Linz: „MISSA SOLEMNIS“ – Konzert im Brucknerhaus Linz, Großer Saal, 04. 11. 2023
Große Messe auf die liturgischen Texte von Ludwig van Beethoven
Auf der Roten Couch v. l. Markus PoschnerPoschner, Katrin Wundsam, Trawöger (Orchesterleiter). Foio: P&H Huber
Bekanntlich waren die letzten Lebensjahre Beethovens von Krankheiten, insbesondere seiner Taubheit, gezeichnet; aber auch das Kriegsgeschehen um die napoleonischen Feldzüge und deren „Aufarbeitung“ (und teilweise Restauration des ancien régime) im Rahmen des Kongresses von 1815 spielten eine große Rolle, auch im Leben des Wieners aus Bonn. Aber er schuf in der Zeit nicht nur viel Kammermusik, sondern mit neunter Symphonie und der „Feierlichen Messe“ auch revolutionäre, zukunftsweisende Werke. Letztere sollte eigentlich Weihnachten 1823 uraufgeführt werden, was allerdings an „zu schwierigen“ Chorpassagen zunächst scheiterte. Letztendlich erklang das Werk erstmals im April 1824 in St. Petersburg, hat also in dieser Saison seinen 200. Geburtstag, genau wie der symphonische genius loci Anton Bruckner.
Auf der Bühne hatten knapp 70 Damen und Herren des Bruckner Orchesters platz genommen, ferner der Philharmonische Chor Brno (Leitung: Petr Fiala) und als Gesangssolisten Susanne Bernhard, Sopran, Katrin Wundsam, Mezzo, Airam Hernández, Tenor sowie Hanno Müller-Brachmann, Bassbariton. Geleitet wurde die Aufführung von Markus Poschner. Vor dem Beginn des Konzertes gab es wieder ein einführendes Gespräch auf der „roten Couch“, mit Poschner, Wundsam und dem Orchesterleiter Norbert Trawöger.
Ums gleich zusammenzufassen: das teils durchaus kantige, aber eben auch genial und oft revolutionär konstruierte Werk mit seiner Fülle von Fugen, mit Zitaten von Palestrina bis Mozart und Haydn, wird von Maestro Poschner als engst verwobene Einheit präsentiert, die von Chor, Solostimmen und Orchester gleichberechtigt errichtet wird. Und das bei Wahrung exzellenter Transparenz, weit gefächerter, höchst spannender Dynamik und fast perfekter Balance der einzelnen Stimmen – nur ab und zu kann sich die Solovioline im Benedictus (der 27-jährige Erste Konzertmeister Jacob Meining) nicht ganz ausreichend durchsetzen, zumindest von unserem Platz vorne Mitte Galerie aus; andererseits aber verdanken wir diesem Solisten geradezu Sphärenklänge im Zusammenspiel mit den beiden Flötistinnen zu Beginn dieses Abschnittes. Überhaupt schafft diese Aufführung eine Fülle an Bildern und Farben, eine Beschreibung als überwältigend ist nicht übertrieben!
Die durchwegs erstklassigen Gesangssolistinnen und -solisten müssen auch noch einmal gesondert erwähnt werden, mit ihren wunderschön geführten, perfekt timbrierten und saalfüllenden Stimmen und ihrer erstklassigen Artikulation – besonders der Tenor war gegenüber seinem Fachkollegen bei Verdis Requiem im Frühjahr 2022 ein ganz großer Gewinn…
Schlußapplaus mit Poschner, Fiala, Solostimmen, Orchester und Chor. Foto: P&H Huber
Nach 80 Minuten Aufführungsdauer 10 Minuten tosender Applaus und Begeisterung.
NB: heute (also am Erscheinungstag, 5. 11., 11 Uhr) wird das Werk in dieser tollen Besetzung auch im Wiener Musikverein gegeben!
Petra und Helmut Huber