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LIÈGE/ Opéra Royal de Wallonie: “I LOMBARDI ALLA PRIMA CROCIATA” von Giuseppe Verdi. Besuch im Opernmuseum

20.05.2023 | Oper international

Liège/Opéra Royal de Wallonie: “I LOMBARDI ALLA PRIMA CROCIATA” von Giuseppe Verdi 19.05.2023

Besuch im Opernmuseum

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Foto: J. Berger

 Giuseppe Verdis zweite richtig große Erfolgsoper „Die Lombarden beim ersten Kreuzzug“, welche fast den „Nabucco“ an Aufführungszahlen noch zu übertreffen drohte, wird heutzutage außerhalb Italiens eher selten gespielt, wenngleich aktuell eine kleine Renaissance einsetzt. Zuletzt wurde das Werk in Budapest und München konzertant geboten, in Parma steht diesen Herbst eine Neuinszenierung ins Haus und in Split, der Sommerspielstätte der Zagreber Oper, gab es 2020 eine erfolgreiche Open-Air-Aufführung, aber auch in Heidenheim wurde 2018 eine interessante szenische und musikalische Realisierung dieser Oper vorgestellt.

Dieses Bekenntnis zum Christentum und zur Heiligen Taufe des großen Meisters aus Roncole, scheitert im Grunde an dem schwachen Libretto Temistocle Soleras und an der verworrenen Handlung, die scheinbar beim ersten Besuch niemand so richtig versteht. Aber wie so oft beim frühen Verdi reißt die musikalische Seite den Zuhörer dann immer wieder mit. Allein mit zwei großen Chören („Gerusalem“ und „O signore, dal tetto natio“), dem Preuldio vor der Taufe im 3. Akt, welches quasi als eindrucksvolles Violinkonzert raffiniert komponiert wurde, dem folgenden Terzett „Qual voluttà“, der Arie des Oronte „La mia letizia infondere“ und dem hymnischsten und schönsten Finale „Te lodiamo al gran Dio di vittoria“, welches Verdi je geschrieben hat, ist dieses Werk voller Hits, welche berühmter sind als das Werk selbst.

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Ramon Vargas. Foto: J. Berger

Die Oper in Lüttich, bekannt für ihren Mut und ihre Zielstrebigkeit, sich für solche Werke einzusetzen, wie heuer bereits mit „Alzira“ als einem weiteren Frühwerk geschehen, scheitert diesmal an der szenischen Umsetzung durch die italienische Regisseurin Sarah Schinasi. Diese beschränkte sich leider vorwiegend auf das Auftreten und Abtreten der kostümierten Sänger; das wäre noch erträglich, wenn denn wenigstens das richtige Timing dabei gestimmt hätte. Eine derart hilflose Personenführung habe ich seit Jahren nicht erlebt und – mit Verlaub – jede Laiengruppe, welche ein biblisches Thema aufführt, hätte da mehr Empathie gezeigt.

Es spricht nichts dagegen, dass man die Oper in ihrem historischen Rahmen belässt, dafür ist das Thema zeitlich viel zu konkretisiert, doch Querverweise zum geschichtlichen Danach, würden funktionieren und man sollte sich als kreativer Künstler nicht davor scheuen. Selbst wenn auch das der Regisseurin noch zu modern oder zu schwierig wäre, dann lassen diese unkontrollierten Auftritte des singenden Personals einfach ungenügendes Regiehandwerk erkennen.  Am peinlichsten wirkte im Finale die Kampfszene der Kreuzritter mit den Muslimen, wo acht Komparsen ein wenig „kämpften“, ihre Schwerter schwangen und daraufhin alle tot umfielen. Als das Licht etwas gedämpft wurde, standen diese wieder auf und verließen die Bühne, weil der Chor sich für das Finale neu formieren musste. In diesem Moment ging durch meine Sitzreihe ein derartiges Gelächter als hätte ich in einer Komödie gesessen. Auch Pagano, welcher ab Akt 2 seinen Bruder Arvino wiedertrifft und sich erst im Finale flehend zu erkennen gibt, ist kostümiert und maskiert wie im ersten Akt, als dieser verstoßen wurde, auch dies war sehr peinlich.

