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LES ROUTES DE L‘ESCLAVAGE – JORDI SAVALL; AliaVox – 2 CDs, DVD

08.05.2017 | cd

LES ROUTES DE L‘ESCLAVAGE – JORDI SAVALL; AliaVox  – 2 CDs, DVD

Mémoires de l‘Esclavage 1444-1888 – Live 17. Juli 2015 Abbaye de Fontfroide, Narbonne (France)

9788494631108

Jordi Savall, großer katalanischer Humanist, Gambenist, Experte alter Musik kann in seiner neuen CD/DVD-Buchpublikation über die Sklaverei, wieder einmal alle Tugenden seiner langen Tätigkeit als Musiker und Wissenschaftler vereinen. Seine mit den von ihm und seiner Frau Montserrat Figueras gegründeten Ensembles La Capella Reial de Catalunya und Hesperion XXI über Jahrzehnte entwickelte Erfahrung samt unerhörten Klangimprovisationen vermag Savall auch im akustischen Nachzeichnen der Leidensgeschichte der Sklaven aus Afrika voll zur Geltung zu bringen. Als Partner stehen ihm diesmal 3MA, das Temembre Ensemble Continuo, sowie die herausragenden Künstler K.M Diabaté, I. Garcia, M. J. Linhares, B. Sangaré und B. Sissolo zur Verfügung. Ein über 500 Seiten starkes. liebevoll editiertes Buch informiert nicht nur genau über die Idee des Konzerts, sondern enthält in den Sprachen Englisch, Französisch Kastellan, Katalan, Deutsch und Italienisch in aller Sorgfalt umfangreiche Informationen über die historischen Zusammenhänge von Sklaverei. Die moralische Botschaft, die Savall uns allen damit überbringt, richtet sich gegen Kinderarbeit und Prostitution von Minderjährigen heute, gegen die endemischen Krankheiten der menschlichen Gesellschaft, die neue Formen der Sklaverei hervorbringen und gegen den Hass des Anderen, die unmenschliche Antriebskraft des Rassismus; der Kampf ist noch nicht zu Ende. 

Aber wir wollen Jordi Savall selbst zu Wort kommen lassen. Wer könnte besser zu der über jede Kritik erhabene neue Veröffentlichung Zeugnis ablegen wie er?  „Die musikalische Tradition hat im Gedächtnis der betroffenen Völker der Westküste Afrikas, Brasiliens, Mexikos, der Karibischen Inseln, Kolumbiens und Boliviens sowie in den in Mali noch lebendigen Griot Gesängen tiefe Spuren hinterlassen. Die Musikstücke werden von Musikern aus Brasilien, Kolumbien, Mexiko, Mali, Marokko und Madagaskar interpretiert. Sie treten in einen Dialog mit iberischen Musikformen, die sich an den Gesängen und Tänzen der Sklaven und Einheimischen sowie an ethnischen Mischungen jeder Art inspiriert haben. Die mehr oder weniger erzwungene Beteiligung der Sklaven an der kirchlichen Liturgie der Neuen Welt spiegelt sich in den Villancios de Negros, Indios und Negrillas. Auf diese Art hat sich zum ersten Mal in einer Art Dreiecksbeziehung umfassend das afrikanische und amerikanische Erbe mit dem von Europa kommenden Einfluss von Renaissance und Barock verbunden, als verstörendes und doch auch zutiefst optimistisches Zeugnis einer musikalischen Überlieferung, die den besseren Teil einer Kultur von Eroberungen und Zwangsbekehrungen darstellt.“

Und wir wollen auch nicht widersprechen, wenn Maestro Savall zum Schluss kommt, dass es keinen größeren Kontrast zwischen der bewegenden Schönheit und geheimnisvollen Macht jener Musik und der Brutalität der ausgewählten historischen Zeugnisse geben mag. Das Privileg der Kenntnisse der Vergangenheit sollte uns verantwortungsbewusster machen. Der Hörer kann aber auch einfach nur Gesängen lauschen, die von Überlebenswillen und -kraft zeugen. Musik als ewige Zuflucht des Friedens, des Trostes und der Hoffnung. Eine mächtige und eindringliche musikalische Botschaft, die von Savall und seinen leidenschaftlichen Mitstreitern in herrlichsten Klang gegossen wird.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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