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LINZ / Black Box im Musiktheater: DAS LICHT AUF DER PIAZZA

Viel Licht und etwas Schatten auf dieser Piazza

18.04.2024 | Operette/Musical
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Enrico Treuse (Giuseppe), Valerie Luksch (Clara), Alexandra-Yoana Alexandrova (Franca). Alle Fotos: Landestheater Linz/ Reinhard Winkler

LINZ / Black Box des Landestheaters: Musical DAS LICHT AUF DER PIAZZA

17. April 2024 (Premiere 13. April 2024)

Von Manfred A. Schmid

Nach dem Schock, als ab den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts europäische Musicals von Andrew Lloyd Webber bis Claude-Michel Schönberg die internationale Musicalszene zu dominieren begannen, brauchte der Broadway, die Wiege der Musical Comedy, ziemlich lange, um entsprechend zu reagieren und dem amerikanischen Musical neues Leben einzuhauchen. Zentrum der Neuerer war Stephen Sondheim, der sowohl inhaltlich wie auch musikalisch neue Wege beschritt und jüngere Nachfolger inspirierte und ermutigte, es ihm gleichzutun. Einer seiner bemerkenswerten „Schüler“ ist der nicht nur als versierter Jazzer geschätzte, sondern auch darüber hinaus vielseitige Komponist Adam Guettel, der 2005 mit Das Licht auf der Piazza am Broadway einen Erfolg verbuchen und sechs Tony-Awards einheimsen konnte. Musikwissenschaftler und Kollegen rühmen den Reichtum und die Vielfalt seines Kompositionsstils, der bei genauerem Hinhören aber gar nicht so innovativ ist, wie man es angesichts so vieler Lobeshymnen erwartet hätte. Seine eklektische Musik bewegt sich vielmehr im Spannungsfeld zwischen konventionellem Broadway-Sound – Guettel ist tatsächlich ein Enkel von Richard Rodgers – und Manierismen europäischer Opern des frühen 20. Jahrhunderts. Seine eindrücklichsten Nummern sind dann auch eher im Bereich des Kunstlieds und der Arien angesiedelt und keine typischen Musicalhits. Neu ist immerhin die inhaltliche Dimension des Stücks, das auf der Verfilmung des gleichnamigen Romans von Elizabeth Spencer basiert und in der Reihe von gesellschaftlichen und psychologischen Problemstücken wie „Next to normal“ steht.

Die in den 1950er Jahren angesiedelte Geschichte handelt von der schönen, aber geistig etwas behinderten jungen Amerikanerin Clara, die mit ihrer Mutter nach Florenz reist, sich hoffnungslos in einen italienischen Jungen verliebt, den sie dann, nach einigen Mühen und Interventionen von der Seiten der Eltern, auch heiraten wird. Eine Hymne auf die wahre Liebe, aber auch auf die Erkenntnis, dass mütterliche Liebe und Sorge oft auch den schweren Entschluss zum Loslassen miteinschließen. Im Mittelpunkt der Handlung steht nicht so sehr das Liebespaar, sondern Claras Mutter Margaret.

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Sarah Schütz (Margaret Johnson)

Die Inszenierung von Melissa King, von der auch die in diesem Stück nicht sehr wichtige Choreographie stammt, erzählt die Geschichte geradlinig und legt viel Wert auf die emotionalen Komponenten. Die räumlichen Verhältnisse der Linzer Black Box begünstigen eine kammerspielartige Umsetzung, bei der die Regisseurin die Handlung, wie im Libretto von Craig Lucas vorgeschrieben, in den frühen 50er Jahren spielen lässt, was auch von den die Kostümen von Judith Peter unterstrichen wird. Das Bühnenbild von Karl Fehringer & Judith Leikauf hingegen ist eine abstrakte Bühne mit keinerlei Zeit- und Raumbezug. Italienisches Flair sucht man vergeblich. Geometrische Quader und Blöcke und transportable Flächen prägen das Bild, und im Mittelpunkt steht eine Statue im Wotruba-Stil, vor der Clara einmal von den nackten jungen Männern aus Stein schwärmt, die es in Italien zu sehen gibt.