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Goderdzi Janelidze, Matteo Roma. Foto: J. Berger

Die historischen Prachtkostüme entwarf Francoise Raybaud. Das dauerquietschende Bühnenbild von Pier Paolo Bisleri, das praktisch gedacht war, um die vielen Szenenwechsel zu umgehen, beschränke sich auf vier Wände und zwei  verschiebbare Flügel, welche die unschönen, störenden Geräusche erzeugten.

Geräusche lieferte zu seinem Dirigat auch Daniel Oren am Pult des Orchestre Opéra Royal de Wallonie-Liège ab; das kennt man von ihm. Diesem vorrangig in Italien arbeitenden Dirigenten, dessen Fokus auf Verdi liegt, gelang es, das Orchester gut durch den Abend zu balancieren, wenngleich etwas mehr richtiger Schwung und Akkuratesse der Sache zuträglicher gewesen wäre.

Beim Chor des Hauses (Einstudierung: Denis Segond) hätte eine bessere Führung durch den Maestro gut getan, anstatt vorrangig anzuzeigen: Bitte singt! So wurde die Leistung des Chores, welcher dadurch etwas zaghaft sang, leider getrübt. Das Violinsolo im 3. Akt, gespielt vom Konzertmeister Julien Eberhardt, verpuffte anhand vieler unsauberer Töne.

Voll und ganz konnten an diesem Premierenabend die Sänger überzeugen und allen voran Ramon Vargas in der dankbaren Partie des Oronte. Die Stimme des erfahrenden Mexikaners klang frisch und ausgeruht wie eh und je; zum Forcieren hat sich Vargas ohnehin nie verleiten lassen und das hört man noch immer. Die halsbrecherische Partie der Giselda, welche neben Abigaille und Odabella, wohl das Schwerste ist, was Verdi je für Soprane geschrieben hat, meisterte die Georgierin Salome Jicia mit Bravour und verführte mit angenehmen Höhenpiani, sicheren Koloraturen und Stimmstärke, wo diese benötigt wurde. Die arme Sängerin wurde im Finale des 2. Aktes, wo sie ihren wiedergefundenen Vater des Völkermordes anklagt, auf einem säulenartigen Podest in der Art einer Marienstatue in die Höhe gefahren, was szenisch dann zum Oberkitsch mutierte und der Sängerin zusätzliche und anstrengende Konzentration abverlangte.

Mit leichten Intonationstrübungen in der Mittellage, aber dafür mit sicherer Tiefe und beeindruckender Höhe, sang der szenisch besonders hilflos wirkende Goderdzi Janelidze (für einmal nicht Michele Pertusi) einen eher zu sympathischen Pagano und war so in seiner Rollenentwicklung vom brutalen und intriganten Bösewicht zum ehrfürchtigen Streiter Christi etwas eindimensional. Auch bei der Giselda verweigert die Regisseurin jeglichen Entwicklungsprozess zu zeigen, denn in dieser Rolle verläuft etwas konträr zu der des Pagano. Am Ende steht sie an der Seite ihres die Kreuzzüge anführenden Vaters, welchen sie im 2. Akt dafür noch anklagte. Dieser wurde von dem einfach zu jung wirkenden Matteo Roma als Arvino aber stimmlich derart aufgewertet, dass die Stimme dieses talentierten italienischen Tenors fast zu schön für den kernigen Charakter dieser Partie war.

Von den guten Comprimari ragte besonders Luca Dall’Amico als Pirro heraus.

Das dankbare Lütticher Publikum feierte die Sänger, beklatschte Daniel Oren neutral, gab dem Konzertmeister Julien Eberhardt erstaunlicherweise zu viele Bravi und nahm die Regisseurin eher nicht war.

Nach der nahezu sensationellen Inszenierung von „La Sonnambula“ im Januar, welche ich zuletzt in Liège besuchen durfte, was diesmal leider die szenische Seite nicht überregional berichterstattungswürdig.

 

Rico Förster

 

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