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LIÈGE/ Lüttich: • Opéra Royal de Wallonie: ADRIANA LECOUVREUR. 2. Vorstellung . Eine absolut sehens- und hörenswerte Produktion!

15.04.2023 | Oper international

Francesca Cilea: Adriana Lecouvreur • Opéra Royal de Wallonie-Liège • Vorstellung: 14.04.2023

(2. Vorstellung • Premiere am 11.04.2023)

Eine absolut sehens- und hörenswerte Produktion!

Nach 33 Jahren ist «Adriana Lecouvreur» an die Königlich Wallonische Oper in Lüttich zurückgekehrt. Und das in einer szenisch wie musikalisch superben Produktion.

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Foto © ORW-Liège/J. Berger

Regisseur Arnaud Bernard versteht seine Inszenierung als Hommage an das Theater, an jene, die auf und vor allem hinter der Bühne stehen. Im Zentrum steht natürlich Adrienne Lecouvreur, deren Geschichte Cilea in seiner Oper erzählt. Die historische Adrienne (1692-1730) war zu ihrer Zeit der grosse Star der Comédie Française, berühmt für Ihre Wahrhaftigkeit der Darstellung und vor allem dafür, dass sie immer eine einfache und ehrliche Frau geblieben ist. Diese «Doppel-Natur», die Bernard so im Programmheft beschreibt, ist Leitfaden seiner Regie-Arbeit. Sie kommt im Theater auf dem Theater, wo die einfache Frau zum Star wird, Realität (einfache Frau) und Fiktion (die Starschauspielerin) verschmelzen müssen, besonders gut zum Ausdruck. «C’est une star, et c’est un ange»: im Ballett (Chorégraphie: Gianni Santucci), vor dem man hier im Gegensatz zu anderen Häusern keine Angst hat, tritt Adrienne als Engel mit grossen, weiten Flügeln aus dem Bühnenhimmel auf. Bernard lässt seine Inszenierung auf der gleichermassen akribisch wie liebevoll gestalteten (Hinter-Bühne) der Comédie Française (Décors: Arnaud Bernard und Virgile Koering) spielen. Es wird gerade Racines «Bajazet» gegeben: so herrscht reichlich Betrieb und das Auge des Zuschauers kann sich kaum sattsehen. Die Bühne ist bis zum Schnürboden hinauf detailgetreu nachgebildet und die Aufführung benötigt natürlich Personal und Bühnenbilder. Carla Ricotti konnte für Ihre Kostüme so natürlich aus dem Vollen schöpfen und hat dies mit sichtbarer Begeisterung für schöne Stoffe und vor allem viel Stilbewusstsein und gutem Geschmack getan. Da sich Bernard zum Ziel gesetzt hat, im Rahmen seiner Arbeit die drei klassischen Einheiten von Aktion, Zeit und Ort zu beachten, spielen auch der zweite Akt in der Villa der Duclos und der vierte Akt in Adrianas Haus auf der Bühne, wo ja Realität und Fiktion nicht klar abgegrenzt sind. Ist die Welt im zweiten Akt noch einigermassen sicher, sind die Wände der Ducloschen Villa noch im Boden verankert. Im vierten Akt hängen die Wände von Adrianas Haus nur noch an Seilzügen und werden hochgezogen, wenn Adriana auf der Bühne wie Lakmé oder Selica (in Meyerbeers «Vasco da Gama») den Tod durch die Blume stirbt. Dann wird die Bühne zu ihrem Haus, Realität und Fiktion verschmelzen endgültig.

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Foto © ORW-Liège/J. Berger

Von der Anspannung der Premiere und des Rollendebüts befreit, überzeugt Elena Moşuc als Adriana Lecouvreur noch stärker als am ersten Abend. Sie darf im Moment als Idealbesetzung dieser Partie gelten, denn ihr stehen für die dramatischen Passagen ein satter, voller Sopran mit der notwendigen Durchschlagskraft und für die lyrischen Szenen eine wunderbar weicher, zarte Stimme zu Verfügung. Es ist schlicht phänomenal, wie souverän Moşuc den Wechsel zwischen der Femme fatale, der Verismo-Diva, und der Femme fragile, der zarten, verletzlichen Frau, bewältigt, perfekt deklamiert und dabei, ganz wie das historische Vorbild, immer natürlich bleibt. Mit ihrer unerreichten Bühnepräsenz geht sie ganz in der Rolle auf: bei ihrem letzten Auftritt geht sie im gleissenden Licht dem fiktiven Zuschauerraum entgegen und bricht zusammen, während das Licht ganz langsam verlöscht. Für ihre Gestaltung der Rolle spricht, das der Orkan des Applaus erst losbricht, als, das Orchester ist schon verstummt, das Licht komplett aus, die Bühne schwarz ist. Luciano Ganci glänzt Maurizio mit viel tenoralem Schmelz, Metall und kraftvollen Höhen. Dank seiner intensiven Bühnenpräsenz nimmt man ihm den Liebhaber, der die Frauen nur so um den Finger wickeln kann, jederzeit ab. Mario Cassi leiht dem Michonnet seinen sauber geführten Bariton und formt aus seiner Partie, gerade wenn er erkennen muss, das Adriana ihn nicht liebt und er ihr Wohl trotzdem über das Seinige stellt, eine beeindruckende Charakterstudie. Allerdings stellen sich bei ihm, nicht ganz so deutlich wie bei Anna Maria Chiuri als La principessa di Bouillon, erste Ermüdungserscheinungen ein. Mattia Denti als Il principe di Bouillon bleibt trotz sonorem Bass szenisch eher blass, während Pierre Derhet als L’abate di Chazeuil zum Outrieren neigt. Luca Dall’Amico als Quinault, Alexander Marev als Poisson, Hanne Roos als Madamigella Jouvenot und Lotte Verstaen als Madamigella Dangeville ergänzen das bestens harmonierende Ensemble.

Das Orchestre Opéra Royal de Wallonie-Liège unter musikalischer Leitung von Christopher Franklin spielt erneut traumhaft leidenschaftlich und kombiniert in seinem Klang ganz hervorragend den Verismo und das französische Sentiment. Satt und homogen klingen die Choeurs Opéra Royal de Wallonie-Liège (Chef des Choeurs: Denis Segond).

Eine absolut sehens- und hörenswerte Produktion!

Weitere Aufführungen:

SO 16. April 2023, 15.00 (Adriana Lecouvreur: Elena Moşuc);

DI 18. April 2023, 20.00 (Adriana Lecouvreur: Elena Moşuc);

DO 20. April 2023, 20.00 (Adriana Lecouvreur: Carolina López Moreno);

SA 22. April 2023, 20.00 (Adriana Lecouvreur: Carolina López Moreno).

 

15.04.2023, Jan Krobot/Zürich

 

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