Reduziert auf ein Minimum ist auch das Orchester, das nur aus Violine, Violincello, Kontrabass, Harfe und Piano besteht. Die instrumentale Vielfalt der Musik von Guettel, der immerhin mit einen Tony für die besten Orchestrierung ausgezeichnet wurde, wird dadurch empfindlich eingeschränkt. Unter der Leitung von Juheon Han am Klavier wird gewiss fein musiziert, aber wie diese Musik wirklich klingen könnte, bleibt in dieser Produktion leider weitgehend ein Geheimnis, was natürlich schade, wenn auch wohl der Platznot in der Black Box zuzuschreiben ist. Da die Figuren auf der Bühne von der Vorlage her nur eher schablonenhaft gezeichnet sind, liegt es vor allem an der Musik, das, was hier fehlt, wenigstens klanglich bereitzustellen. Das ist hier, trotz bestem Einsatz der Sängerinnen und Sänger, mangels musikalischer Unterfütterung, leider nicht ganz der Fall

Sarah Schütz verkörpert die Rolle von Claras Mutter Margaret mit viel Herzblut. Sie ist eine typische „Helikopter-Mutter“, wie man sie heute nennen würde. Omnipräsent möchte sie ihr Kind vor allem schützen und macht mit ihrer ständigen Sorge sich selbst, ihrem Kind und dem Umfeld das Leben schwer. Glaubhaft gelingt es Schütz, den emotionalen Wandel durchzumachen, die Entfremdung in ihrer eigenen Ehe zu erkennen und Clara zu ermutigen, den Vertrauensvorschuss in eine romantische Beziehung zu riskieren und ihr Glück selbst in die Hand zu nehmen. Nicht nur darstellerisch, sondern vor allem auch gesanglich ist diese Rolle die schwierigste. Bei jüngsten Aufführungen in London und New York ist niemand geringerer als die Opernsängerin Renée Fleming als Margaret auf der Bühne gestanden. Ob Sarah Schütz auch Opernerfahrung hat, ist nicht bekannt. Ihre Leistung ist aber jedenfalls bewundernswert.

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Lukas Sandmann (Fabrizio) und Enrico Treuse (Giuseppe)

Bei der Besetzung müssen nicht für alle Rollen opernhaft ausgebildete Stimmen herangezogen werden. Gesanglich anspruchsvoll ist weiters jedenfalls die Rolle der Franca Naccarelli, Mutter von Claras Bräutigam Fabrizio. Sanne Mieloo glänzt in dem fabelhaften Oktett „Aiutami“ („Hilf Mir“), das sie mit Verve anführt. Das in diesem Musical immer wieder auch italienisch gesungen wird, gehört zu den stilistischen Eigenheiten dieses Musicals und ist nicht ohne Reiz.

Valerie Luksch ist eine sympathische Clara Johnson und verleiht der leicht behinderten jungen Frau die nötige Kraft, um sich endlich durchsetzen zu können und die Bevormundung abzuschütteln. Gut auch ihr psychischer Fast-Zusammenbruch, als sie sich bei einem vereinbarten Rendezvous mit Fabrizio in der Stadt verirrt und sich in eine heikle Lage hineinmanövriert. Luksch punktet mit einer guten traditionellen Musicalstimme, was auch für Lukas Sandmann gilt, der als Fabrizio einen romantischen jungen Mann verkörpert, der unbeirrt an seine große erste Liebe glaubt und seine totale Hingabe mit einer feinen, gellen Tenorstimme beteuert, so oft es nur geht.

Ein charmanter italienischer Gentleman ist Max Niemeyer als Signor Naccarelli, Inhaber eines Krawattenladens und Vater von Fabrizio, der nur einmal die Ruhe verliert, als er herausfindet, dass die Braut seines Sohnes sechs Jahre älter ist als er. Im Italien der 50er Jahre offensichtlich ein No-go, letztlich aber doch kein Hindernis, wie es sich bei einem Spaziergang mit Margaret hersausstellt, den er mit einem Kuss beschließt.

In Nebenrollen glänzen Enrico Treuse als Fabrizios Bruder Giuseppe, ein richtiger Filou, Alexandra-Yoana Alexandrova als dessen betrogene, schwer gekränkte und frustrierte Frau Franca sowie Gernot Romic in der Doppelrolle als Claras in der Heimat gebliebener, nur telefonisch kontaktierter Vater wie auch als kurioser Pfarrer.

Starker und dennoch irgendwie distanzierter Applaus.

 

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