“ vor Konzertbeginn. Foto: Petra und Helmut Huber

Die in Vilnius geborene Orchesterleiterin, die in ihrer Heimatstadt, in Graz und in Leipzig studiert hat, ist seit der letzten Saison in der Nachfolge von Bruno Weil „erste Gastdirigentin“ des Bruckner-Orchesters. Sie wurde dem Publikum von Herrn Trawöger auf der „roten Couch“ vor dem offiziellen Beginn des Konzerts vorgestellt. Der aus Paris stammende Solist spielt auf einem Stradivari-Instrument, und zwar dem ersten dieser Tonlage, das der Cremoneser Meister gebaut hat.

Zusammen mit dem unwahrscheinlich präzisen und musikantischen Orchester schufen diese beiden einen rhytmus-, farben-, ja bilderprallen Abend, der uns diese sämtlich technisch höchst anspruchsvollen Werke in exemplarischer Weise erleben ließ. Die expressiv agierende Dirigentin schaffte es sogar, daß man im Publikum die vielen weniger geläufige Musik richtiggehend „vorausahnen“ konnte – selbstredend, daß sie die zahlreichen Metrum- und Tempowechsel in der Bartók‘schen Suite perfekt funktionieren ließ und die große Dynamik, die all den Werken des Abends innewohnt, brillant, technisch wie den  Spannungsbögen entsprechend, auszuschöpfen verstand, vom leisesten Streicherhauch bis zum fff-Tutti.

Bartók schrieb sein Violakonzert 1945 für den „Star“ an diesem Instrument, William Primrose. Allerdings konnte er die Komposition nur in groben Zügen vollenden, da er im selben Jahr an Leukämie verstarb. Bartóks Freund Tibor Serly stellte das Konzert in mühevoller Arbeit fertig, sodaß es 1949 zur Uraufführung kommen konnte. Seither wurden noch Bearbeitungen vorgenommen.

Antoine Tamestit war übrigens 2001 Sieger des Primrose-Wettbewerbes, der bedeutendsten Konkurrenz für die Bratsche. Seine Interpretation auf dem – bei ihm jedenfalls in den genau richtigen Händen befindlichen! – prachtvoll klingenden, scheinbar mühelos saalfüllenden Instrument war ebenso atemberaubend virtuos wie bewegend gefühlsreich modelliert, aber bei Bedarf auch luftig swingend. Wiederholt (und schon ganz zu Beginn) tritt das Soloinstrument in Dialog mit der Pauke – auch diese Facette natürlich mit Delikatesse von beiden Beteiligten dargeboten.

Natürlich erklatschte sich das Publikum eine Zugabe. Herr Tamestit wählte ein Duett für zwei Violen vom selben Komponisten aus und leitete es folgendermaßen ein: „Ich habe mich sehr darüber gefreut, mit diesem perfekten Orchester zu musizieren. Deshalb möchte ich jetzt das Duett mit einem Vertreter der großartigen Bratschengruppe spielen“; und so kam auch Benedict Mitterbauer zu einem Auftritt an der Rampe an dem Abend – keine Frage, daß auch dieses kurze Stück ein Erlebnis war!

Nach dem effektreichen 4. Satz (poco allegro) von Martinůs Symphonie ertönte trotz der geradezu peinlich geringen Besetzung des Auditoriums sehr lautstarker, begeisterter Applaus als Dank für einen brillanten Abend mit großartigen Werken unter Leitung einer exzellenten Dirigentin. Wer ihn ohne triftigen Grund versäumt hat, kann sich ruhig … sonstwohin beißen!

 

Petra und Helmut Huber

 

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